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waren aber müde und scherten uns nicht darum, wann wir schlafen gingen. Der nächste Morgen sollte einen tiefen Einschnitt in das gefällige Leben der Goor bringen, wir hörten nach dem Kaffeetrinken Sirenen, wir saßen mit Klaus-Jarmo auf der Terrasse und schauten uns an, was das wohl zu bedeuten hätte, fragten wir uns, wir hatten, solange wir im Goor-Reich lebten, noch nie Sirenen gehört.

      Der Kriegsausbruch

      Ich lief nach vorne vor das Haus und sah dort unsere Nachbarn zusammenstehen und miteinander aufgeregt reden, als ich zu Erja und Aulis trat, die mit Nea, Pentti, Maaret und Kimmo zusammenstanden, rief Aulis:

      „Paulo, wir haben Krieg!“

      Ein Krieg zerstört die Moral aller Seelen, denke daran! Ich wusste die Nachricht zunächst gar nicht richtig einzuordnen und fragte nach:

      „Krieg? Was für einen Krieg haben wir, wer gegen wen?“

      Ich hätte es wissen müssen, Aulis erzählte, dass die Krat das Reich König Miskas überfallen hätten und an den Grenzen des Goror-Reiches und des Teen-Reiches stünden, alle Männer der Goor müssten sich bereithalten und weitere Anordnungen abwarten. Königin Eira säße mit einem Krisenstab zusammen und beratschlagte mit ihm die weitere Vorgehensweise, die an der Grenze zum Krat-Reich stationierten Truppen stünden in Position und wären in Gefechtsbereitschaft, es wäre einzig dem Raketengürtel an der Grenze zum Krat-Reich zu verdanken, dass die Krat noch nicht in Ta`amervan einmarschiert wären. Voller Bestürzung lief ich wieder ins Haus und berichtete Marietta von der schrecklichen Neuigkeit. Marietta schaute verschreckt:

      „Krieg?“, rief sie aus, „was für ein Krieg?“ Ich sagte, dass die Krat das Reich König Miskas überfallen hätten und an unserer und der Grenze zum Teen-Reich stünden. Was denn dann passieren sollte, fragte Marietta aufgelöst und ich nahm sie in den Arm und drückte sie, Eira säße mit einem Stab im Schloss zusammen und beriete die Lage, die Männer im Goor-Reich müssten sich bereithalten. Marietta und ich saßen zusammen und stierten ins Leere, es gingen einem die verschiedensten Gedanken durch den Kopf, was würde die Zukunft bringen? Welche Gefahr bestünde für uns und vor allem für unseren Sohn? Müssten wir mit Bombardierung rechnen? Würden die Krat ins Goor-Reich einmarschieren? Fragen über Fragen, die sich uns in dieser Situation stellten, sie müssten unbeantwortet bleiben, jedenfalls so lange wie es keine klaren Auskünfte vom Schloss gegeben hätte. Marietta nahm Klaus-Jarmo und lief mit ihm und mir vor die Tür, wir stellten uns zu unseren Nachbarn, einige weinten und waren entsetzt, sie konnten die Situation, in der sich das Goor-Reich befand, nicht verinnerlichen, man kannte einen Krieg nicht aus eigener Anschauung, auch Erja und Aulis nicht, alles, was man wusste, war, dass die Krat ausgesprochen aggressiv und imperialistisch waren, und dass von ihnen immer eine große Gefahr ausging. Doch was im Einzelfall genau geschähe, darüber hatte sich noch nie jemand Gedanken gemacht, es hatte auch noch nie Katastrophenübungen gegeben, man hatte immer nur von Kriegen gehört und jahrzehntelange Friedenszeiten erlebt, in denen man sich immer glücklich geschätzt hatte, sollte das mit einem Male vorbei sein?

      Wir gingen wieder ins Haus, niedergeschlagen, mit hängenden Köpfen, wir wussten nicht, was zu tun wäre, als plötzlich das Telefon ging und Bortan anrief. Er wäre als Oberkommandierender der Goor-Streitkräfte seit der vergangenen Nacht im Schloss und säße mit Eira und dem Generalstab zusammen, um zu beratschlagen, was zu geschehen hätte, ich sollte auf jeden Fall zu Hause bleiben und weitere Anordnungen abwarten. Ich legte auf und sagte Marietta, mit wem ich da telefoniert hätte, Bortan wäre der Chef des Militärs im Goor-Reich, wer hätte das gedacht? Dann schellte es und Erja und Aulis standen vor der Tür, wir sollten uns keine Sorgen machen, sagten sie, sie glaubten nicht, dass uns in Ta`amervan etwas geschehen könnte. Auch unsere anderen Nachbarn kamen zu uns und beratschlagten mit uns, wie wir uns verhalten sollten. Ich sagte, dass ich einen Anruf von Bortan bekommen hätte, er wäre der Oberbefehlshaber der Streitkräfte und hielt sich schon seit der Nacht im Schloss auf, er hätte mir gesagt, dass ich mich bereitzuhalten hätte. Wir stellten den Fernseher an und konnten eine Ansprache von Eira sehen, wie sie als Königin zu ihren Landsleuten sprach und alle Männer bis zum sechzigsten Lebensjahr darum bat, auf weitere Anordnungen zu warten und zu Hause vor dem Fernseher zu bleiben.

      Wir befänden uns in einem Krieg mit den Krat, sie wäre aber ganz zuversichtlich, dass es gelänge, zusammen mit dem Reich König Miskas und den Teen, die Krat in ihre Schranken zu weisen. Im Grunde wäre in der Vergangenheit täglich mit einem Angriff der Krat zu rechnen gewesen, sie wären immer unberechenbar gewesen, deshalb hätte König Jarmo schon vor Jahren den Raketenschild an der Grenze installieren lassen. Es wären an der Grenze reguläre Truppen stationiert, deshalb müssten wir uns in der Heimat keine Sorgen machen. Eira wünschte uns alles Gute, sie täte als Königin alles, um Schaden von uns zu wenden. Damit schloss sie ihre Fernsehansprache, wir hatten, wenn ich recht überlegte, noch nie ferngesehen und taten dies zu einem traurigen Anlass zum ersten Mal. Wir atmeten alle tief durch, ich erhob dann als Erster meine Stimme und sagte, dass wir uns erstmalig in einem Krieg befänden, ich aber nicht glaubte, dass Grund zu ernsthafter Sorge bestünde, wir würden durch unsere Truppen und Raketen gut beschützt. Ich gab jedem etwas zu trinken und wir setzten uns auf unsere Terrasse, Nea und Maaret weinten und wurden von ihren Männern getröstet. Ich sagte, sie sollten sich doch beruhigen, wenn es zu ernsthaften kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Krat käme, wäre der Krieg schnell zu unseren Gunsten entschieden. Nach und nach kamen Nea und Maaret wieder zu sich, Pentti und Kimmo gaben ihnen ein Glas Saft und hielten sie umarmt. Wir saßen den Nachmittag über zusammen und besprachen wie wie uns verhalten sollten, wenn es doch zu ernsthaften Kriegshandlungen mit den Krat käme.

      Wir kamen zu dem Ergebnis, dass es für uns eigentlich keinen Schutz gäbe, es wären nie Bunkeranlagen errichtet worden und Keller hätten die Häuser im Goor-Reich auch keine, wir konnten also nur hoffen, dass es keine Bombardierungen gäbe. Bortan war noch in der Zeit, als er in der Leibgarde König Jarmos diente, zum Oberbefehlshaber der Streitkräfte befördert worden, in Friedenszeiten ging er seinem Zivilberuf nach und führte ein Leben wie jeder andere. Dann aber, in Zeiten des Krieges, war sein Platz im Schloss an der Seite seiner Königin, wo er mit ihr und dem Generalstab die Lage sondierte. Schon als Bortan noch Leibgardist bei Jarmo war, konnten aufmerksame Beobachter mitbekommen, wie Turkka seine Macht im Krat-Reich immer weiter ausbaute. Anders als in den Königreichen, gab es im Krat-Reich ein Parlament, dessen Kompetenz es einzuschränken bzw. auszuhebeln galt, Turkka wollte einen gleichgeschalteten Staat, parlamentarische Kontrolle der Regierungsinstanzen war ihm zuwider. Zu diesem Zweck hatte er es geschafft, ein Ermächtigungsgesetz „zur Behebung der Not von Volk und Reich“ durch das Parlament zubringen, welches ihm die alleinige Macht im Staate verlieh und ihn in die Lage versetzte, Anordnungen über die parlamentarische Einflussnahme hinweg zu treffen, er hatte das Parlament mit seinen eigenen Mitteln ausgehebelt. Wie konnte das geschehen?

      Es mussten zwei Drittel der Abgeordneten anwesend sein, Turkka musste immerhin zwei Drittel der Abgeordneten auf seine Seite ziehen, die Abgeordneten, die die wahren Absichten Turkkas durchschauten, hätten das Zustandekommen eines solchen Gesetzes durch bloßes Fernbleiben von der Abstimmung darüber boykottieren können. Um das zu verhindern, wurde die Geschäftsordnung des Parlamentes geändert: unentschuldigt fehlende Abgeordnete galten als anwesend, wer unentschuldigt fehlte, bestimmte der Parlamentspräsident und das war ein Getreuer Turkkas. Das Parlament hatte sich selbst entmachtet, denn Turkka durfte von da an Gesetze ohne parlamentarische Zustimmung erlassen, auch die Befugnisse des Reichspräsidenten wurden praktisch abgeschafft, Turkka war der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Am Ende stand Turkka als absoluter Herrscher da, alle drei Staatsgewalten waren in seiner Hand vereinigt, er war de facto ein Diktator, der alles seiner Idee von einer Volksgemeinschaft unterordnete. Er dachte daran, „Lebensraum im Westen“ zu erobern, um seinem Volk Freiraum zum leben zu geben und sich die im Nachbarreich vorkommenden Rohstoffe zu sichern. Im Grunde war Turkka von seiner Herkunft her ein armes Würstchen, er stammte aus relativ einfachen Verhältnissen und war in seinen Zukunftsplänen früh gescheitert.

      Er wollte Pilot werden, schaffte aber die Anforderungen nicht, die der Beruf des Piloten mit sich brachte, weder erfüllte er die körperlichen Voraussetzungen, er war zu klein und hatte zu schlechtes Augenlicht, noch die geistigen, er schaffte

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