Скачать книгу

gute Alte lag auf dem Fußboden und weinte; er war wirklich in das Herz geschossen. »Pfui!« rief er, »was für ein unartiger Knabe ist dieser Amor! Das werde ich allen guten Kindern erzählen, damit sie sich in Acht nehmen können und nie mit ihm spielen, denn er thut ihnen was zu Leide!«

      Alle guten Kinder, Mädchen und Knaben, denen er dieses erzählte, nahmen sich auch vor dem bösen Amor in Acht; aber der führte sie doch an, denn er ist sehr durchtrieben! Wenn die Studenten aus den Vorlesungen kommen, so läuft er ihnen mit einem Buche unter dem Arme zur Seite und hat einen schwarzen Rock an. Sie können ihn nicht erkennen. Und dann fassen sie ihn unter den Arm und glauben, daß er auch ein Student sei; aber da sticht er ihnen den Pfeil in die Brust. Wenn die Mädchen vom Prediger kommen und eingesegnet werden, so ist er auch unter ihnen. Ja, er ist immer hinter den Leuten her! Er sitzt im großen Kronleuchter im Theater und brennt lichterloh, so daß die Leute glauben, es sei eine Lampe; aber später sehen sie den Irrthum ein. Er läuft im Schloßgarten und auf den Promenaden umher! Ja, er hat auch einmal Deinen Vater und Deine Mutter in das Herz geschossen! Frage sie nur darnach, so wirst Du hören, was sie sagen. Ach, es ist ein böser Knabe, dieser Amor; mit ihm mußt Du nie etwas zu schaffen haben! Er ist hinter Jedermann her. Denk' einmal, er schoß sogar einen Pfeil auf die alte Großmutter ab; aber das ist lange her. Die Wunde ist zwar lange geheilt, doch vergißt sich dies nie. Pfui, der böse Amor! Aber nun kennst Du ihn und weißt, was für ein unartiger Knabe er ist.

Illustration: Hutschenreuter/Petersen

      In China, weißt Du wohl, ist der Kaiser ein Chinese, und Alle, die er um sich hat, sind auch Chinesen. Es ist nun viele Jahre her, aber eben deshalb ist es der Mühe werth, die Geschichte zu hören, ehe sie vergessen wird! Des Kaisers Schloß war das prächtigste in der Welt, ganz und gar von feinem Porzellan, sehr kostbar, aber so spröde, so mißlich, daran zu rühren, daß man sich sehr in Acht nehmen mußte. Im Garten sah man die wunderbarsten Blumen und an die prächtigsten waren Silberglocken gebunden, welche klangen, damit man nicht vorbeigehen möchte, ohne die Blumen zu bemerken. Ja, Alles war in des Kaisers Garten fein ausspeculirt. Und er erstreckte sich so weit, daß der Gärtner selbst das Ende desselben nicht kannte. Ging man immer weiter, so kam man in den herrlichsten Wald mit hohen Bäumen und tiefen Seen. Der Wald ging gerade hinunter bis zum Meere, welches blau und tief war; große Schiffe konnten bis unter die Zweige der Bäume hinsegeln, und in diesen wohnte eine Nachtigall, die so herrlich sang, daß selbst der arme Fischer, der doch viel Anderes zu thun hatte, still hielt und horchte, wenn er des Nachts ausgefahren war, um das Fischnetz auszuwerfen, und dann die Nachtigall hörte. »Ach Gott, wie ist das schön!« sagte er; aber er mußte auf seine Sachen Acht geben und vergaß dabei den Vogel. Doch wenn dieser in der nächsten Nacht wieder sang und der Fischer dorthin kam, sagte er dasselbe: »Ach Gott, wie ist das schön!«

      Aus allen Ländern der Welt kamen Reisende nach der Stadt des Kaisers und bewunderten diese, das Schloß und den Garten. Doch wenn sie die Nachtigall zu hören bekamen, sagten sie Alle: »Das ist doch das Beste!«

      Die Reisenden erzählten davon, wenn sie nach Hause kamen; und die Gelehrten schrieben viele Bücher über die Stadt, das Schloß und den Garten. Aber auch die Nachtigall vergaßen sie nicht: die wurde am Höchsten gestellt; und Die, welche dichten konnten, schrieben die herrlichsten Gedichte über die Nachtigall im Walde bei dem tiefen See.

      Die Bücher durchliefen die Welt und einige davon kamen auch einmal zum Kaiser. Er saß in seinem goldenen Stuhle und las und las; jeden Augenblick nickte er mit dem Kopfe, denn es freute ihn, die prächtigen Beschreibungen der Stadt, des Schlosses und des Gartens zu vernehmen, »Aber die Nachtigall ist doch das Allerbeste!« stand da geschrieben.

      »Was ist das?« sagte der Kaiser. »Die Nachtigall kenne ich ja gar nicht! Ist ein solcher Vogel in meinem Kaiserreiche und sogar in meinem Garten? Das habe ich nie gehört! So etwas erst aus Büchern zu erfahren!«

      Und hierauf rief er seinen Cavalier. Der war so vornehm, daß, wenn Jemand, der geringer als er war, mit ihm zu sprechen oder ihn nach Etwas zu fragen wagte, er weiter nichts erwiderte, als: »P!« und das hat nichts zu bedeuten.

      »Hier soll ja ein höchst merkwürdiger Vogel sein, welcher Nachtigall genannt wird!« sagte der Kaiser. »Man sagt, dies sei das Allerbeste in meinem großen Reiche. Weshalb hat man mir nie etwas davon gesagt?«

      »Ich habe ihn früher nie nennen hören!« sagte der Cavalier. »Er ist nie bei Hofe vorgestellt worden!«

      »Ich will, daß er heute Abend herkommen und vor mir singen soll!« sagte der Kaiser. »Die ganze Welt weiß, was ich habe, und ich weiß es nicht!«

      »Ich habe ihn früher nie nennen hören!« sagte der Cavalier. »Ich werde ihn suchen, ich werde ihn finden!« –

      Aber wo war Der zu finden? Der Cavalier lief alle Treppen auf und nieder, durch Säle und Gänge, aber Keiner von allen Denen, auf die er traf, hatte von der Nachtigall sprechen hören. Und der Cavalier lief wieder zum Kaiser und sagte, daß es sicher eine Fabel von Denen sein müßte, die da Bücher schrieben. »Dero Kaiserliche Majestät können gar nicht glauben, was Alles geschrieben wird! Das sind Erdichtungen und Etwas, was man die schwarze Kunst nennt.«

      »Aber das Buch, in dem ich dieses gelesen habe,« sagte der Kaiser, »ist mir von dem großmächtigsten Kaiser von Japan gesandt, und es kann also keine Unwahrheit sein, Ich will die Nachtigall hören! Sie muß heute Abend hier sein! Sie hat meine höchste Gnade! Und kommt sie nicht, so soll dem ganzen Hofe auf den Leib getrampelt werden, wenn er Abendbrot gegessen hat!«

      »Tsing pe!« sagte der Cavalier und lief wieder alle Treppen auf und nieder, durch alle Säle und Gänge; und der halbe Hof lief mit, denn sie wollten nicht gern auf den Leib getrampelt sein. Da gab es ein Fragen nach der merkwürdigen Nachtigall, welche die ganze Welt kannte, nur Niemand bei Hofe.

      Endlich trafen sie ein kleines, armes Mädchen in der Küche. Die sagte: »O Gott, die Nachtigall kenne ich gut; ja, wie kann sie singen! Jeden Abend habe ich Erlaubniß, meiner armen, kranken Mutter Ueberbleibsel vom Tische nach Hause zu tragen; sie wohnt unten am Strande; und wenn ich zurückgehe, müde bin und im Walde ausruhe, dann höre ich die Nachtigall singen! Es kommen mir dabei die Thränen in die Augen, und es ist, als ob meine Mutter mich küßte!«

      »Kleine Köchin!« sagte der Cavalier, »ich werde Dir eine Anstellung in der Küche und die Erlaubniß verschaffen, den Kaiser speisen zu sehen, wenn Du uns zur Nachtigall führen kannst, denn sie ist zu heute Abend angesagt.«

      Und so zogen sie Alle hinaus in den Wald, wo die Nachtigall zu singen pflegte; der halbe Hof war mit. Als sie im besten Zuge waren, fing eine Kuh zu brüllen an.

      »O!« sagten die Hofjunker, »nun haben wir sie! Das ist doch eine merkwürdige Kraft in einem so, kleinen Thiere! Die habe ich sicher schon früher gehört!«

      »Nein, das sind Kühe, welche brüllen!« sagte die kleine Köchin. »Wir sind noch weit von dem Orte entfernt!«

      Nun quakten die Frösche im Sumpfe.

      »Herrlich!« sagte der chinesische Hofprediger. »Nun höre ich sie; es klingt gerade wie kleine Kirchenglocken.«

      »Nein, das sind Frösche!« sagte die kleine Köchin. »Aber nun denke ich, werden wir sie bald hören!«

      Da begann die Nachtigall zu schlagen.

      »Das ist sie!« sagte das kleine Mädchen. »Hört! Hört! Da sitzt sie!« Und sie zeigte nach einem kleinen, grauen Vogel oben in den Zweigen. »Ist es möglich!« sagte der Cavalier. »So halte ich sie mir nimmer gedacht! Wie sie einfach aussieht! Sie hat sicher ihre Farbe darüber verloren, daß sie so viele vornehme Menschen um sich erblickt!«

      »Kleine Nachtigall!« rief die kleine Köchin laut; »unser gnädigster Kaiser wünscht, daß Sie vor ihm singen!«

      »Mit dem größten Vergnügen!« sagte die Nachtigall und sang dann, daß es eine Lust war.

      »Es klingt gerade wie Glasglocken!« sagte der Cavalier.

Скачать книгу