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Fee wiegte sorgenvoll den Kopf, stand aber zu ihrem Wort. Als der Bursche zurückkam, fand er anstelle der Hütte ein palastähnliches Haus. Alles funkelte, glänzte und glitzerte daran. Im Innern barg das Gebäude eine wundervolle Einrichtung. Tische und Schränke waren aus feinstem Ebenholz, die Bettwäsche aus zarter Seide, und den Marmorboden bedeckten weiche Teppiche. In einer Ecke stand die prächtige Truhe mit den Dukaten, und jedes Mal, wenn der Bursche welche herausnahm, sprangen sogleich andre mit leichtem Klirren in den Behälter.

      Nun konnte er sich gönnen, was sein Herz begehrte. Er aß viel, trank noch mehr und ritt gern auf dem Rappen. Immer öfter ließ er die Großmutter allein, sie fühlte sich einsam in dem riesigen Haus und grämte sich, weil der Enkel die Tage so nutzlos verbrachte. Sie wurde rasch hinfällig, und als der Bursche eines Abends heimkehrte, fand er sie tot in ihrem Zimmer. Er kaufte den prunkvollsten Sarg, am Grab aber vergoss er nicht eine Träne.

      Jetzt ritt er täglich ins Dorf, doch es brachte ihm keine Freude wie ehemals. Er behandelte nämlich die Menschen so hochmütig, dass sich einer nach dem andern von ihm abwandte. Wenn er im Wirtshaus zechte, blieben um ihn herum die Tische leer, und immer seltener fand sich ein Mädchen, das mit ihm tanzte. Sollen sie sich zum Teufel scheren, dachte er. Du brauchst sie nicht, du bist reich und kannst dir jederzeit gönnen, wonach dir der Sinn steht.

      Er vertilgte täglich Unmengen erlesener Speisen und Getränke. Die Völlerei hatte Folgen: Der Bursche wurde fett und träge. Das Pferd ächzte unter seiner Last, und schließlich bereitete es ihm sogar Mühe, in den Sattel zu steigen.

      Eines Nachmittags trabte der Rappe einen Waldweg entlang, und der Bursche blickte griesgrämig um sich. Auf einer Lichtung bemerkte er drei Holzfäller, sie schlugen kraftvoll mit den Äxten in einen Baum, dass die Späne nur so stoben. Bevor der Stamm sich neigte und krachend aufschlug, sprangen die Männer flink beiseite. Sie gönnten sich eine Pause und sprachen miteinander. Offenbar erzählten sie gar lustige Dinge; denn sie mussten immerzu lachen. Der Bursche wurde neugierig und lenkte sein Pferd zu ihnen.

      ‚Ihr schwatzt so heiter, Leute‘, sagte er. ‚Mir scheint fast, ihr seid glücklich.‘

      ‚Warum sollten wir‘s nicht sein?‘, fragte der Eine. ‚Die Arbeit geht uns flott von der Hand.‘

      ‚Und bei jedem Axtschlag‘, meinte der Zweite, ‚spüren wir, dass wir gesund und kräftig sind.‘

      ‚Außerdem bringen wir andern Nutzen‘, erklärte der Dritte. ‚Mit dem Holz, das wir fällen, werden Häuser gebaut.‘

      ‚Und die Handwerker fertigen Möbel oder Wagenräder oder Fässer‘, fügte der Erste hinzu.

      ‚Die Frauen schließlich heizen die Öfen damit‘, ergänzte der Zweite.

      ‚Und der Köhler füllt seinen Meiler‘, vervollständigte der Dritte.

      Der Bursche ritt nachdenklich von dannen. Als Tage später der Mond wieder gelb und rund am Himmel stand, lenkte er den Rappen in den Wald. Alles war wie beim ersten Mal: Vögel flatterten über ihm, Käuze schrien gellend, um ihn herum funkelten die Augen von vielerlei wildem Getier.

      Erschöpft erreichte der Bursche die Eiche. Sobald er den Spruch gesagt hatte, schwebte die Fee aus dem Erdspalt.

      ‚Nun?‘, fragte sie. ‚Bist du glücklich?‘

      ‚Nein‘, erwiderte er. ‚Es geht mir elend.‘

      ‚Ich hatte dich gewarnt!‘

      ‚Es geschah nicht umsonst‘, sagte er. ‚Inzwischen weiß ich nämlich, wie sich alles noch zum Guten wenden könnte.‘

      ‚Wie?‘

      ‚Gib mir meine frühere Kraft und Gewandtheit zurück‘, bat er. ‚Ich will Bäume fällen wie die andern.‘“

      Dagmar hatte sehr anschaulich erzählt, nun schwieg sie und sah mich erwartungsvoll an.

      „Ein interessantes Märchen“, sagte ich. „Beinah bedaure ich, dass es mich nicht widerlegt.“

      „Ich sehe es anders“, meinte sie. „Auch du glaubst, glücklich zu sein. Vielleicht bist du es im Moment auch. Möglich. Doch wie lange? Dein Dienst dauert drei Jahre. Der Reiz des Neuen aber wird bald schwinden. Jetzt hast du noch nicht mal drei Monate hinter dir. Die Zeit wird dir tüchtig lang werden. Schade um die drei Jahre!“

      „Es kommt auf die Sicht an“, erwiderte ich. „Früher hätte ich gedacht wie du. Da beeindruckte mich sogar, was Andy über das Glück äußerte. Er hatte eine Formal parat: Glück für den Einen ist Nachteil für andere. Den Satz konnte er mit Beispielen belegen, die auf den ersten Blick bestachen. Findest du hundert Mark, bist du glücklich, der Verlierer ärgert sich. Spannst du einem die Ische aus, erlebst du Sternstunden, für den Betrogenen ist‘s ein Waterloo. Er veranschaulichte seine These mit …zig weiteren Gegenüberstellungen; manches war erstaunlich originell, bloß es stimmte nicht, weil er von einer falschen Position heranging. Dein Vater hingegen ist zum Kern vorgedrungen. Wirklich glücklich kann man nur sein, wenn es auch die Menschen neben einem sind. Ich liefere kein Holz, das in dieser oder jener Weise nützt. Aber ich trage dazu bei, dass andere ohne Furcht sein können. Ist das nichts?“

      „Doch“, gab Dagmar zu. „Trotzdem gibt es Lohnenderes. Auf dem Hang – ich bleibe bei deinem Bild – kraxelst du noch immer weit unterhalb des Gipfels. Wie willst du ihn jemals erreichen?“

      1

      Auf dem letzten Abschnitt ist der Hang besonders steil. Meine Beine werden schwerer. Die Pappeln sind zurückgeblieben, überall wachsen Schlehdorn und verkrüppelte Robinien. Nur links, etwa fünf, sechs Meter entfernt, steht eine Eiche, deren starke Wurzeln da und dort aus dem Boden ragen. Sie hat einen mächtigen Stamm mit derber, rissiger Borke. Über dreihundert Jahre mag sie alt sein. Ihre knorpligen Äste recken sich weit empor, und die Blätter flimmern in der Sonne. Was sind für solchen Koloss sechzehn Jahre?, denke ich. Die können ihm nichts anhaben. Für Menschen hingegen sind sie eine lange Zeitspanne, in der sehr viel geschehen kann.

      Auf manchen Stellen wuchert Moos, und die Zweige des Schlehdorns wachsen über den Weg, der offenbar immer seltener benutzt wird. Man wählt lieber die Landstraße, die sich, allmählich ansteigend, in Serpentinen um den Steg windet.

      Die letzten Meter bewältige ich schnell. Oben bleibe ich stehen, atme mehrmals tief durch und blicke mich um. Auf einem kleinen Parkplatz in der Nähe entdecke ich den roten Skoda. Hinterm Lenkrad sitzt Mergelt. Er steigt aus, eilt mir entgegen und umarmt mich. „Ich wollte dich abholen“, sagt er, „hab‘s aber nicht geschafft. Wartest du am Hang, dachte ich. Wie du ihn kennst, kommt er dort hoch. Ich hab ziemlich lange warten müssen.“ Er grinst ein bisschen, während er hinzufügt: „Mir scheint, du bist außer Form. Früher hast du die Steigung rascher bezwungen. Beim ersten Ausgang war das Tempo sogar rekordverdächtig.“

      „Man wird älter“, erwidere ich, „aber so schlimm wie bei Brühl ist es noch nicht.“ Mir fällt ein, dass er uns die Anekdote fast an der gleichen Stelle erzählt hat.

      Er schaut mich an. Seine blaugrauen Augen sind klar wie einst, die Gesichtshaut ist straff und bis zum Ansatz des dichten, dunkelblonden Haars gebräunt, nichts erinnert an die hohlwangige Blässe in der Klinik.

      „Du hast dir die Geschichte gemerkt?“, fragt er.

      „Ja“, bestätige ich. „Manches vergisst man nicht.“

      „Dann besinnst du dich wohl auch noch aufs ‚Jagdhaus‘?“

      „Natürlich.“

      „Dorthin fahren wir jetzt.“ Er nimmt mir die Reisetasche ab und schiebt sie in den Kofferraum. „Steig ein.“

      Der Motor springt sofort an. Mergelt legt den ersten Gang ein, gibt Gas und lässt langsam die Kupplung los.

      Sicher hat er etwas vorbereitet, denke ich. Umsichtig war er schon immer. Es fiel mir vom ersten Tag an auf. Doch besonders

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