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muß, wenn man die Gallochen des Glücks an den Füßen hat. Höre nur, wie es dem Wächter erging.

      Was uns betrifft, so kennen wir fast Alle die Schnelligkeit der Dampfbeförderung; wir haben sie entweder auf Eisenbahnen oder mit Schiffen über das Meer hin erprobt. Doch dieser ist wie die Wanderung des Faulthiers oder der Marsch der Schnecke im Verhältnis; zu der Schnelligkeit, die das Licht hat. Das fliegt neunzehn Millionen Mal schneller. Der Tod ist ein elektrischer Stoß, den wir in das Herz erhalten; auf den Flügeln der Elektrizität fliegt die befreite Seele. Acht Minuten und wenige Secunden gebraucht das Sonnenlicht zu einer Reise von mehr als zwanzig Millionen Meilen; mit der Schnellpost der Elektrizität bedarf die Seele nur weniger Minuten, um denselben Flug zu vollbringen. Der Raum zwischen den Weltkörpern ist für sie nicht größer, als es für uns in einer und derselben Stadt die Entfernungen zwischen den Häusern unserer Freunde sind, selbst wenn diese ziemlich nahe bei einander liegen. Inzwischen kostet dieser elektrische Herzensstoß uns den Gebrauch des Körpers hienieden, im Falle daß wir nicht zufällig, wie der Wächter, die Gallochen des Glücks anhaben.

      In wenigen Secunden hatte der Wächter die 52,000 Meilen bis zum Monde zurückgelegt, welcher, wie man weiß, von einem weit leichteren Stoffe als unsere Erde, geschaffen und weich wie frisch gefallener Schnee ist, wie wir sagen würden. Er befand sich auf einem der unzähligen Ringgebirge, die wir aus Dr. Mädler's großer Karte des Mondes kennen. Innerhalb ging es in einem Kessel ungefähr eine halbe Meile senkrecht hinab. Dort unten lag eine Stadt, von deren Ansehen wir nur einen Begriff bekommen können, wenn wir Eiweiß in ein Glas Wasser ausschlagen; die Materie hier war eben so weich und bildete ähnliche Thürme mit Kuppeln und segelförmigen Altanen, durchsichtig und in dünner Luft schwimmend. Unsere Erde schwebte, wie eine große, dunkelrothe Kugel über seinem Kopfe.

      Er sah gleich eine Menge Geschöpfe, die sicherlich das waren, was wir »Menschen« nennen; aber sie sahen anders aus, als wir. Eine reichere Phantasie, als die Pseudo-Herschel's hatte sie geschaffen. Würden sie in Reihe und Glied aufgestellt und so abgemalt, so würde man sagen: Das ist eine schöne Arabeske! Sie hatten auch eine Sprache, aber es kann ja Niemand verlangen, daß die Seele des Wächters sie verstehen sollte. Dessenungeachtet konnte sie es, denn unsere Seele hat größere Fähigkeiten, wie wir glauben. Zeigt sich uns nicht in unsern Träumen ihr erstaunliches, dramatisches Talent? Ein jeder Bekannter tritt da sprechend auf, so völlig im Charakter und mit demselben Organe, in einem Grade, daß Niemand von uns wachend es nachahmen kann. Wie weiß sie nicht uns Personen zurückzurufen, an die wir in vielen Jahren nicht gedacht haben; plötzlich treten sie in unserer Seele so lebendig bis auf die feinsten Züge hervor. Im Grunde sieht es mit unserm Seelen-Gedächtniß ängstlich aus; jede Sünde, jeden bösen Gedanken wird sie ja wiederholen können; dann wird es darauf ankommen ob wir Rechenschaft von jedem ungebührlichen Worte im Herzen und auf der Lippe werden geben können.

      Die Seele des Wächters verstand demgemäß die Sprache der Mondbewohner sehr gut. Sie disputirten über unsere Erde und bezweifelten, daß sie bewohnt sein könne; die Luft müßte dort zu dick sein, als daß ein vernünftiges Mondgeschöpf darin leben könnte. Sie hielten den Mond allein für bewohnt; er sei der eigentliche Weltkörper, wo die alten Weltbewohner lebten.

      Sie sprachen auch von Politik, doch wir begeben uns nach der Oststraße hinab, und sehen da, wie es dem Körper des Wächters ergeht.

      Leblos saß er auf der Treppe; der Morgenstern war ihm aus der Hand gefallen, und die Augen blickten zum Monde empor, auf dem die ehrliche Seele umherwandelte.

      »Was ist die Uhr, Wächter?« fragte ein Vorübergehender. Wer aber nicht antwortete, das war der Wächter. Da knipste der Mann ihn sacht an die Nase, und nun verlor er das Gleichgewicht. Da lag der Körper so lang er war: Der Mensch war todt. Alle seine Kameraden erschraken sehr; todt war und blieb er; es wurde gemeldet und es wurde besprochen, und in der Morgenstunde trug man den Körper nach dem Hospitale hinaus.

      Das konnte nun einen ganz hübschen Spaß für die Seele abgeben, im Falle sie zurückkäme und, aller Wahrscheinlichkeit nach, den Körper auf der Oststraße suchen, aber nicht finden würde. Wahrscheinlich würde sie dann erst auf die Polizei, später nach dem Adreß-Comptoir laufen, damit von dort aus Nachfrage unter den weggekommenen Sachen darüber angestellt werden könnte, und dann erst nach dem Hospitale hinauswandern. Doch wir können uns damit trösten, daß die Seele am klügsten ist, wenn sie auf ihre eigene Hand handelt, nur der Körper macht sie dumm.

      Wie gesagt, des Wächters Körper kam nach dem Hospitale, wurde dort in die Reinigungsstube gebracht, und das Erste, was man hier that, war natürlicherweise, daß man ihm die Gallochen abzog, da mußte die Seele zurück. Sie nahm sogleich die Richtung nach dem Körper zu, und wenige Secunden darauf war wieder Leben im Manne. Er versicherte, daß es die schrecklichste Nacht seines Lebens gewesen wäre; nicht für acht Groschen wolle er solche Empfindungen wieder haben; aber nun war es ja überstanden.

      An demselben Tage wurde er wieder entlassen, aber die Gallochen blieben in dem Hospitale.

      Ein jeder Kopenhagener weiß, wie der Eingang zum Friedrichshospitale in Kopenhagen aussieht, aber da wahrscheinlich auch einige Nicht-Kopenhagener diese Geschichte lesen werden, müssen wir eine kurze Beschreibung davon geben.

      Das Hospital ist von der Straße durch ein ziemlich hohes Gitter geschieden, in welchem die dicken Eisenstäbe so weit von einander abstehen, daß, wie man erzählt, sich sehr dünne famuli hindurchgeklemmt und so ihre kleinen Besuche außerhalb abgestattet haben sollen. Der Theil des Körpers, der am schwierigsten hinauszubringen, war der Kopf; hier, wie oft in der Welt, waren also die kleinen Köpfe die glücklichsten. Dieses wird als Einleitung genug sein.

      Einer der jungen Volontairs, von dem man nur in körperlicher Hinsicht sagen konnte, daß er einen großen Kopf habe, hatte gerade die Wache an diesem Abende; der Regen strömte herab; doch ungeachtet dieser beiden Hindernisse mußte er hinaus. Nur eine Viertelstunde – das, meinte er, sei ja dem Pförtner anzuvertrauen nicht nöthig, zumal wenn man zwischen den Eisenstangen durchschlüpfen könne. Da lagen die Gallochen, die der Wächter vergessen hatte; es fiel ihm nicht im Mindesten ein, daß es die des Glücks seien; sie konnten in diesem Wetter recht gute Dienste leisten; er zog sie an. Nun kam es darauf an, ob er sich würde durchklemmen können; er hatte es bisher nie versucht. Da stand er nun.

      »Wollte Gott, ich hätte den Kopf draußen!« sagte er, und sofort, obgleich derselbe sehr dick und groß war, glitt er leicht und glücklich hindurch. Das mußten die Gallochen verstehen, aber nun sollte der Körper mit hinaus; das ging nicht.

      »Ich bin zu dick!« sagte er. »Der Kopf, dachte ich, sei das Schlimmste! Ich komme nicht hindurch.«

      Nun wollte er rasch den Kopf zurückziehen, aber das ging auch nicht. Den Hals konnte er bequem bewegen, aber das war auch Alles. Das erste Gefühl war, daß er ärgerlich wurde, das zweite, daß seine Laune unter Null sank. Die Gallochen des Glücks hatten ihn in diese schreckliche Lage gebracht, und unglücklicherweise fiel es ihm nicht ein, sich frei zu wünschen. Nein, statt zu wünschen, handelte er nur und kam nicht von der Stelle. Der Regen strömte herab; nicht Ein Mensch war auf der Straße zu erblicken; die Pfortenklingel konnte er nicht erreichen: wie sollte er nur loskommen? Er sah voraus, daß er hier bis zur Morgenstunde stehen könne; dann mußte man nach einem Schlosser schicken, damit er die Eisenstäbe durchfeile. Aber das geht nicht so geschwind; die ganze Armenschule gegenüber würde auf die Beine kommen, das angrenzende Matrosenviertel anlangen, um ihn am Pranger zu sehen; das würde einen Zulauf geben! »Hui! das Blut steigt mir zu Kopfe, sodaß ich wahnsinnig werden muß! – Ja, ich werde verrückt! O, wäre ich doch wieder los, dann ginge es wohl vorüber!«

      Das hätte er etwas eher sagen sollen. Augenblicklich, sowie der Gedanke ausgesprochen war, hatte er den Kopf frei und nun stürzte er hinein, ganz verwirrt über den Schreck, den ihm die Gallochen des Glücks eingejagt hatten.

      Hiermit dürfen wir nicht glauben, daß das Ganze vorbei war; nein, es wird noch ärger.

      Die Nacht verstrich und der folgende Tag mit; es wurde nicht nach den Gallochen geschickt.

      Am Abend sollte

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