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      „Natürlich dürfen wir nicht vergessen, was Deutsche anderen Völkern an Leid angetan haben. Das ist eine historische Verpflichtung und wir dürfen diese Ereignisse auch nie in den Abstellraum der Geschichte stellen!“

      Heftiger Applaus von den Linken.

      „Aber warum soll ich, der viele Jahre nach dem Krieg geboren wurde, diese Gewissenlast immer noch mit mir herumtragen müssen? Ich gehöre zu einer Generation, die ohne Krieg groß geworden ist und ich werde alles tun, dass es nie wieder dazu kommt. Was habe ich persönlich durch die Wiedervereinigung gewonnen? Viel, sehr viel, ja nahezu alles. Pfarrer Kauk würde jetzt wieder geschwollen von Freiheit und Demokratie reden und ein paar Tränen zerdrücken, was eigentlich keiner mehr hören und ansehen will. Ich komme aus einfachen Verhältnissen…..“

      „Das stimmt doch gar nicht“ kam es jetzt lautstark von der Zuschauertribüne „ich war Gymnasiallehrerin für Mathematik und Physik!“

      „Ist ja gut, Mutter“ rief Bergmann zurück „aber Vater war doch eigentlich ein recht erfolgloser Musiker.“

      „Da hast du allerdings Recht.“

      „Na bitte. Also, sehr geehrte Damen und Herren, ich bin dankbar, dass die Menschen aus Köln, aus München, aus Wanne Eickel, aus Oberneger im Kreis Olpe, aus Halbhusten im Kreis Drolshagen, aus Brasilien im Kreis Schleswig Holstein und von sonst woher den Osten mit auf die Beine gebracht haben, und ich nicht mehr ewig rumrennen muss, um einen Kasten Radeberger Bier zu bekommen. Es sind eben so die kleinen Sachen wie Küchenkrepp oder Mülltüten, die einem das Leben jetzt erleichtern. Hier spüre ich den Atem der Freiheit und Demokratie. Aber genug davon. Ich werde die Bundeswehr grundlegend modernisieren und alle laufenden Projekte auf den Prüfstand stellen. Ja, mit Frieder Bergmann wird es keine flugunfähigen Drohnen geben, es wird nämlich gar keine mehr geben!“

      Donnernder Applaus von den Linken.

      „Selbstverständlich habe ich mich auf mein neues Amt schon vorbereitet. Als ich damals bei der Armee war habe ich immer den enormen Treibstoffverbrauch der Panzer und der anderen Kampftechnik staunend zur Kenntnis genommen. Das werde ich ändern. Ich werde eine Hochtechnologie-Initiative für die Bundeswehr ins Leben rufen. Wie soll die aussehnen? Ich werde sämtliche Kampftechnik auf umweltfreundlichen Erdgas- oder Elektroantrieb umstellen lassen.“

      Starker Applaus von den Grünen.

      „Natürlich werde ich auch weiterhin dafür sorgen, dass die Rüstungsindustrie in diesen Prozess federführend mit einbezogen wird. Ich werde dafür einstehen, dass Deutschland wie bereits auf dem Gebiet der alternativen Energieversorgung weltweit führend bei der Einführung grüner Technologien in das Militärwesen und deren Export werden wird.“

      Starker Applaus von CDU, CSU und den Grünen.

      „Wen werde ich besonders im Blick haben? Unsere Soldatinnen und Soldaten. Sie sind der alles entscheidende Faktor, denn wer, wenn nicht sie, würden sonst die furchterregenden Geschosse der Panzerhaubitzen abfeuern können, wer, wenn nicht sie, würden Bombenteppiche auf den Gegner regnen lassen, wer, wenn nicht sie, würden Schiffe mit Torpedos oder Raketen wie Sardinenbüchsen aufreißen können. Sie sind unser wichtigstes Kapital und ich werde insbesondere unsere Soldatinnen im gebärfähigen Alter dazu ermuntern, die Waffe mit der Windel zu tauschen, denn die Nachwuchsgewinnung für die Truppe läuft doch sehr schleppend. Lassen Sie mich meine Vision wie folgt zusammenfassen: Ich werde die Bundeswehr so modernisieren, dass sie ein grünes Label bekommen wird. Gleichzeitig werde ich die Rüstungsindustrie auf ganz neue Entwicklungen lenken, und schließlich werde ich einen unerhörten Babyboom in der Truppe auslösen.“

      Heiterkeit im Saal.

      „Nein, natürlich nicht ich selbst persönlich“ entgegnete Frieder Bergmann lachend.

      Starke Heiterkeit bei allen Fraktionen.

      „Wissen Sie, als meine Frau und ich damals in den Flitterwochen waren, sind wir kaum aus den Betten rausgekommen, wenn Sie verstehen, was ich damit sagen will. Aber das ist ja schon ein paar Jährchen her. Also überlasse ich die Sache heutzutage lieber anderen.“

      Erneute Heiterkeit und ein empörter Zwischenruf von Petra Bergmann.

      „Frieder, was soll das?“

      „Meine Frau“ erklärte Bergmann und deutete auf die Zuschauertribüne „ihr verdanke ich alles. Sie ist die Liebe meines Lebens, mein Ankerplatz bei Sturm, meine Inspirationsquelle bei schwierigen Problemen, meine Kraftgeberin, meine treue Kameradin, kurzum: ohne sie würde ich heute nicht hier stehen. Petra, ich danke dir!“

      Die Parlamentarier erhoben sich geschlossen und wandten sich heftig applaudierend der Zuschauertribüne zu. Petra Bergmann erhob sich verlegen und hob beschwichtigend ihre Hände. Frieder Bergmann verließ das Rednerpult und musste auf dem Weg zurück zu seinem Platz eine Vielzahl von Händen schütteln.

      Die BilderZeitung titelte tags darauf wie folgt:

      „Herrn Putkinow hat jetzt Muffensausen!

      Minister Professor Doktor Frieder Bergmann hat in seiner begeistert aufgenommen Antrittsrede Russland die Hand entgegengestreckt. Für den Fall einer weiteren Eskalation der Lage hat er aber gleichzeitig eine revolutionäre Umstellung der Kampftechnik angekündigt. Selbstverständlich hat der Minister nicht alle Karten auf den Tisch gelegt aber wir sind uns sicher, dass Herr Bergmann noch einige Asse im Ärmel hat, die auch Herr Putkinow nicht unterschätzen sollte. Unser Blatt begleitet Minister Bergmann schon seit einigen Jahren auf seinem Weg und wir freuen uns über seinen unaufhaltsamen Aufstieg. Mit Herrn Bergmann gibt es jetzt endlich einen Ressortchef, der den verkrusteten Laden gründlich umkrempeln wird. Und dass Herr Bergmann gestern so offene und anrührende Worte für seine Frau gefunden hat, bestätigt seine menschlichen Qualitäten erneut auf das Eindrucksvollste. Viel Glück, Herr Minister Professor Doktor Frieder Bergmann!“

      „Weißt du was Anke“ sagte Frieder Bergmann zur Bundeskanzlerin „manchmal möchte ich die Brocken einfach hinschmeißen. Ich stoße allerorten auf Hindernisse. Altgediente Leute, die sich nicht mehr ändern wollen, Schlendrian bei der Beschaffung, sexuelle Übergriffe, miese Laune. Ich habe den Kanal öfter mal richtig voll.“

      Bergmann trank von seinem Bier.

      Anke Meckel nippte an ihrem Wein.

      „Aber Frieder, Politik bedeutet auch immer, dicke Bretter bohren zu müssen, und das braucht nun mal seine Zeit. Schau‘ dir doch an, was du in der kurzen Zeit schon alles erreicht hast. Du stehst in der Beliebtheitsskala direkt hinter mir. Die Truppe hat dich fast vollständig akzeptiert, bis auf die paar Unbeweglichen. Deine Auftritte bei den Soldaten sind Kult geworden, bei YouTube stehen Videos mit dir ganz vorn. Du hast eigentlich einen Riecher, wie man mit den Leuten reden muss. Unvergessen und schon legendär ist dein Besuch beim Jagdgeschwader 36. Ich habe mir fast in die Hose gemacht, als ich das Filmchen gesehen habe.“

      „Anke, bitte. Erinnere mich bitte nicht daran.“

      Frieder Bergmann wollte seinen Ruf als Macher durch Besuche bei der Truppe festigen. Was dieser Putkinow so politisch trieb lehnte Bergmann ab, dessen Fähigkeit zur Selbstdarstellung beeindruckte ihn jedoch enorm. Mal zeigte sich der Mann mit freiem Oberkörper auf einem Pferd reitend, dann posierte er mit einer Jagdwaffe und dann sah man ihn an Bord eines Kriegsschiffes. Am gelungensten fand Bergmann allerdings die Aktion mit dem Jagdflugzeug. Putkinow war angeblich mitgeflogen, aber die Bilder zeigten ihn nur im am Boden stehenden Flugzeug in der Kabine sitzend. Zweifellos war die Geschichte mit dem Mitflug nur ein Fake. Frieder Bergmann schloss aus, sich mit freiem Oberkörper zeigen zu können, sein kleiner bleicher Bierbauch würde jedes Motiv lächerlich wirken lassen. An Bord der modernen, aber immer wieder von Systemausfällen geplagten deutschen Korvetten, wollte er auch nicht gehen, möglicher hoher Seegang könnte die Sache böse für ihn ausgehen lassen. Frieder Bergmann hatte mit seinem Büroleiter Herbert Büchsenschuss gesprochen. Er würde in einem Jagdflugzeug mitfliegen.

      „Das

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