Скачать книгу

      Am Abend versammelte Dietrich von Cleve seine Trustis zum Abendmahl um sich.

      „

      Ihr habt es gehört, Otto ist gekrönt. Das ist für uns das Zeichen zum Aufbruch. Nach Tuszien, wo der Kaiser sich jetzt aufhält, benötigen wir ungefähr fünfundvierzig Tage, wenn alles gut vorangeht.”

      Der Tag des großen Zuges ins Südreich rückte näher. Eines Abends bemerkte Friedrich beim Säubern der Ställe, wie Gerhard bei seinem Pferd stand und es am Hals umarmte, wie ein Junge, der bei seiner Amme Zuflucht und Geborgenheit sucht. Ohne sich Gerhard aber zu erkennen zu geben und sich weiter Gedanken darüber zu machen, setzte er seine schweißtreibende Arbeit fort. Er, Friedrich, glühte nach Taten. Doch auch auf Friedrich lastete eine Ungewissheit, wenn auch ganz anderer Art.

      Bis Maria Lichtmess war es nicht mehr lang. Fast täglich stand er auf dem Burgwall und hielt Ausschau nach dem Boten seiner Mutter.

      Am Tag der Heiligen Barbara, einen Tag vor Ablauf der Frist, wurde sein sehnsüchtiges Warten belohnt. Er sah Aelred schon von weitem. Doch was war das?

      Aelred war nicht allein. Er wurde begleitet von Wibold, Ortliv und den Zwillingen, Gerulf und Gundalf. Friedrich winkte ihnen von der Burgmauer zu. Ortlivs scharfes Auge erkannte ihn als erstes und er winkte zurück. Nun wusste Friedrich, dass sein großer Traum wahr wurde. Mehr noch, die Anwesenheit Aelreds und der anderen gab ihm eine große Geborgenheit. Erleichtert ließ er sich an der kalten Wehrmauer auf die steinernen Platten des Wehrgangs niedersinken und dankte seiner Mutter im Stillen.

      „

      Die mitgeführte Verpflegung muss vom Reisetage an drei Monate reichen, die Waffen und Bekleidung ein halbes Jahr!“, rief der Seneschall von Cleve mit unleidiger Stimme. Mit gewichtiger Geste wiegte er eine lange Schriftrolle vor seinem fetten Wanst mal hier hin mal dort hin, je nach dem, wohin die Ware zu legen war. Friedrich war, trotz der unfreundlichen Anweisungen, eifrig bei der Arbeit. Der großen Fahrt stand nun nichts mehr im Wege. Die Mutter hatte ihn freigeben, Gott sei es gedankt!

      „

      Berittene sollen Schild, Lanze, Schwert und Hirschfänger mit sich führen“, rief diesmal der Seneschall den Rittern zu.

      „

      Dazu Bogen und Köcher mit Pfeilen.“

      Es war ein heilloses Durcheinander im Burghof der Schwanenburg. Zu den Knechten, die unter den Lasten um Gleichgewicht ringend knöcheltief im Schlamm des Hofes hin und her rutschten, brüllte er hinüber, „auf Packwagen sollen geladen sein, Äxte und Hacken, Bohrer, Beile und eiserne Sparten … und die Zelte. Vergesst die Zelte nicht, ihr Esel!“

      Am Tage des Heiligen Valentin war es soweit. Die Pferde schnaubten ungeduldig. Der Burghof war von Geschäftigkeit erfüllt. Die Ritter und das Kriegsvolk verabschiedeten sich von ihren Frauen und Kindern.

      Dietrich kam aus dem Palas. An der Hand die hübsche Mathild. Mathild blieb auf der Treppe stehen und entließ ihren Mann, der in die Mitte des Burghofes ging, um mit einem Sprung auf dem Rand des Brunnens Aufstellung zu nehmen.

      „

      Leute, hört her!“, rief er. „Nun ist der Tag gekommen, auf den wir so lange gewartet haben. So der Allmächtige uns von heute an leite, wollen wir am Josefstag in Tuszien anlangen.“

      Dietrich zog ein Pergament aus seinem Gürtel, rollte es auf und zitierte daraus.

      „

      In der Zwischenzeit mahnt mich der Kaiser, durch welche Teile des Reichs auch immer wir reiten, keiner sich unterstehe außer Grünfutter, Holz und Wasser, irgendetwas anzurühren. Wenn wir durch fremden Besitz marschieren, sollen die Führer immer bei ihren Leuten sein, auf dass die Abwesenheit eines Oberen den Knechten nicht Gelegenheit gibt, Unheil anzurichten. Das soll bis zur Ankunft beim Kaiser so sein! … Und nun“, er hob die Stimme und wies in Richtung des großen Burgtores, „lasst uns aufsitzen und auf Ritterfahrt gehen!“

      Die Männer stimmten mit lauten, unternehmungslustigen Rufen in die Aufforderung ihres Herrn ein. Ein Horn blies zum Aufbruch. Dietrich schaute in die bunte Menge. Die Männer waren froh gestimmt und des Wartens überdrüssig. Als er von dem Brunnen herunterstieg, hob das Stimmengewirr des Abschieds an. Der Graf saß auf und hieß die Männer Gleiches zu tun. Und augenblicklich kam das Heer in Aufruhr. Der Burgkapplan zog, von einem Novizen mit einer weißen Standarte, auf der gülden das Kreuz Jesu prangte, die Reihen bekreuzigend vorbei, als Mathild zu Friedrich, der gerade aufsitzen wollte, herüberkam.

      „

      Friedrich, warte.“ Sie hielt ihn am Arm.

      „

      Ich soll dir einen Gruß von der Mutter sagen. Sie wünscht dir Glück und erwartet dich im nächsten Jahr gesund zurück.“

      Sie hatte ihn bei den Schultern gefasst, und ihre Augen strahlten ihn an. Wie ein warmer Schauer durchströmten ihn die Worte. Dann zog sie aus ihrem Ärmel ein Tuch und band es ihm um den linken Arm. Sie zog ihn zu sich heran und drückte Friedrich an ihre Brust. Ein innerer Reflex befahl ihm sich zu wehren, doch sein Stolz und seine männliche Haltung wichen aus ihm, ohne dass der innere Impuls noch über ihn gebieten konnte. Ergeben ließ er den Kopf an ihre warme Brust sinken. Ein unendliches Gefühl von Glück breitete sich in ihm aus. Von seinem Pferd schaute Gerhard, der bereits aufgesessen war, voll von eigenem Gram zu den beiden herüber. Dann hörte Friedrich das Klirren der Geschirre, die Rufe der Männer und die Rufe der Familien zum Abschied. Er löste sich aus der Umarmung und nahm mit einem scheuen, dankbaren Blick Abschied von Mathild. Der Tross setzte sich in Bewegung und verließ die Schwanenburg.

      5. Kapitel

      Drei Wochen reiste der Tross durch deutsche Lande nach Süden. Ihr Weg führte Dietrichs Heer entlang des Rheins über Neuss, Cölln, Koblenz und Boppard. Entlang des Mains über Frankfourt, Aschaffenbourgh, Würzbourgh und dann über die freien Landschaften nach Süden über Nürnberghe, Ingolstadt und München. Sie kamen durch befriedetes Land. Überall säumten grüne Felder den Weg. Bauern gingen endlich, nach langen Jahren ungeklärter Herrschaftsverhältnisse und fortwährender Zerstörung, wieder hinaus und bestellten ihre Schollen, um im Herbst die Erträge ihrer Arbeit zu ernten. Die Wälder hallten von den Hieben der Äxte wider. Karren mit schweren langen Stämmen beladen rumpelten den Städten und Marktflecken zu, während sie von geschäftigen Händlern, Marktleuten und Fahrenden hinter sich gelassen wurden, als hätten es diese ihrerseits eilig, den besten Platz auf den zu neuem Leben erwachten Marktflecken zu ergattern. Ob auf alten oder neuen Märkten erblühte der Handel wieder. Überall waren die Zimmerleute über den Mauern der Städte auf den Dächern der neuen, steinernen Patrizierhäuser zu sehen. Denn viele Städte hatten das Befestigungsrecht zugesprochen bekommen – ein Zugeständnis Ottos an das aufstrebende Bürgertum. Weniger hingen die Bürger nun vom Gutdünken ihrer Landesherren ab oder mussten marodierende Banden fürchten. Nun konnten sie sich selbst schützen und verwalten. Das Selbstbewusstsein der Städter stieg. Stadtluft macht frei, hieß es in diesen Tagen.

      Insbesondere in Baiern und Schwaben hatte der Kaiser sich so eine große Anhängerschaft erworben.

      Beschwingt und frei reisten die drei Freunde durch das deutsche Land und sogen, trockenen Schwämmen gleich, die Erkenntnisse über die Unterschiedlichkeiten der Landstriche, Menschen und ihrer Sprachen in sich auf.

      Bei der reichen Handelsstadt Innsbruck vereinigten sie sich, wie es der Kaiser gefordert hatte, mit weiteren frischen Truppen aus deutschen Landen unter dem Banner Eberhards von Lautern. Doch die Städte wollten das größer werdende Heer nicht lange versorgen und so zog der nun stattliche, tausendfünfhundert Reiter zählende Heerwurm von Innsbruck aus weiter über Aue und Klösterle hinein in die riesenhaften Bergtürme der Alpen. In Clausen und Säben fanden sie Aufnahme in den Commenden der Ordensritter, während sie sonst, sehr zum Schrecken der Bauern, auf deren Feldern und Matten lagerten, die sie dann, für die Ernte meist völlig unbrauchbar, zurückließen. Je weiter sie die Alpen hinaufstiegen, so enger wurde der Reiseweg.

Скачать книгу