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Das Friedrich-Lied - 1. Buch. Henning Isenberg
Читать онлайн.Название Das Friedrich-Lied - 1. Buch
Год выпуска 0
isbn 9783847612018
Автор произведения Henning Isenberg
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„
Noch kann ich nichts sehen, warum dieser Mann derart zu Tode geprügelt werden muss“, wandte Gerhard ein.
„
Ihr versteht nicht!“, rief ihm Heinrich erregt. „Für sie ist es nicht möglich, dass wir von Gott oder vom Messias auf Erden erlöst werden. Nur ein Heraustreten aus dieser Welt kann die Erlösung bringen. Ein Heil im Diesseits gibt es nicht. Diese Welt ist in ihren Augen nur Finsternis. Eine ketzerische Irrlehre.“
„
Und wo ist Licht?“, fragte Friedrich.
„
Sie sagen in jedem Menschen gibt es einen Gottesfunken, die Seele, das höhere Selbst.“
„
Das sagt doch das Christentum auch.“
„
Ja, aber für sie ist es auf Erden nicht und nicht in dieser Zeit. Es gibt hier kein Gut. Nur Böse. Und sie wollen alle zur Umkehr bewegen, diese Welt nur zu überwinden. Dafür errichten sie ihre Tempel, wo sie die Blüte des Volkes zerstören wollen. Die Welt ist für sie nicht gottgewollt.“
„
Das ist wirklich extrem. Kaum zu verstehen“, sagte Gerhard, „ für uns Christen ist sie doch gottgewollt, diese Welt. Und wir leben in einem Zeitalter, da der Messias zu uns auf die Erde kommt, um uns, die Menschen, die Kinder Gottes, erneut zu erlösen. So weissagen es die Gelehrten.“
„
Deshalb werden die Frevler, die gegen unsere Lehre predigen, verfolgt. Zum Glück ist ihre Zeit vorbei. Manichäer trifft man heute nur noch selten. Ihre Zeit war bereits vor Beginn der Kreuzzüge vorbei. Die meisten von ihnen finden sich heute in einer kleinen Bergenklave im byzantinischen Reich; im fernen Osten solle es auch ein paar geben, berichten Händler. Schlimmer sind hier andere Ketzergruppen. Humiliten, Waldenser, Runcianer, Albigenser, die armen Christen. Sie verbreiten sich wie Heuschreckenschwärme. Eine regelrechte Plage.“
Friedrich wünschte sich, sie hätten ein anderes, heitereres Thema angesprochen. Doch Heinrich wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Zum Glück hörte Gerhard Heinrich weiterhin zu. Friedrich hingegen trank für sich sein Bier, schaute dem bunten Treiben in der Schankwirtschaft zu und wunderte sich. Normalerweise schlagen sie so auf die Juden ein. Was sind diese Christen für Menschen, dass sie alles und jeden meinen, vernichten zu können. Wir verhalten uns wie Übermenschen und unterwerfen alles und jeden im festen Glauben auf dem richtigen Pfad zu wandern. Doch scheint es mir, als vereine diese Zeit alle Sünden wie in einem Urwald, aus dem es kein Entkommen mehr gibt…. Eine Seele, die sich in fernen Zeiten einen neuen Körper sucht, könnte mehr des Guten vorfinden. Reifere Seelen und mehr Menschen ohne Gier und Gewalt.
„
Psst, Gerhard?“, fragte Friedrich seinen Freund, als sie sich auf den Pritschen des Dormitoriums in der Klosterburg von Trient zur Nachtruhe gebettet hatten, „…geht dir der Mann, den sie heute auf dem Marktplatz zusammengeschlagen haben auch nicht aus dem Kopf?“
„
Hm, weswegen?“, murrte Gerhard, der schon fast schlief, zurück.
Hast du nicht auch manchmal das Gefühl, nicht auf dieser Welt zu Hause zu sein? Nur auf der Durchreise zu sein?“
„
Ja, mag sein.“
„
Weißt du, manchmal fühle ich mich wirklich alleine und einsam.“
„
Ja, unser Leben in den Wäldern ist manchmal einsam, da können wir froh sein, wenn wir Kameraden haben.“
„
Gut, ja. Ich meine aber dieses Gefühl, letztendlich alleine auf der Welt zu sein. Im Inneren.“
„
Friedrich!“, murrte Gerhard ungeduldig und schläfrig.
„
Nein, Gerhard, das ist mir wichtig. Und du scheinst mir der einzige zu sein, der mich versteht. Mich macht dieses Gefühl so unendlich traurig und ich frage mich, was ist der Sinn, warum uns Gott auf diese Erde geschickt hat. Wozu müssen wir hier durch?“
„
Du meinst, wenn hier sowieso alles Irrsinn und Chaos ist, wie die Manichäer meinen?“
„
Ja.“
„
Aber deren Lehre ist doch eine Irrlehre.“
„
Ja, aber warum bleibt dann diese Leere und Trauer in mir. Warum konnten mir die Novizenjahre diese Leere nicht nehmen? Könnte nicht irgendetwas dran sein, das wir woanders als hier die Erleuchtung bekommen, woanders zu Hause sind?“
„
Du meinst, wo ist dein Ort und was ist der Sinn deines Hier seins?“
„
Ruhe da drüben“, fauchte es von einer anderen Pritsche aus dem Dunkel des Schlafsaales und die beiden schwiegen eine kurze Weile. Dann flüsterte Gerhard, „so lange, Friedrich, glaube, wie du es immer getan hast, glaube an Gott, den Allmächtigen, der alles richtet und uns unseren Platz in der heiligen Ordnung weist. Es wird dir so nichts geschehen.“
Dann war es still. Friedrich lag noch eine ganze Weile wach.
Heilige Ordnung, dachte er, nichts geschehen! Die Verantwortung in die Hände eines Wesens, das sich Gott nennt, legen und der Gewalt weithin zusehen. Ist das alles gottgewollt?! Es geschieht schon etwas und Gerhard, ach, niemand, den ich kenne, will sich die letzte Frage stellen. Was ist es, was diese Trauer in mir heraufbeschwört? Ist es die Begrenztheit der Jahre zwischen Geburt und dem Streben der Körperhülle? Die Trauer um die Vergänglichkeit, gepaart mit der Erkenntnis, wie wenig der Mensch zu schaffen vermag? Ist es die Angst zu scheitern? Gott am Ende ein schlechter Diener gewesen zu sein? Beim Eintritt des Todes nichts geschafft zu haben; nichts hinterlassen zu können? Die Ungewissheit, ob nach dem Leben auf dieser Erde, ein weiteres folgte? Was vermag der Mensch, was vermag ich zu schaffen? Woran kann ich sehen, dass ich glaube? fragte er sich. Was ist der Sinn meines Lebens? Was ist der Sinn der Zeit zwischen der Geburt und dem Tod? Also, dem Schritt in das Paradies – oder in die Hölle. Ist es, ein gottgefälliges Leben zu führen, um den Höllenqualen zu entgehen und alles erdenkliche Glück im Paradies zu empfangen? Was ist mein Auftrag für mein Leben? … Wenn es der ist, in der Ritterschaft Ruhm und Ehre zu erlangen, muss ich nach den Regeln der Ritterschaft leben – in der Annahme sie bringen Licht in das Grauen der Gedankenlosigkeit.
Er flüsterte die ritterlichen Tugenden in die Dunkelheit über ihm: „Treue und Gefolgschaft, Heldenmut und Tapferkeit, Höflichkeit und Freigiebigkeit.“ Er wiederholte die ritterlichen Tugenden und fügte hinzu, „mit Gottes Willen.“ Für das erste beruhigte ihn seiner Gedanken Antwort und er konnte unter den Geräuschen schnarchender und furzender Männerleiber in den Schlaf sinken.
Von Trient aus setzte sich das Heer, verstärkt durch die frommen Streiter Gottes, wieder in Bewegung, um nun den letzten Teil der Reise zu bewältigen, bevor es sich mit dem kaiserlichen Heer in Tuszien vereinen sollte. Noch am selben Tag ließen sie den Gardasee hinter sich und durchschritten in wenigen Tagen die Po-Ebene, bevor es an den Aufstieg zur Feste San Miniato al Tedesco ging.
6. Kapitel
“Hêr Keiser, swenne ir Tiuschen Fride” Walter von der Vogelweide