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der Strahl des Lichts wußte es besser: »Du siehst nicht weit, Du siehst nicht klar! – Welches ist das verachtete Kraut, das Du namentlich beklagst?«

      »Die Hundsblume!« sagte der Apfelzweig. »Niemals wird sie zum Strauß gebunden, sie wird mit Füßen getreten; es sind ihrer zu viele, und wenn sie in Samen schießen, so stiegen sie wie kleingeschnittene Wolle über den Weg und hängen sich an die Kleider der Leute. Unkraut ist's, aber auch das soll ja sein! – Ich bin wirklich sehr dankbar, daß ich keine jener Blumen geworden bin!«

Illustration: Hutschenreuter/Petersen

      Und über das Feld kam eine Schaar Kinder. Das jüngste derselben war noch so klein daß es von den andern getragen wurde. Als es zwischen den gelben Blumen in das Gras gesetzt wurde, lachte es laut vor Freude, zappelte mit den Beinchen, wälzte sich umher, pflückte nur die gelben Blumen, und küßte sie in süßer Unschuld. Die etwas größeren Kinder brachen die Blumen von den hohen Stielen, bogen diese rund in sich selbst zusammen, Glied an Glied, sodaß eine Kette daraus entstand; erst eine für den Hals, dann eine, um sie über die Schultern und um den Leib zu hängen, und dann noch eine um sie auf der Brust und auf dem Kopf zu befestigen; das war eine Pracht von grünen Gliedern und Ketten! Aber die größten Kinder faßten vorsichtig die abgeblühte Blume beim Stengel, der die gefiederte zusammengesetzte Samenkrone trug; diese lose, luftige Wollblume, welche ein rechtes Kunstwerk ist, wie aus den feinsten Federn, Flocken oder Daunen, hielten sie an den Mund, um sie mit einem Male rein abzublasen, und wer das konnte, bekam, wie die Großmutter sagte, neue Kinder, bevor das Jahr zu Ende ging.

      Die verachtete Blume war bei dieser Gelegenheit ein Prophet.

      »Siehst Du!« sagte der Sonnenstrahl. »Siehst Du ihre Schönheit siehst Du ihre Macht?«

      »Ja für Kinder!« antwortete der Apfelzweig.

      Und eine alte Frau kam auf das Feld und grub mit ihrem stumpfen, schaftlosen Messer um die Wurzel des Krautes, und zog diese heraus; von einigen der Wurzeln wollte sie sich Kaffee kochen, für andere wollte sie Geld lösen, indem sie dieselbe dem Apotheker verkaufte.

      »Schönheit ist doch etwas Höheres!« sagte der Apfelzweig. »Nur die Auserwählten kommen in das Reich des Schönen! Es giebt einen Unterschied zwischen den Gewächsen, wie es einen Unterschied zwischen den Menschen giebt!«

Illustration: Hutschenreuter/Petersen

      Der Sonnenstrahl sprach von der unendlichen Liebe Gottes, die sich im Erschaffnen offenbart, und von Allem, was Leben hat und von der gleichen Vertheilung aller Dinge in Zeit und Ewigkeit!

      »Ja, das ist nun Ihre Meinung!« sagte der Apfelzweig

      Es kamen Leute in das Zimmer, und die junge schöne Gräfin erschien, sie, welche den Apfelzweig in die durchsichtige Vase gestellt hatte, wo das Sonnenlicht strahlte; sie brachte eine Blume, oder was es sonst sein mochte, der Gegenstand wurde von drei bis vier großen Blattern verborgen gehalten, welche wie eine Düte um ihn gehalten wurden, damit weder Zug noch Windstoß ihm Schaden thun solle, und er wurde so vorsichtig getragen, wie es mit einem Apfelzweige niemals geschehen war. Vorsichtig wurden nun die großen Blatter entfernt, und man sah die feine gefiederte Samenkrone der gelben verachteten Hundsblume. Die war es, welche sie so vorsichtig gepflückt hatte, so sorgfältig trug, damit nicht einer der seinen Federpfeile, welche ihre Nebelgestalten bilden, und lose sitzen, fortwehen solle. Unversehrt trug sie diese, und bewunderte ihre schöne Form, ihre luftige Klarheit, ihre ganz eigenthümliche Zusammensetzung, ihre Schönheit, die so im Winde verwehen sollte.

      »Sieh doch, wie wunderbar lieblich Gott sie gemacht hat!« sagte sie. »Ich will, sie mit dem Apfelzweige zusammen malen, den finden Alle so unendlich schön, aber auch diese arme Blume hat auf eine andere Weise ebenso viel vom lieben Gott erhalten; so verschieden sie auch sind, sind sie doch beide Kinder im Reiche der Schönheit!«

      Der Sonnenstrahl küßte die ärmliche Blume und den blühenden Apfelzweig, dessen Blätter dabei zu erröthen schienen.

      Es war einmal ein Königssohn; Niemand hatte so viele schöne Bücher, wie er; Alles, was in dieser Welt geschehen, konnte er darin lesen und die Abbildungen in prächtigen Kupferstichen erblicken. Von jedem Volke und jedem Lande konnte er Auskunft erhalten; aber wo der Garten des Paradieses zu finden sei, davon stand kein Wort darin; und der, gerade der war es, woran er am Meisten dachte.

      Seine Großmutter hatte ihm erzählt, als er noch klein war, aber anfangen sollte, in die Schule zu gehen, daß jede Blume im Garten dieses Paradieses der süßeste Kuchen und die Staubfäden die feinsten Weine wären; auf der einen stände Geschichte, auf der andern Geographie oder Tabelle; man brauche nur Kuchen zu essen, so könne man seine Lection; je mehr man speise, um so mehr Geschichte, Geographie und Tabellen lerne man.

      Das glaubte er damals. Aber schon, als er ein größerer Knabe wurde, mehr lernte und klüger ward, begriff er wohl, daß eine ganz andere Herrlichkeit im Garten des Paradieses vorhanden sein müsse.

      »O, weshalb pflückte doch Eva vom Baume der Erkenntniß? Weshalb aß Adam von der verbotenen Frucht? Das sollte ich gewesen sein, so wäre es nicht geschehen! Nie würde die Sünde in die Welt gekommen sein!«

      Das sagte er damals, und das sagte er noch, als er siebzehn Jahre alt war. Der Garten des Paradieses erfüllte alle seine Sinne.

      Eines Tages ging er im Walde allein, denn das war sein größtes Vergnügen.

      Der Abend brach an, die Wolken zogen sich zusammen; es fiel ein Regen, als ob der ganze Himmel eine einzige Schleuse sei, aus der Wasser stürze; es war so dunkel, wie es sonst des Nachts nur im tiefsten Brunnen ist. Bald glitt er in dem nassen Grase aus, bald fiel er über die glatten Steine, welche aus dem nassen Felsengrunde hervorragten. Alles triefte von Wasser; es war nicht ein trockner Faden an dem armen Prinzen. Er mußte über große Steinblöcke klettern, wo das Wasser aus dem hohen Moose quoll. Er war nahe daran, ohnmächtig zu werden. Da hörte er ein sonderbares Sausen, und vor sich sah er eine große, erleuchtete Höhle. Mitten in derselben brannte ein solches Feuer, daß man einen Hirsch daran braten konnte. Und das geschah auch. Der prächtigste Hirsch mit seinem hohen Geweihe war auf einen Spieß gesteckt und wurde langsam zwischen zwei abgehauenen Fichtenstämmen herumgedreht. Eine ältliche Frau, groß und stark, als wäre sie eine verkleidete Mannsperson, saß am Feuer und warf ein Stück Holz nach dem andern hinein.

      »Komm nur näher!« sagte sie; »setze Dich an das Feuer, damit Deine Kleider trocken werden.«

      »Hier zieht es sehr!« sagte der Prinz und setzte sich auf den Fußboden nieder.

      »Das wird noch ärger werden, wenn meine Söhne nach Hause kommen!« erwiderte die Frau. »Du bist hier in der Höhle der Winde: meine Söhne sind die vier Winde der Welt; kannst Du das verstehen?«

      »Wo sind Deine Söhne?« fragte der Prinz.

      »Ja, es ist schwer zu antworten, wenn man dumm gefragt wird,« sagte die Frau. »Meine Sühne treiben es auf eigene Hand; sie spielen Federball mit den Wolken dort oben im Königssaale!« Und dabei zeigte sie in die Höhe.

      »Ach so!« sagte der Prinz. »Ihr sprecht übrigens ziemlich barsch und seid nicht so mild, wie die Frauenzimmer, die ich sonst um mich habe!«

      »Ja, die haben wohl nichts Anderes zu thun! Ich muß hart sein, wenn ich meine Knaben in Respekt erhalten will; aber das kann ich, obgleich sie Trotzköpfe sind. Siehst Du die vier Säcke hier an der Wand hängen? Vor denen fürchten sie sich eben so, wie Du früher vor der Ruthe hinterm Spiegel. Ich kann die Knaben zusammenbiegen, sag' ich Dir, und dann stecke ich sie in den Sack; da machen wir keine Umstände! Da sitzen sie und dürfen nicht eher wieder umherstreifen, bis ich es für gut erachte. Aber da haben wir den Einen!«

      Es war der Nordwind, der mit einer eisigen Kälte hereintrat; große Hagelkörner hüpften auf dem Fußboden hin, und Schneeflocken stöberten umher. Er war in Bärenfellbeinkleidern und Jacke; eine Mütze von Seehundsfell ging

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