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      Er hatte die anderthalb Jahre Wehrdienst als Mot-Schütze wie die anderen jungen Männer auch ziemlich lustlos abgerissen, ab und an einmal Krieg spielen müssen, und bei Vorhandensein des entsprechenden Vorrates an Schnaps mächtig gesoffen. Im Studium war er dann bedrängt worden sich bereit zu erklären, sich innerhalb von drei Wochen zum Reserveoffiziersanwärter ausbilden zu lassen. Bergmann hatte anfangs Widerstand geleistet, aber dann, da seine Kommilitonen der Sache zugestimmt hatten, ebenfalls ja gesagt. Tatsächlich wurde er dann zum Leutnant der Reserve ernannt. Die Uniform hing immer noch in einem Kleiderschrank bei ihm zu Hause.

      „Ähm“ hatte er Nils geantwortet „war ne ganz normale und langweilige Sache, so mit Platzpatronen rumballern, Gewaltmärchen, Sturmbahn, viel Langeweile und saufen.“

      „Und welchen Dienstgrad hast du?“

      „Ähm, ähm, Leutnant der Reserve.“

      „Das ist ja witzig“ hatte Peter Petersen losgebrüllt „ein Leutnant der Reserve der Nationalen Volksarmee der DDR wird bundesdeutscher Verteidigungsminister! Ich fasse es nicht! Frieder lässt als Hilfsleutnant der DDR Generäle der Bundeswehr strammstehen! Eine Mordsgaudi!“

      „Da gibt es gar nichts zu lachen Peter“ hatte ihn seine Frau angefahren „die Sache ist ausgesprochen brisant. Was meinst du, Nils?“

      „Das glaube ich nicht. Frieder ist auf seinem Weg nach oben so oft durchgescheckt worden, dass es längst aufgefallen wäre. Und ich glaube nicht, dass das heute noch eine Rolle spielen würde. Wir können also davon ausgehen, dass die Sache relativ unbedenklich ist.“

      „Warum nur relativ?“

      „Nun ja, Frieder hat ja die Angewohnheit, ähm, ich möchte nicht respektlos erscheinen….“

      „Rede“ hatte ihn Claudia aufgefordert.

      „Nun, ähm, Frieder trinkt doch gerne mal ein Bierchen und da ist es nicht ausgeschlossen, dass er sich eventuell verplaudert. Es ist ja bekannt, dass im Bundestag etliche Schluckspechte sitzen, irgendjemand hat mal von der größten Versammlung anonymer Alkoholiker gesprochen. Diese Typen werden dann in irgendwelchen Kneipenhinterzimmern bestimmte Dinge auskungeln wollen. Da wird mächtig gesoffen werden und die Gefahr besteht, dass Frieder dann von der Sache erzählt.“

      „Aber wir können ihm doch keinen Aufpasser mitgeben“ hatte Hannelore Petersen gemeint „er kann doch nicht seinen Büroleiter Herbert Büchsenschuss wie einen Babysitter mitnehmen, der immer auf ihn aufpasst. Am besten, er stellt ab sofort rigoros den Alkoholkonsum komplett ein und gibt die verdammte Raucherei gleich noch mit auf.“

      „Wie bitte“ hatte sich Bergmann augenblicklich erregt „ich soll auf mein Feierabendbierchen verzichten? Das kommt überhaupt nicht in Frage! Und das Rauchen soll ich auch gleich noch sein lassen? Nicht mit mir! Vergesst es! Lieber lasse ich diesen Posten sausen. Das muss man sich mal vorstellen: ich habe den ganzen Tag Stress ohne Ende, und dann sollen mir noch das Entspannungsbier und die Zigaretten gestrichen werden! Das mache ich nicht mit!“

      „Beruhige dich doch“ hatte Petra ihrem Mann gesagt „du sollst doch nicht generell auf deine Bierchen verzichten müssen. Deine Mutter hat das so gemeint, dass du in dienstlichen Runden aufpasst. Am besten, du trinkst dann nur Wasser.“

      „So“ war Bergmanns giftige Antwort gewesen „und wie begründe ich denn diesen Verzicht auf ein entspannendes Schlückchen? Soll ich mich etwa als trockener Alkoholiker ausgeben? Oder erzählen, dass in meinem Elternhaus von früh bis abends gesoffen wurde und ich nicht so enden will? Hä, soll ich das dann zum Besten geben?“

      „Ich bin schockiert Frieder“ hatte seine Mutter laut und erregt erwidert „du willst mich allen Ernstes mit in diese Sache reinziehen? Das kommt überhaupt nicht in Frage! Ich verbiete dir, mich im Zusammenhang mit irgendwelchen alkoholischen Eskapaden zu erwähnen, ist das klar?“

      „Glasklar“ war Bergmanns lautstarke Antwort gewesen „ich werde hundertprozentig nicht darauf verzichten, mit bestimmten Leuten, die wichtig sein könnten, ein Gläschen zu kippen. Ich bin schließlich alt genug um das selbst einschätzen zu können, und ab morgen außerdem noch Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland! Ich werde überall dorthin kommen, wo unsere Soldaten im Ausland stationiert sind. Und dann soll ich in einer lockeren Runde mit den Jungs am Mineralwasser nippen? Was sollen die Typen mit den furchterregenden Knarren dann von mir denken? Wenn sich die Verteidigungsminister in Brüssel oder sonst wo treffen bin ich der Einzige der nichts trinkt? Oder ich sitze mit der Bundeskanzlerin bis weit in die Nachtstunden zusammen, weil wieder irgendwo die Kacke am dampfen ist. Die Bundeskanzlerin will mit mir nach der Lösung des Problems dann noch ein Gutenachtschlückchen trinken und ich lehne dankend ab, obwohl ich wahnsinnigen Appetit auf ein Bierchen habe? Stellt ihr euch das so vor?“

      „Papa hat schon recht“ hatte Rüdiger eingelenkt „viele Dinge kommen doch erst in Gang, wenn ein bisschen Sprit mit im Spiel ist. Das lockert die Atmosphäre auf und gehört doch in allen Bereichen der Gesellschaft dazu. Es wird zwar nicht mehr so viel wie früher gesoffen, aber einen Grund dafür gibt es doch eigentlich immer.“

      „Der Junge hat recht“ hatte sich Peter Petersen hören lassen „ich habe eine staubtrockene Kehle von dem vielen Quatschen und regelrechte Halsschmerzen. Für dich auch n Bierchen, Frieder? Rüdiger? Nils?“

      „Ja.“

      „Hannelore?“

      „Wein.“

      „Petra, Claudia und Paula?“

      „Wein.“

      „Na bitte“ war Peter Petersens Fazit gewesen „soll Frieder doch sein Bierchen zischen. Solange er nicht aus dem Rahmen fällt kann ja nichts passieren.“

      „Da bin ich mir gar nicht so sicher“ hatte Bergmanns Mutter noch mürrisch gesagt.

      Punkt 11 Uhr wurde Frieder Bergmann von Parlamentspräsidenten auf das Podium des Bundestages gebeten. Bundeskanzlerin Anke Meckel überreichte ihm lächelnd die Ernennungsurkunde zum Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland. Dann las sie die Eidesformel vor, und Bergmann wiederholte folgsam:

      „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“

      Als die Kanzlerin noch „So wahr mir Gott helfe“ vorsprach kam Frieder Bergmann etwas aus dem Konzept, denn er war weder gläubig, noch irgendwie konfessionell gebunden. Den Eid so abzulegen wäre demzufolge verlogen gewesen. Vielleicht hätte er das vor der feierlichen Zeremonie klären sollen, aber jetzt war es natürlich zu spät dazu. Er suchte verzweifelt nach einem Ausweg aus der Situation und hatte plötzlich einen Einfall. Er sagte laut:

      „So wahr mir Gott“, und dann leise und schnell, so dass es nur die Kanzlerin hören konnte „schalk“, dann wieder laut „helfe.“

      Anke Meckel sah Frieder Bergmann verwundert an, aber sagte nichts. Dann bat sie Bergmann ans Rednerpult.

      „Sehr verehrte Frau Bundeskanzlerin, sehr geehrte Damen und Herren“ eröffnete Bergmann seine Rede und fuhr fort:

      „Wir leben in einer Welt, die keineswegs so friedlich wie hier bei uns ist. Schauen Sie ein Stück nach Osten, mehr brauche ich nicht zu sagen. In der letzten Zeit sind Stimmen aufgekommen, dass die NATO ihre Streitkräfte wieder aufrüsten sollte. Dazu gibt es von mir ein ganz klares Statement: mit Minister Frieder Bergmann wird es das nicht geben!“

      Applaus von den Linken.

      „Verstehen Sie mich nicht falsch. Wir müssen auf der Hut sein, da gibt es gar keine Frage. Aber man kann viele Jahre guter Beziehungen zu einem großen Land im Osten nicht einfach vom Tisch wischen, bloß weil von dort heute nationalistische Töne zu hören sind. Sind wir Deutschen eigentlich auf unser Land stolz? Fragen Sie doch die Menschen auf der Straße und Sie werden hören, vielleicht, weiß nicht, ist mir egal. Was

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