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Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke. Hans Christian Andersen
Читать онлайн.Название Hans Christian Andersen - Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783746750194
Автор произведения Hans Christian Andersen
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Am nächsten Morgen, als die Blume wieder glücklich alle ihre weißen Blätter wie kleine Arme gegen Luft und Licht ausstreckte, erkannte sie des Vogels Stimme: aber es klang traurig, was er sang. Ja, die arme Lerche hatte guten Grund dazu; sie war gefangen und saß nun in einem Käfige, dicht bei dem offenen Fenster. Sie besang das freie und glückliche Umherfliegen, sang von dem jungen, grünen Korn auf dem Felde und von der herrlichen Reise, die sie auf ihren Flügeln hoch in die Luft hinauf machen konnte. Die arme Lerche war nicht bei guter Laune; gefangen saß sie da im Käfige.
Die kleine Gänseblume wünschte gar sehr zu helfen. Aber wie sollte sie das anfangen? Ja, es war schwer zu erdenken. Sie vergaß völlig, wie schön Alles ringsumher stand, wie warm die Sonne schien, und wie prächtig weiß ihre Blätter aussahen. Ach, sie konnte nur an den gefangenen Vogel denken, für den etwas zu thun sie durchaus nicht im Stande war.
In derselben Zeit kamen zwei kleine Knaben aus dem Garten; der eine von ihnen trug ein Messer in den Händen, groß und scharf, wie das, welches das Mädchen hatte, um die Tulpen abzuschneiden. Sie gingen auf die kleine Gänseblume zu, die nicht begreifen konnte, was sie wollten.
»Hier können wir ein herrliches Rasenstück für die Lerche ausschneiden!« sagte der eine Knabe und begann dann, um die Gänseblume herum ein Viereck zu schneiden, sodaß sie mitten in dem Rasenstücke stehen blieb.
»Reiß die Blume ab!« sagte der andere Knabe, und das Gänseblümchen zitterte vor Angst, denn abgerissen zu werden, hieß ja das Leben verlieren; und nun wollte es noch gar zu gern leben, da es mit dem Rasenstücke zu der gefangenen Lerche in den Käfig sollte.
»Nein, laß sie stehen!« sagte der andere Knabe; »sie putzt so niedlich!« Und so blieb sie stehen und kam mit in das Bauer der Lerche.
Aber der arme Vogel klagte laut über seine verlorne Freiheit und schlug mit den Flügeln gegen den Eisendraht im Käfige; die kleine Gänseblume konnte nicht sprechen, kein tröstendes Wort sagen, so gern sie auch wollte. So verging der Vormittag.
»Hier ist kein Wasser,« sagte die gefangene Lerche. »Sie sind Alle ausgegangen und haben vergessen, mir etwas zu trinken zu geben. Mein Hals ist trocken und brennend! Es ist Feuer und Eis in mir, und die Luft ist schwer! Ach, ich muß sterben, scheiden vom warmen Sonnenscheine, vom frischen Grün, von all der Herrlichkeit, die Gott geschaffen!« Und dann bohrte sie ihren Schnabel in das kühle Rasenstück, um sich dadurch ein Wenig zu erfrischen! Da fielen ihre Augen auf das Gänseblümchen, und der Vogel nickte ihm zu, küßte es mit dem Schnabel und sagte: »Du mußt hier drinnen auch vertrocknen, Du arme, kleine Blume! Dich und den kleinen Flecken grünen Grases hat man mir für die ganze Welt gegeben, die ich draußen hatte! Jeder kleine Grashalm soll mir ein grüner Baum, jedes Deiner weißen Blätter eine duftende Blume sein! Ach, Ihr erzählt mir nur, wie viel ich verloren habe!«
»Wer ihn doch trösten könnte!« dachte die Gänseblume: über sie konnte kein Blatt bewegen; doch der Duft, der den seinen Blättern entströmte, war weit stärker, als man ihn sonst bei dieser Blume findet; das bemerkte der Vogel auch, und obgleich er vor Durst verschmachtete und in seinem Schmerze die grünen Grashalme abriß, berührte er doch nicht die Blume.
Es wurde Abend, und noch kam Niemand, dem armen Vogel einen Wassertropfen zu bringen; da streckte er seine hübschen Flügel aus und schüttelte sie krampfhaft; sein Gesang war ein wehmüthiges Piep-piep; das kleine Haupt neigte sich der Blume entgegen, und des Vogels Herz brach vor Mangel und Sehnsucht. Da konnte die Blume nicht, wie am vorhergehenden Abende, ihre Blätter zusammenfalten und schlafen; sie hing krank und traurig zur Erde nieder.
Erst am nächsten Morgen kamen die Knaben, und als sie den todten Vogel erblickten, weinten sie, weinten sie viele Thränen und gruben ihm ein niedliches Grab, welches mit Blumenblättern verziert wurde. Des Vogels Leiche kam in eine rothe, schone Schachtel; königlich sollte er bestattet werden, der arme Vogel! Als er lebte und sang, vergaßen sie ihn, ließen ihn im Käfige sitzen und Mangel leiden; nun bekam er Schmuck und viele Thränen.
Aber das Rasenstück mit dem Gänseblümchen wurde in den Staub der Landstraße hinausgeworfen. Keiner dachte an die, welche am Meisten für den kleinen Vogel gefühlt hatte, und die ihn so gern trösten wollte!
Die Gallochen des Glücks.
I. Ein Anfang.
In einem Hause in Kopenhagen, nicht weit vom Königsneumarkt, hatte sich eine sehr große Gesellschaft versammelt, um von den Eingeladenen wieder Einladungen zu erhalten. Die eine Hälfte der Gesellschaft saß schon an den Spieltischen, die andere Hälfte erwartete das Resultat von dem »Was wollen wir denn nun anfangen?« der Wirthin. So weit war man, und die Unterhaltung fing an, einigermaßen in Gang zu kommen. Unter Anderm fiel auch die Rede auf das Mittelalter; Einzelne hielten es für interessanter, als unsere Zeit; ja Justizrath Knap vertheidigte diese Meinung so eifrig, daß die Frau vom Hause sogleich zu seiner Partei übertrat; und Beide eiferten nun gegen Oerstedt's Abhandlung im Almanach über alte und neue Zeiten, worin unserm Zeitalter im Wesentlichen der Vorzug gegeben wird. Der Justizrath betrachtete die Zeit des Dänenkönigs Hans[4] als die edelste und glücklichste.
Während dies der Stoff der Unterhaltung war und dieselbe nur augenblicklich durch die Ankunft einer Zeitung unterbrochen wurde, welche nichts enthielt, was zu lesen der Mühe werth gewesen wäre, wollen wir uns in das Vorzimmer hinaus begeben, wo die Mäntel, Stöcke und Gallochen Platz gefunden hatten. Hier saßen zwei Mädchen, ein junges und ein altes; man konnte glauben, sie seien gekommen, um ihre weibliche Herrschaft nach Hause zu begleiten; betrachtete man sie aber etwas genauer, so begriff man bald, daß sie keine gewöhnliche Dienstboten waren: dazu waren die Formen gar zu edel, die Haut zu sein und der Schnitt der Kleider zu kühn. Es waren zwei Feen. Die Jüngste war zwar nicht das Glück selbst, aber ein Kammermädchen einer seiner Kammerfrauen, welche die geringeren Gaben des Glücks umhertragen. Die Aeltere sah etwas finsterer aus; sie war die Sorge, sie geht immer selbst, in höchsteigener Person ihre Geschäfte zu besorgen; dann weiß sie, daß selbige gut ausgeführt werden.
Sie erzählten einander, wo sie an diesem Tage gewesen waren. Die Abgesandte des Glücks hatte nur einige unbedeutende Handlungen ausgeführt, wie: einen neuen Hut vor Regenguß bewahrt, einem ehrlichen Manne einen Gruß von einer vornehmen Null verschafft u. s. w.; aber was ihr noch übrig blieb, war etwas Ungewöhnliches.
»Ich kann auch erzählen,« sagte sie, »daß heute mein Geburtstag ist, und zur Ehre desselben sind mir ein Paar Gallochen anvertraut, die ich der Menschheit bringen soll. Diese Gallochen haben die Eigenschaft, daß ein Jeder, der sie anzieht, augenblicklich an die Stelle und in die Zeit versetzt wird, wo er am liebsten sein will; ein jeder Wunsch in Bezug auf Zeit, Ort oder Existenz wird sogleich erfüllt, und der Mensch so endlich einmal glücklich hienieden!«
»Glaube mir,« sagte die Sorge: »er wird sehr unglücklich und segnet den Augenblick, wo er die Gallochen wieder los wird!«
»Wo denkst Du hin?« sagte die Andere. »Nun stelle ich sie an die Thüre; Einer vergreift sich und wird der Glückliche!«
Sieh, das war das Zwiegespräch.
II. Wie es dem Justizrathe erging.
Es war spät; Justizrath Knap, in die Zeit des Königs Hans vertieft, wollte heimkehren, und das Schicksal lenkte es so, daß er anstatt seiner Gallochen die des Glücks anzog und nun auf die Oststraße hinaustrat. Aber er war durch die Zauberkraft der Gallochen in die Zeit des Königs Hans zurückversetzt, und deshalb setzte er den Fuß geradezu in Koth und Morast auf die Straße, weil es zu jener Zeit noch kein Straßenpflaster gab.
»Es ist ja schrecklich, wie schmutzig es hier ist!« sagte der Justizrath. »Das gute Trottoir ist fort und alle Laternen sind ausgelöscht!«
Der Mond stand noch nicht hoch genug, und die Luft war überdies ziemlich dick, so daß alle Gegenstände rings umher bei dieser Dunkelheit in einander schwammen. An der nächsten Ecke hing inzwischen eine Laterne vor einem