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Sarranti war nicht mehr da.

      Es hätte, wie man sieht, wenig gebraucht, daß die Unfehlbarkeit von Herrn Jackal von Gibassier in Zweifel gezogen werden konnte, nichtsdestoweniger war seine Bewunderung für den Polizeichef nur größer; die Scene, die er bezeichnet, das Gemälde, das er beschrieben, hatten nur die Dauer des Blitzes gehabt, doch Scene und Gemälde hatten existiert.

      »Ei! Ei!« sagte Carmagnole« »ich sehe immer noch den Mönch, doch ich sehe unseren Mann nicht mehr.«

      Gibassier erhob sich auf den Fußspitzen, schoß seinen geübten Blick in die Tiefen der Kirche, und lächelte.

      »Ich sehe ihn,« legte er.

      »Wo denn?«

      »Zu unserer Rechten, in schräger Linie.«

      »Ich folge.«

      »Schauen Sie.«

      »Ich schaue.«

      »Was sehen Sie?«

      »Einen Academisten, der schnupft.«

      »Das ist, um sich wach zu erhalten; er glaubt, er sei in einer Sitzung . . . Und was sehen Sie hinter dem Academiker?«

      »Einen Schlingel, der eine Uhr stiehlt.«

      »Das ist, um seinem alten Vater die Stunde zu sagen, Carmagnole . . . Und hinter dem Schlingel?«

      »«Einen jungen Mann« der ein Billet in das Gebetbuch eines Mädchens steckt.«

      »Seien Sie überzeugt« daß dies kein Beerdigungsbillet ist. Und hinter diesem glücklichen Paare?«

      »Einem guten Mann« der so traurig aussieht, als ob er begraben würde. Ich habe diesen Mann bei allen Beerdigungen gesehen.«

      »Mein lieber Carmagnole, ohne Zweifel hat er im Grunde seines Herzens den melancholischen Gedanken, er werde der seinigen nicht beiwohnen . . . Nun sind Sie aber bald dabei, mein Busenfreund. Was sehen Sie hinter dem traurigen Greise?«

      »Ah! es ist wahr, unsern Mann. Er spricht mit Herrn von Lafayette.«

      »Wahrhaftig! das ist Herr von Lafayette?« sagte Gibassier mit jener Ehrfurcht, welche die gemeinsten und elendsten Leute für den edlen Greis hegten.

      »Wie!« rief Carmagnole mit Erstaunen, »Sie kennen Herrn von Lafayette nicht?«

      »Ich habe Paris am Abend vor dem Tage verlassen, wo ich ihm als peruanischer Kazike, der herbei gekommen, um die französische Constitution zu studieren, vorgestellt werden sollte.«

      In diesem Augenblicke, und als die zwei Gefährten, die Hände auf dem Rücken und mit sehr harmloser Miene, langsam gegen die Gruppe zugingen, – welche in der That aus dem General Lafayette, Herrn von Marande, dem General Pajol Dupont (del’ Eure), und Einigen von den Männern bestand, welche ihre Opposition der allgemeinen Popularität bemerkbar machte, – in diesem Augenblicke, sagen wir, waren sie von Salvator seinen Freunden bezeichnet worden.

      Gibassier hatte nichts von dem verloren, was in der Gruppe der jungen Leute vorgegangen war. Gibassier schien mit einer besonderen Fähigkeit in Betreff des dritten Sinnes begabt; ersah zugleich rechts und links wie die Schieler, und vorne und hinten wie die Kamäleone.

      »Mein lieber Carmagnole,« sagte Gibassier, indem er ihm mit einem Augenwinkel die Gruppe der fünf jungen Leute bezeichnete, »ich glaube, diese Herren erkennen uns: es wäre gut, wenn wir uns trennen würden, wohlverstanden auf einen Moment. Überdies würden wir unsern Mann nur um so besser belauern, und es gibt einen Ort, wo wir uns mit Sicherheit immer wiederfinden.«

      »Sie haben Recht,« erwiderte Carmagnole, »man vermöchte nicht vorsichtig genug zu Werke zu gehen. Die Verschwörer sind schlauer, als man glaubt.«

      »Sie sprechen da eine sehr gewagte Ansicht aus, Carmagnole; doch gleichviel, es ist nichts Schlimmes dabei, glauben zu lassen, was Sie sagen.«

      »Sie wissen, daß wir nur Einen zu verhaften haben?«

      »Allerdings; was würden wir mit dem Mönche thun? Er brächte uns die ganze Geistlichkeit auf den Nacken.«

      »Und zu verhaften unter seinem Namen Dubreuil, wegen des in der Kirche verursachten Aergernisses.«

      »Wegen keiner andern Sache.«

      »Gut!« sagte Carmagnole« indem er sich gegen rechts wandte, während sich sein Gefährte gegen links wandte.

      Dann stellte sich Jeder, eine krumme Linie beschreibend, Carmagnole auf die Rechte des Vaters und Gibassier auf die Linie des Sohnes.

      Die Messe begann in diesem Augenblicke.

      Sie wurde mit Salbung gelesen, mit Sammlung gehört.

      Nach Beendigung der Messe traten die jungen Leute der Schule von Chalons, welche den Sarg bis in die Kirche getragen hatten, hinzu, um ihn wieder aufzunehmen und bis auf den Friedhof zu tragen.

      Aber in dem Augenblicke, wo sie sich bückten, um ihre Anstrengungen zu vereinigen und die Last mit einer gleichzeitigen Bewegung aufzuheben, schien eine Person von hoher Gestalt, schwarz gekleidet, doch ohne Auszeichnung, aus der Erde hervorzukommen, und rief mit dem Tone eines Mannes, der das Recht hat, zu befehlen:

      »Rühren Sie diesen Sarg nicht an, meine Herren!«

      »Und warum nicht?« fragten erstaunt die jungen Leute.«

      »Ich habe Ihnen keine Rechenschaft zu geben,« antwortete der schwarze Mann; »rühren Sie den Sarg nicht an.«

      Hierauf wandte er sich an den Todtencommissär und fragte:

      »Wo sind Ihre Träger,« mein Herr ?«

      Der Todtencommissär trat vor und erwiderte:

      »Ei! ich glaubte, diese Herren sollten den Leichnam tragen . . . «

      »Ich kenne diese Herren nicht,« unterbrach heftig der schwarze Mann. »Ich frage Sie, wo Ihre Träger seien: lassen Sie dieselben auf der Stelle kommen.«

      Man begreift, welchen Aufruhr in der Kirche dieser seltsame Zwischenfall hervorbrachte Ein ungeheures Getöse ähnlich dem, welches von den Wellen während der unheilschwängern Minuten, die dem Sturme vorhergehen, aufsteigt, erhob sich auf allen Seiten; ein furchtbares Gebrülle drang aus der Brust der Menge hervor.

      Der Unbekannte fühlte sich ohne Zweifel durch eine unwiderstehliche Macht unterstützt, denn er empfing diesen Lärmen mit einem Lächeln der Verachtung.

      »Träger!« wiederholte er.

      »Nein, nein, nein, keine Träger!« riefen die Zöglinge.

      »Keine Träger!« wiederholte die Menge.

      »Mit welchem Rechte,« fuhren die Zöglinge fort, »mit welchem Rechte wollen Sie uns verhindern, die sterblichen Ueberreste unseres Wohlthäters zu tragen, während wir von der Familie die Erlaubnis erhalten haben?«

      »Das ist falsch,« erwiderte der Unbekannte, »die Familie widersetzt sich im Gegentheile förmlich, daß der Körper anders als auf die gewöhnliche Art getragen werde.«

      »Ist das wahr, meine Herren?« fragten die jungen Leute, sich an die Grafen Gaëtan und Alexandre de la Rochefoucauld wendend, welche in diesem Augenblicke herbeikamen, um ihren Platz hinter dem Leichname ihres Vaters zu nehmen; »ist das wahr, meine Herren, verbieten Sie uns, die Ueberreste unseres Wohlthäters und Ihres Vaters, der auch der unsere war, zu tragen?«

      Alles dies ging unter einem unbeschreiblichen, erschrecklichen Tumulte vor.

      Als man aber diese Frage hörte, als man sah, daß der Graf Gaëtan zu antworten sich anschickte, rief man von allen Seiten:

      »Stille! Stille! Stille!«

      Die Stille trat wie durch einen Zauber ein, und man hörte den Grafen Gaëtan mit zugleich ernstem, sanftem und dankbaren Tone antworten:

      »Weit entfernt, sich zu widersetzen, hat Sie die Familie hierzu ermächtigt, und sie ermächtigt Sie abermals.«

      Auf diese Worte erfolgte ein Freudengeschrei, das von der Firste bis zur Basis der Kirche erscholl.

      Der Todtencommissär

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