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Centratur - zwei Bände in einer Edition. Horst Neisser
Читать онлайн.Название Centratur - zwei Bände in einer Edition
Год выпуска 0
isbn 9783741800696
Автор произведения Horst Neisser
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Endlich waren im dünnen Morgennebel in der weiten Ebene kleine Punkte zu sehen, die quälend langsam näherkamen. Der Zauberer alarmierte seine Begleiter. Sie versuchten, etwas zu erkennen. Die Punkte entschwanden immer wieder ihrem Blickfeld und wurden von Nebelschwaden umhüllt. Dann waren sie wieder sichtbar und wurden größer, konnten auseinandergehalten werden. Es waren fünf an der Zahl. Aramar blieb die Ruhe selbst, aber Glaxca trat vor Unruhe von einem Bein auf das andere, und Fallsta murmelte vor sich hin: „Wenn es doch gut gegangen ist! Wenn es doch gut gegangen ist!"
Nach einer weiteren Stunde unterschieden die Männer eine kleine Gestalt, die mit einem Tier vorauslief, und der die anderen Personen folgten.
Glaxca rief: „Das ist Axylia mit ihrem Esel!"
Und Aramar, der mit dem Geist sah und mehr erkannte, als Augen enthüllen, fügte hinzu: „Und dahinter kommen die beiden anderen Frauen und Urial. Sie haben es geschafft!"
Nicht lange danach trafen die Frauen und der Mann ein und fielen erschöpft zu Boden. Sie keuchten so sehr, dass sie kein Wort herausbrachten. Endlich fasste sich Axylia und krächzte: „Schnell! Wir müssen weg. Das ganze Heer ist uns auf den Fersen."
„Was ist geschehen?" rief Fallsta. „Wie habt ihr Urials Befreiung erreicht? Was ist vorgefallen?"
„Später“, sagte Smyrna müde, „erst müssen wir von hier weg und uns in Sicherheit bringen. Dann ist Zeit zum Erzählen."
Aramar ging zu dem jungen Zauberer, der die Hände auf seine Knie gestützt hatte und um Luft rang. Er legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte: „Schön, dass ihr wieder da seid. Wir haben uns Sorgen gemacht."
Da richtete sich Urial auf und fuhr den alten Mann an: „Habt ihr diesen Unsinn inszeniert und mir die Frauen auf den Hals geschickt? Was sollte diese Befreiungsaktion? Ich wäre auch alleine mit der Bande fertig geworden. Haltet euch doch endlich aus meinen Angelegenheiten heraus. Jetzt sind sie tatsächlich hinter uns her, und wir müssen fliehen. Es wird für mich nun sehr schwierig, zum Turm zu kommen. Dabei war ich ihm schon so nah."
„Ja, ihr wart ihm nah. Aber ihr wart an Händen und Füßen gefesselt und solltet gefoltert werden!" Galowyn war wütend. „Wenn es nicht um unser aller Schicksal ginge, so sollte man euch zurückschicken und von den Soldaten vierteilen lassen."
„Was wisst ihr schon“, sagte Urial abfällig. „Hier geht es um mehr, als euer Frauenhirn begreifen kann."
„Diese dummen Frauen haben euch aber gerettet."
„Ich betone noch einmal, dass dies gegen meinen Willen geschehen ist!"
„Ihr seid ein Idiot und bleibt ein Idiot!"
„Hört auf zu streiten“, sagte Aramar, „wir müssen fort."
Die Frauen waren zu erschöpft zum Laufen, deshalb wurden Galowyn und ihre Dienerin auf die Pferde gehoben, und Axylia bestieg ihren Esel. Dann eilten alle nach Osten in die Berge. Voraus lief der Zwerg. Er fühlte sich in dieser Umgebung heimisch. Seine Augen erfassten alle Aufstiegsmöglichkeiten, die auch für die Tiere gangbar waren. Er sah, wo Gefahr drohte und erkannte Schluchten, in denen sie sich verlaufen und Zeit verloren hätten. Er führte sie sicher und schnell durch die Unwirtlichkeit der Bergwelt. Den Schluss machte Urial, und neben ihm hielt sich Aramar, der den jungen Mann nicht aus den Augen ließ.
Als sie schon eine Weile geklettert waren, sahen sie beim Zurückblicken eine mächtige Staubwolke in der Ebene.
„Da kommen sie“, sagte Axylia und trieb ihren Esel an.
Als der nackte Fels begann, und für die Tiere kein Fortkommen mehr möglich war, stiegen die Frauen ab.
„Graufell wird ab jetzt für sie sorgen“, sagte Aramar und jagte die Pferde mit einem kräftigen Schlag auf die Kruppe davon. Dann begann für alle ein mühsames Klettern. Plötzlich rief Smyrna, die ein wenig Luft geholt und dabei zurück in die Ebene geblickt hatte: „Mein Gott, sie klettern uns nach. Diese verdammten Soldaten haben die Jagd auf uns nicht aufgegeben."
Diese Entdeckung spornte alle noch mehr an. Der Weg war nun so schlecht, dass sie immer öfter auf allen Vieren die Felsen empor klettern mussten. Als sich der Weg gabelte, rief Glaxca seinen Freund Aramar zu sich. Es galt zu entscheiden, ob sie links eine Geröllhalde oder rechts eine schmale Schlucht durchqueren sollten. Sie berieten noch, als Donnern und Blitzen sie herumfahren ließ. Auf einem Felsen stand Urial und schleuderte mit hocherhobenen Händen Feuerbälle in die Tiefe, wo er die Verfolger vermutete.
„Bist du wahnsinnig?" rief Aramar. „Man lässt dich einen kurzen Moment aus den Augen, und schon bringst du uns in Gefahr."
Er eilte zu dem jungen Mann und schlug ihm ins Gesicht.
„Höre endlich auf, uns Scherereien zu machen. Mit deinen lächerlichen Kunststückchen hast du den Verfolgern verraten, wo wir sind. Nun werden wir keine ruhige Minute mehr haben, und es ist nicht einmal sicher, ob wir wirklich entkommen können.“
„Ich bin ein Zauberer und laufe nicht vor diesen Bastarden davon. Das habe ich nicht nötig! Aber deine Überheblichkeit geht mir schon lange auf die Nerven. Du solltest dich nicht mit einem Zauberer anlegen. Nun werde ich dir eine Lehre erteilen, die du dein Leben lang nicht vergessen wirst."
Mit diesen Worten richtete der junge Mann seine Fingerspitzen gegen den Alten. Auf seinem Gesicht lag große Anstrengung, als er einen von seinen Zaubern gegen den verhassten Reisegefährten schleuderte. Doch der Angriff schien zu misslingen, denn Aramar zeigte keinerlei Wirkung. Er stand da, lächelte und gab ihm erneut eine Ohrfeige. Urial zitterte am ganzen Leib und setzte noch einmal zum Zaubern an. Sein Gegner lächelte noch mehr und schlug wieder zu. Aber dies war nicht der Schlag eines alten, müden Mannes, sondern glich mehr dem Tritt eines Pferdes.
„Dir werde ich es zeigen!" Urial war außer sich. „Du legst dich mit dem Herrn des Loron an, mit einem der mächtigen Zauberer aus Nowogoro."
„Ich habe keinen mächtigen Zauberer vor mir, sondern einen unreifen Burschen, dem man, aus welchen Gründen auch immer, zu viel Macht verliehen hat. Nun muss ich dir das beibringen, was man in Nowogoro versäumt hat. So unbeherrscht und töricht wie du jetzt bist, kannst du niemals die Herrschaft über den Loron antreten."
Der junge Mann versuchte all seine Zauberkunst, und nach jedem vergeblichen Versuch erhielt er einen neuen Schlag ins Gesicht. Seine Wangen waren inzwischen rot und geschwollen, und aus seiner Nase lief Blut. Doch er gab nicht auf, und die Exekution wurde mit unerbittlicher Härte fortgeführt.
Endlich sank Urial zu Boden und stöhnte: „Wer bist du?"
„Das habe ich dir doch schon ein paar Mal gesagt, und du kennst viele meiner Namen. Ich bin Aramar. Man nannte mich einst auch Grauwolf oder den Blauen Alten."
„Aber wer bist du wirklich? Wer verbirgt sich hinter deinen Namen?"
„Einst war ich der Erste im Rat und ich habe meine Macht noch nicht verloren. Wenn es sein muss, kann ich sogar dafür sorgen, dass sich die Erde auftut. Aber meine Macht kommt aus Einsicht in meine Schwäche. Ich weiß, dass sie nicht mein Verdienst ist. Dies macht mich vorsichtig und gebietet mir Zurückhaltung. Herrschen kann man nur mit Bescheidenheit. Die wirkliche Zauberei und die größte Macht haben ihre Wurzeln in Demut und Mitleid. Die ärgsten Übel, die Sterbliche befallen können, sind Selbstüberschätzung und Größenwahn. Sie galten zu allen Zeiten als die schlimmste Sünde. Aber nur allzu oft, wenn ein Sterblicher hochgestiegen ist, wird er von diesen Schwächen überwältigt, und damit ist sein Untergang besiegelt.
Du aber, du bist noch nicht auf dem Höhepunkt, mein Freund, sondern erst am Anfang. Dennoch hat dich der Größenwahn schon