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mir keine Zeit für weitere Spekulationen. Cassian hatte darauf geachtet, dass ich mich anschnallte, und als er losfuhr, wusste ich auch, warum. Er raste in einem unglaublichen Tempo die enge Einfahrt hinunter und am Ende, kurz vor der Hauptstraße, ließ er den Sportwagen mit unverminderter Geschwindigkeit auf die Straße schießen. Erschrocken presste ich mir eine Hand auf den Mund, während er das Lenkrad kreisen ließ und wir um die Ecke glitten, denn ich rechnete fest damit, dass wir gleich mit einem anderen Auto zusammenstoßen würden. Bei dieser Geschwindigkeit konnte er unmöglich gesehen haben, ob ein anderer Wagen kam. Doch wir hatten Glück. Die Straße war leer und wir jagten in halsbrecherischem Tempo weiter, bis er Sekunden später vor unserem Haus bremste.

      Als der fauchende Motor erstarb und ich mit wackeligen Beinen aus dem »Rennwagen« ausstieg, war ich über zwei Dinge äußerst erleichtert. Ich hatte eine Nachricht von Grandma auf meinem Handy, dass sie etwas später kommen würde, und was noch viel wichtiger war, wir hatten die Autofahrt tatsächlich überlebt. Also bat ich Cassian noch kurz herein.

      »Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe«, entschuldigte er sich, während er hinter mir die Treppe zu meinem Zimmer hinaufstieg. »Aber du hattest es doch eilig.«

      »Dann fährst du sonst nicht so?«, erkundigte ich mich halb erleichtert, halb misstrauisch, als wir oben angekommen waren.

      Er grinste. »Doch, eigentlich schon.«

      »Und wieso hast du mich beim letzten Mal nicht einfach nach Hause gefahren?«

      Sein Grinsen wurde verlegen. »So hat es länger gedauert und ich hätte im Auto nicht einfach so deine Hand halten können.«

      Ich hatte keine Zeit, einen roten Kopf zu bekommen, denn unten wurde die Haustür geöffnet.

      »Das ist meine Grandma …« Aber ich stand allein im Flur. Ungläubig sah ich mich um. Cassian, der eben noch neben mir gestanden hatte, war verschwunden. Aber er konnte sich doch nicht so einfach in Luft auflösen?

      Meine Zimmertür stand weit offen, aber als ich das Licht anschaltete, war der Raum leer. Wenn er nach unten gegangen wäre, hätte er Grandma direkt in die Arme laufen müssen. Aber das war er nicht, denn anstatt mit jemandem zu sprechen, fragte sie nur, ob ich wüsste, wem der schwarze Sportwagen vor dem Haus gehörte.

      »Keine Ahnung«, schwindelte ich. »Steht da einer?«

      Nervös lief ich zum Fenster. Nein. Hier konnte er auch nicht hinausgeklettert sein. Er hätte sich den Hals gebrochen, wenn er es versucht hätte, aber zu meiner Erleichterung war der Kiesweg leer.

      Als ich die Treppe hinunterstieg, um Grandma zu begrüßen, hatte ich das Rätsel seines Verschwindens noch immer nicht gelöst. Aber ich würde es erfahren, wenn wir uns wiedersahen, und bei dem Gedanken daran spürte ich wieder dieses wunderbare Kribbeln.

      Ich war allein im Wald. Es war dunkel, doch am Himmel konnte man die Sterne sehen. Außerdem war mein Wolf bei mir. Wie ein Hund wedelte er mit dem Schwanz und als ich mich bückte, um ihn zu streicheln, fuhr er mir mit seiner rauen Zunge über das Gesicht. Lachend schloss ich die Augen. Doch plötzlich hörte es auf.

      Als ich die Augen öffnete, war er verschwunden. Stattdessen kam Cassian auf mich zu. Er zog mich an sich und dann fühlte ich seine warmen Lippen auf meinem Mund …

      »Du bist ja heute so gut gelaunt«, stellte Grandma fest und betrachtete amüsiert, wie ich mir Kaffee einschenkte.

      »Hmmh.«

      »Wahrscheinlich liegt es daran, dass du mal ausgeschlafen bist. So früh, wie du gestern im Bett warst«, vermutete sie und ich ließ sie in dem Glauben. Den wahren Grund musste sie nicht erfahren. Noch nicht.

      »War müde«, nuschelte ich nur, weil mein Mund voller Obstsalat war. Ich hatte einen Bärenhunger, aber das war nicht weiter erstaunlich. Schließlich hatte ich gestern nur gefrühstückt. Offensichtlich war ich jemand, der nicht nur von Luft und Liebe leben konnte.

      »Na ja, kein Wunder nach der sportlichen Anstrengung und deinem Sturz.« Sie sah auf meine verbundenen Handflächen.

      Natürlich hatte sie nur einen kleinen Teil meines gestrigen Joggingabenteuers zu hören bekommen.

      »Hast du heute irgendwas vor?«

      Oh ja, das hatte ich. Ich musste noch jede Menge Hausaufgaben erledigen. Nur, heute erschien mir die Aussicht darauf gar nicht so übel, wenn ich an das Telefonat von gestern Abend dachte. Ich hatte schon im Bett gelegen und darüber nachgedacht, wie es wohl sein würde, Cassian am Montag in der Schule wiederzusehen, als der Anruf der unbekannten Handynummer gekommen war.

      »Hallo?«

      »Hallo Celia.«

      Mein Puls schnellte augenblicklich in die Höhe.

      »Hi«, stieß ich atemlos hervor.

      »Hab ich dich etwa geweckt?«

      »Nein. Ich habe noch nicht geschlafen. Woher kennst du meine Nummer?«

      Ich hörte sein leises Gänsehautlachen.

      »Hast du schon vergessen, dass du mir keine Fragen stellen sollst?«, erinnerte er mich.

      »Gar keine?«

      »Nein.«

      »Auch nicht, warum du mich anrufst?«

      Er lachte wieder. »Okay, die Frage ist erlaubt. Ich hatte Sehnsucht nach dir.«

      Mein gehauchtes »Oh« war wenig geistreich, aber ich hatte mich noch nicht daran gewöhnt, dass der coolste Typ unserer Schule ausgerechnet auf mich stand.

      »Und darum wollte ich dich auch fragen, ob du nicht vielleicht Lust hast, morgen zu mir zu kommen. Wir könnten erst mal Hausaufgaben machen und dann … mal sehen.«

      Und ob ich dazu Lust hatte. Und das »mal sehen« gefiel mir dabei besonders.

      »Super«, erwiderte er zufrieden, nachdem wir eine Uhrzeit ausgemacht hatten. »Dann bis morgen. Und … träum schön!«

      »Du auch.«

      Wieder erklang sein Gänsehautlachen. »Oh ja, das werde ich. Bestimmt!«

      Ich unterbrach meine Tagträumereien und antwortete: »Ich glaub, ich werde heute endlich mal meine Hausarbeit anfangen und dazu zu Cassian rübergehen.«

      »Cassian?«

      »Ja, du weißt doch … sein Onkel und er sind in das Warnerhaus eingezogen.«

      »Ach ja, richtig. Macht ihr die Arbeit zusammen?«

      Ich schüttelte den Kopf und behauptete, dass Cassians Onkel Bücher zu meinem Thema besaß.

      Natürlich hatte sie nichts dagegen. Sie fand es sogar gut, dass ich mich mit dem neuen Nachbarn anfreundete. Die Bewohner dieser Gegend nahmen Fremde nicht gerade mit offenen Armen auf und meist dauerte es Jahre, bis man in Eagle Lake überhaupt einigermaßen akzeptiert wurde. Aber Grandma war anders und deshalb überraschte es mich nicht, als sie vorschlug, dass ich Cassian auch einmal zu uns einladen sollte.

      Er musste meinen Wagen gehört haben, denn er erwartete mich schon an der Haustür und mein Herz machte einen kleinen Sprung, als ich ihn dort entdeckte, lässig am Türrahmen lehnend. Er lächelte, nahm mir meinen Rucksack ab und zog mich mit der anderen Hand zu sich.

      »Ich hab dich vermisst«, murmelte er rau und küsste mich. Sofort bekam ich weiche Knie.

      Im Wohnzimmer brannte das Kaminfeuer und es war angenehm warm nach der kühlen Herbstluft draußen. Eigentlich hatte ich erwartet, dass wir in sein Zimmer gehen würden, aber er entschuldigte sich, dass es nicht aufgeräumt war. Also machte ich es mir auf dem alten Ledersofa bequem, während er mir eine Coke aus der Küche holte.

      »Wann lerne ich eigentlich mal deinen Onkel kennen?«, erkundigte ich mich, als er zurückkam und das Glas und die Flasche neben mein Mathematikbuch stellte.

      »Meinen

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