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Nur ein Tropfen Leben. Christina M. Kerpen
Читать онлайн.Название Nur ein Tropfen Leben
Год выпуска 0
isbn 9783847686248
Автор произведения Christina M. Kerpen
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Nachdenklich ruhen ihre Augen für eine Sekunde auf ihrem vernarbten Arm, dann hebt sie wieder den Blick und sieht, wie der Mann den letzten Knopf schließt. Sie schluckt und denkt voller Verlangen an die innigen Umarmungen, dann spürt sie die Feuchtigkeit zwischen ihren Schenkeln und erschauert leicht. ‚Davon könnte ich schon wieder schwanger geworden sein!’ Dieser Gedanke erregt sie stark, doch sie versucht sich nichts anmerken zu lassen. Stattdessen beginnt sie nun zu drängen, dass er endlich ihr Zimmer verlassen soll, denn die Geräusche im Haus lassen darauf schließen, dass schon bald die Glocke zum Abendessen ertönen wird.
„Sei lieb und beeil Dich“, flüstert sie deshalb. „Ich muss mich ein klein wenig herrichten, denn es muss doch nicht sofort jeder sehen, was der Vormann der Willow-Tree-Ranch am helllichten Nachmittag so alles mit seinen Untergebenen treibt.“
Der Mann lacht, tritt auf sie zu, umarmt sie von hinten und brummt: „Wir waren so laut, das braucht keiner zu sehen, das haben längst alle gehört.“ Er küsst ihren Nacken, dann verlässt er den Raum.
Als sich die Tür hinter dem Indianer geschlossen hat, seufzt die junge Frau und schaut wieder in den Spiegel: „Tja, Miss Blake, jetzt ist es passiert, jetzt hast Du einer Heirat zugestimmt und damit bist Du demnächst Mrs. Carol Widefield.“
Sie schließt die Augen. „Mrs. Carol Widefield“, wiederholt sie leise und ein tiefer Atemzug hebt ihre Brust. „Ach, David, ich bin noch immer so unschlüssig, ob es richtig ist, was wir tun. Wenn nicht meine Sehnsucht nach einem Kind so groß wäre, ich hätte bestimmt wieder nein gesagt.“
Sie tritt an den Stuhl, auf den sie ihre Weste geworfen hat und holt den Rubinring hervor. Nachdenklich betrachtet sie das hübsche, wertvolle Schmuckstück, welches sie aus Furcht es zu verlieren auf der Heimreise nicht getragen hat.
‚Bei der Arbeit ist das Ding wirklich unpraktisch, aber er muss mich doch sehr lieb haben, wenn er mir sogar zur Verlobung schon einen Ring schenkt. Dabei hätte es doch irgendwann ein schlichter, einfacher Ehering auch getan.’ Mit diesem Gedanken beginnt das Girl sich zu erfrischen.
Nachdem sie sich von Kopf bis Fuß endlich sauber fühlt, steht sie eine Weile unschlüssig vor ihrem Kleiderschrank. Am liebsten würde sie sich ja in ihre Arbeitskluft werfen, denn darin fühlt sie sich am wohlsten, aber andererseits macht sich ein Kleid an einer zukünftigen Ehefrau bestimmt um einiges besser, insbesondere, wenn sie gleich von ihren Abenteuern als gefeierter Pianistin, als geachteter Dorfschullehrerin und anständiger, gesitteter Witwe erzählt.
Das Mädchen nimmt das graue Leinenkleid, welches jede ihrer wenigen Liebesnächte begleitet hat und presst es an sich. Da sie aber der Meinung ist, dass sie heute zur Feier des Tages ruhig ein wenig schicker aussehen darf, hängt sie es auf den Bügel und in den Schrank zurück. Sie wählt stattdessen ein pastellgrünes Kleid und versucht sich in die Korsage zu zwängen. „Oh Boy“, stöhnt sie und presst alle Luft aus den Lungen. „Da sind aber noch etliche Pfündchen zu viel auf den Rippen.“
Sie überlegt kurz, ob sie eines ihrer Kleider aus Plumquartpinie anziehen soll, aber da die alle für eine fortgeschrittene Schwangerschaft angefertigt sind, verwirft sie diesen Gedanken sofort wieder.
Mit hochrotem Kopf und unter diversen Erstickungsanfällen schließt das Girl dann doch die Häkchen des Panzers. Vorsichtig atmet sie mehrmals tief ein und aus, soweit es die enge Hülle zulässt und betrachtet sich im Spiegel, dabei murmelt sie kopfschüttelnd: „Männer wissen gar nicht, wie gut sie es haben. Und wofür machen wir doofen Weiber das alles? Nur um den Kerlen besser zu gefallen. Carol Blake, Du bist bescheuert, dass Du Dich in diese Norm pressen lässt. Dein David hat sich in Dich verliebt ohne Panzer und Tand, also warum spielst Du das unsinnige Spiel eigentlich mit?“ Sie weiß die Antwort: „Doch nur, damit er stolz auf seine zukünftige Frau sein kann.“
In diese Gedanken hinein läutet die Glocke, die die Bewohner der Ranch zum Abendessen ruft, so dass sich Carol jetzt nur noch mit blakemäßigem Tempo das Kleid überwirft und mit der Bürste durch die Haare fegt.
Mit kritischem Blick schaut sie noch einmal ihr Spiegelbild an. „Wenn Du so brav wärst, wie Du jetzt aussiehst, Dir wäre sehr viel erspart geblieben, mein Fräulein!“
Sie flitzt zur Tür, hält kurz inne und saust zum Toilettentisch zurück. Wenn man schon verlobt ist, kann man auch ruhig zeigen, dass man keinen geizigen Mann gewählt hat. ‚Immerhin werden wir ja nachher unsere Verlobung bekannt geben und den Termin für die Hochzeit nennen.’
Das Kind streift sich den Ring über den Finger und spürt ihr Herz heftig und laut pochen. Sie wirbelt sich zwei Mal im Kreis und jubelt: „Ach ich glaube, ich mache alles richtig. Ich bin ja so was von glücklich!“
Zu der Abendmahlzeit im Herrenhaus sind aus gegebenem Anlass und zur Feier des Tages auch alle Cowboys eingeladen. Carol ist glücklich, dass ihr niemand mit Misstrauen oder irgendwelchen Vorbehalten begegnet. Davor hatte sie sich am meisten gefürchtet, doch alle zeigen ihr, wie froh sie sind, dass sie zurück ist. Keiner erwähnt die Umstände ihrer Flucht und es fragt auch niemand nach dem Baby, denn in groben Zügen hat der Rancher seine Leute bereits informiert und um Diskretion gebeten.
Carol umarmt ihre Freunde der Reihe nach. Der alte Festus, der älteste der Männer, grienst schief und murmelt: „Und er nahm das verlorene Kind wieder auf in Freuden und man feierte ein großes Fest.“
Das rothaarige Mädchen grinst zurück und brummt: „Amen! Oh Festus, Deine Sprüche haben mir wirklich gefehlt.“
Fess, der Junge, der das raue Cowboyleben gegen das geruhsamere in der Stadt eingetauscht hat, strahlt das junge Mädchen, welches nur wenige Jahre jünger ist, als er selber, offen an. „Schön, dass Du wieder da bist, denn Du hast uns wirklich sehr gefehlt. Erst hast Du uns mit Deinem Weggang einen riesigen Schrecken eingejagt und zum Lohn dafür wurde unser Leben hart und härter. Du glaubst nicht, was wir feste malochen mussten. Es war bestimmt kein Honigschlecken, hier auf der Ranch zu arbeiten. Zum einen mussten wir armen Schweine auch noch Deine Arbeit mitmachen und zum Dank dafür flog man sofort raus, wenn ein bestimmter Jemand das Gefühl hatte, das man nicht spurt.“ Er schielt zu Widefield hinüber. „Der Typ da war unleidlich, der reinste Sklaventreiber. Nichts konnte man ihm recht machen. Er war nur noch übellaunig und miesepetrig, fast so, als wären wir alle an seinem Unglück mit schuld.“
Carol schüttelt die rote Mähne. „Das tut mir echt leid, das wollte ich nicht, deswegen habe ich ja auch ordentlich, sogar schriftlich gekündigt.“ Sie verzieht das Gesicht und knurrt: „Na, die Übellaunigkeit werde ich ihm schon austreiben! – Zumindest werde ich es versuchen!“, murmelt sie dann noch leise, legt den Kopf schief und sagt: „Aber Dir sind die letzten Monate gut bekommen, ich habe das Gefühl, die harte Arbeit hat Dir richtig gut getan. Du bist ja wirklich viel erwachsener geworden. Ich glaube, ich darf in Zukunft überhaupt nicht mehr Tenderfoot zu Dir sagen. – Aber eine Stadtpflanze bleibst Du trotzdem, daran ändert auch Dein erwachsenes Auftreten nichts.“
Carol muss so viel erzählen, dass sie kaum zum Essen kommt, aber da sie sowieso nicht besonders hungrig ist, macht es ihr nichts aus. Sie kann zum wahren Hungerkünstler werden und merkt es kaum, wenn sie viel zu wenig zu sich nimmt.
Sie erzählt gerne und ist dabei ganz in ihrem Element. Alle lauschen gebannt ihren unterhaltsamen und souverän vorgetragenen Geschichten und David ist unbeschreiblich stolz auf seine hübsche, kleine Braut.
Nach dem Hauptgang, noch bevor Ines die Nachspeise auftragen kann, klopft Mr. Carpenter an sein Glas und bittet für einen Moment um Ruhe und Gehör. „Ich denke, wir erfahren heute Abend noch eine kleine Neuigkeit. - Ines, bitte bleiben Sie auch noch