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Contenance zu bewahren. Am liebsten würde ich schreien und fluchen, aber das geht jetzt leider nicht.“ „Herr Doktor, soll ich lieber gehen?“ „Nein, das bringt auch nichts. Hören Sie, Dagmar, wir sollten uns etwas einfallen lassen. Sie lieben Horst, aber er scheint Sie nicht genug zu lieben, sondern nur als Seitensprung mißbraucht zu haben. Ich dagegen muß für meinen Teil zugeben, daß ich das Interesse an Gisela schön langsam verliere. Aber ich habe absolut kein Interesse daran, daß Horst und Gisela wieder ein Paar werden, von daher werde ich Sie unterstützen wo ich nur kann. Glauben Sie, es würde etwas bringen, wenn die Beiden glauben müßten, daß wir ein Paar wären?“ „Das weiß ich nicht. Bei Horst war ich mir bislang eh nie wirklich sicher, ob er mich liebt. Aber Gisela wäre bestimmt stinksauer, denn wir haben schon in der Schule um die Gunst der tollsten Jungs konkurriert.“ „Na, wenn ich mir da mich und Horst so anschaue, dann habt Ihr Eure Ansprüche schon ganz schön senken müssen.“ „Ja, das ist der Preis des Lebens und der verbleichenden Schönheit. Also gut, lieber Urban, was haben Sie für einen Plan?“ Daraufhin weihte sie der Arzt in seine Gedankenspiele ein, sie nickte und lachte, am Ende gab sie ihm einen Kuß.

      Gisela war als Journalistin unterwegs und interviewte ein altes Ehepaar, das seinen 60.Hochzeitstag beging. „Wie haben Sie es nur so lange miteinander ausgehalten?“ forschte sie bewundernd. „Ach, wissen Sie, das Leben ist kein Zuckerschlecken und man muß das nehmen, was man kriegen kann“, stellte die alte Frau fest. Gisela war etwas erstaunt und schaute den alten Mann an, weil sie sehen wollte, wie der darauf reagierte, doch jener grinste sie nur glückselig an. „Entschuldigen Sie, aber stört Sie das nicht, was Ihre Frau gerade gesagt hat“ wollte sie von ihm wissen. „Ach, meiner Frau höre ich schon seit Jahren nicht mehr zu. Das ist das Geheimnis einer glücklichen Ehe“, behauptete er stolz und zwinkerte ihr zu. „Darauf wäre ich nie gekommen. Und uns hat man immer eingeredet, Kommunikation in der Partnerschaft wäre der Schlüssel zum Erfolg“, dachte sich Gisela. „Das beruht auf Gegenseitigkeit. Nach ein paar Jahren Ehe habe ich gemerkt, daß mein Mann ein ziemlicher Trottel ist und seitdem schalte ich auch auf Durchzug, wenn er redet. Die Kunst besteht darin, den Anderen so zu akzeptieren wie er ist und wie er ißt, man muß ihn ja nicht lieben“, schwadronierte die alte Frau und Gisela wußte nun überhaupt nicht mehr, woran sie noch glauben konnte und sollte. „Aber gab es da denn nicht Momente in Ihrer Ehe, in denen sie am liebsten den Bettel hingeschmissen hätten?“ versuchte sich die Reporterin im Jargon der alten Leute. „Aber selbstverständlich. Die gab es, gibt es und wird es immer geben. Aber Sie wissen ja: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Übrigens, ich nehme Viagra“, raunte ihr der alte Mann zu. Gisela wußte nicht, ob sie lachen oder empört sein sollte. Da besuchte sie jenes Paar zum 60.Hochzeitstag, um darüber zu reden, wie die Beiden es so lange miteinander ausgehalten hatten und was passierte? Jene taten so, als wären sie nur aus Bequemlichkeit zusammen, hörten schon lange nicht mehr auf das, was der Andere sagte und als Krönung des Ganzen wurde sie auch noch von dem alten Sack angebaggert, der ungeniert Werbung für seinen alten Sack machte. „Das wird Urban bestimmt interessieren, daß es sowas wie die anale, orale oder genitale Phase auch im Alter wieder zu geben scheint“, kam ihr in den Sinn. „Sind Sie sich denn Ihre ganze Ehe lang treu geblieben?“ erkundigte sie sich und auf einmal tat der Alte so, als könnte er ihre Frage nicht verstehen. Seine Frau dagegen antwortete: „Wissen Sie, ich hatte ja damals einen Jugendfreund, den ich sehr mochte. Der ist leider im Krieg geblieben, warum, weiß ich nicht. Vielleicht hat es ihm dort besser gefallen als bei mir. Jedenfalls erlebten wir nach dem Krieg eine schwere Zeit und da war man als Frau froh, wenn man überhaupt einen Mann abbekam. So viele gab es da ja nicht mehr.“ „Ich will ja nicht indiskret erscheinen, aber mich würde dennoch interessieren, ob Sie in Ihrer Ehe fremdgegangen sind.“ „Glauben Sie wirklich, daß ich Ihnen das mitteilen würde? Noch dazu, wo mein Mann neben mir sitzt?“ „Aber der hört uns doch eh nicht zu. Außerdem starrt er ohnehin die ganze Zeit auf meine Brüste.“ „Ja, ich wische ihm mal besser den Sabber weg. Aber nicht, daß Sie das, was ich Ihnen jetzt erzähle, in der Zeitung drucken.“ „Natürlich nicht. Es interessiert mich einfach nur persönlich.“ „Natürlich bin ich fremdgegangen. Was hätte ich denn sonst tun sollen? Er war ja die ganze Zeit nur hinter irgendwelchen anderen Weibern her.“ „Aber warum haben Sie sich dann nicht von ihm getrennt?“ „Ich bin doch nicht blöd. Er hat das Geld nach Hause gebracht, wir haben drei Kinder und wenn er endlich tot ist, dann bekomme ich seine Rente.“ Das waren in der Tat beeindruckende Argumente und danach trank man noch eine Tasse Kaffee zusammen. Gisela beobachtete die beiden Alten und stellte sich vor, wie es denn so wäre, wenn sie mal jenes Alter erreicht hätte. Mit wem würde sie zusammen am Tisch sitzen? Mit Urban? Mit Horst? Oder vielleicht sogar mit ihrem Chef? Bei jenem Gedanken lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken und ihr fiel ein, daß sie wieder zurück ins Verlagsgebäude mußte. Sie bedankte und verabschiedete sich, er begleitete sie bis zur Tür und grapschte ihr zum Abschied noch mal ganz auffällig an die Brüste. Sie schaute ihn verärgert an. „Tut mir leid, aber das mußte sein.“

      Horst saß in seinem Büro und schaute auf die Uhr. Mal wieder so ein Tag, an dem die Zeit nicht vergehen wollte, von daher war er gar nicht so böse darüber, daß es an der Tür klopfte. „Herein, wenn’s kein Gauner ist!“ rief er fröhlich, doch nichts passierte. Er wartete noch, rief ein zweites Mal „Herein!“, aber nichts passierte. Schließlich stand er auf und machte sich auf den beschwerlichen Weg zur Tür. Draußen stand ein junger Mann. „Wieso kommen Sie denn nicht herein, ich habe doch gerufen“, erinnerte sich Horst. „Na ja, Sie wollten mich ja nicht sehen“, ließ sein Gegenüber von sich hören. „Heißt das, daß Sie ein Gauner sind?“ „Zumindest behaupten das die Leute , die mich kennen.“ „Na ja, das war ja nur so eine Redensart von mir. Schließlich habe ich es auch faustdick hinter den Ohren. Was kann ich für Sie tun?“ Horst arbeitete für eine große Versicherungsagentur und er machte seinen Job, so gut er konnte, was bedeutete, daß er die einfachen Leute über den Tisch zog und die schwereren hinters Licht führte. Aber er fand, daß man ihm das nicht vorwerfen konnte, denn zum Einen wurde er dafür bezahlt und zum Anderen wollten es die Geschädigten auch nicht anders, denn wer freiwillig einer Versicherung sein Geld in den Rachen schmiß, war ja auch irgendwie selber schuld. Allerdings erwies sich der junge Kerl als gewiefter Taktiker und ernst zu nehmender Gegenspieler, so daß Horst zur Höchstleistung auflaufen mußte, um den Vertrag so in trockene Tücher zu bringen, daß sein Arbeitgeber mal wieder der Gewinner und der Kunde, so wie fast immer, der Angeschmierte war. Allerdings wurde er einen Verdacht nicht los. „Nehmen Sie es nicht persönlich, aber ich halte Sie für einen potentiellen Versicherungsbetrüger“, gab Horst unumwunden zu. „Und wie kommen Sie darauf?“ entgegnete der Andere. „Sie machen einen sehr gerissenen Eindruck und haben so einen verschlagenen Blick.“ „Dafür kann ich nichts.“ „Nein, nicht daß Sie mich falsch verstehen, das war ein Kompliment. Ich finde, Sie sollten die Seiten wechseln und für uns arbeiten statt gegen uns.“ „Aber ich betrüge nun mal für mein Leben gern.“ „Keine Sorge, da sind Sie bei uns genau richtig.“

      Dagmar ging es nicht gut. Urbans Plan hatte sie zwar überzeugt, aber sie war sich nicht sicher, ob sie so eine gute Schauspielerin war, wie er hoffte. Erst einmal ging es darum, Schadensbegrenzung zu üben und als Friseuse war sie ohnehin den ganzen Tag damit beschäftigt, anderen Leuten zuzuhören, so daß sie sich ein wenig ablenken lassen konnte. „Eigentlich habe ich fast den gleichen Job wie Urban. Nur mit dem Unterschied, daß ich wesentlich schlechter bezahlt werde und auch noch mehr machen muß als er“, dachte sie sich und bemühte sich danach, ihre Aufmerksamkeit dem Kopf und den Worten ihrer Kundin zu widmen. „Ach, wissen Sie, Fräulein, das Leben ist wirklich ein Schwein. Letzte Woche hatte mein Enkel einen Autounfall und vorgestern ist meine Schwiegertochter am Herzen operiert worden. Und dann noch diese Verbrecher überall“, jammerte jene. „Ja, wir leben in unsicheren Zeiten“, stimmte Dagmar zu und dachte dabei in erster Linie an ihre Beziehungsprobleme. „Sie glauben ja nicht, wie gerissen diese Betrüger sind. Meiner besten Freundin ist da letztens was passiert. Die wurde von einem jungen Mann angerufen, der sich als ihr Enkel ausgab und 5000 Euro von ihr haben wollte. Zum Glück hatte sie von solchen Fällen schon in der Zeitung gelesen und war gut vorbereitet. Sie hat dem Kerl ein paar Fragen gestellt, die jener natürlich nicht beantworten konnte, doch das Problem war, daß sie, als irgendwann ihr richtiger Enkel sie anrief, dem dieselben Fragen gestellt hat. Seitdem ist der stinksauer auf sie und will ihr Geld nicht mehr.“

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