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gelangten die Soldaten an einen Fahrstuhlschacht, man konnte mit dem Fahrstuhl zwei Stockwerke nach oben und drei Stockwerke nach unten fahren. Der General entschloss sich, Soldaten im Erdgeschoss zu postieren und mit weiteren Hilfskräften nach unten zu fahren, um Turkka gefangenzusetzen. Wie man schnell feststellte, befand sich der eigentliche Führerbunker in der untersten Etage, darüber lagen die Energieversorgung und Räume für das Wachpersonal. Unten angekommen sprangen die Begleitsoldaten mit entsicherten Gewehren aus dem Fahrstuhl und hielten einige Krat in Schach, die wohl zu den engen Vertrauten Turkkas gehörten, sie hoben sogleich die Hände und ließen sich entwaffnen. Dann fragte sie der General nach Turkka und sie wiesen auf eine Eisentür, die eine Bunkerzelle verschloss, zweifellos das Privatgemach Turkkas.

      Gerade wollte der General seine Soldaten in Position bringen und die großen Verriegelungshebel von außen öffnen, als aus dem Inneren der Bunkerzelle zwei Schüsse zu hören waren. Der General öffnete die Zelle schnell und fand Turkka und seine Geliebte erschossen vor, sie hatten sich beide ihrer Verantwortung durch Selbstmord entzogen. Vier alliierte Soldaten kümmerten sich um die Toten, der General verließ den Führerbunker mit seinen Untergebenen wieder und ließ vor der Reichskanzlei eine Lautsprecheranlage installieren. Er stellte sich vor das Mikrofon und begann zu sprechen:

      „Von heute an wir die Geschichte im Krat-Reich umgeschrieben, Euer Führer Turkka und seine Geliebte sind tot, sie haben sich im Führerbunker das Leben genommen. Es liegt den Alliierten fern, Rache zu üben für die Greueltaten, die Ihr Krat begangen habt. Das Krat-Reich wird aber für eine bestimmte Zeit besetzt werden und den Bestimmungen eines Kontrollrates unterstellt, alles Weitere werdet ihr noch erfahren, geht jetzt nach Hause, der Krieg ist aus!“ Die Reaktion auf die kurze Rede war bei den Krat unterschiedlich, einige weinten, andere brachen in einen Jubelsturm aus, von einem auf den anderen Moment hatte sich für alle alles geändert. In Boskvik schien sich die Kriegslage zu verfestigen, wovon in Kratholm aber niemand etwas mitbekam.

      Die Krat schienen sich in der Stadt zu verbarrikadieren, man drohte sogar mit einer Sprengung der Stadt, unter Inkaufnahme vieler unschuldiger Opfer. Dann erfuhren die Krat vom Selbstmord ihres Führers und dem Ende der Kampfhandlungen zu Hause. Das nahmen sie zum Anlass, sich bedingungslos zu ergeben und Boskvik zu räumen, um sich vor der Stadt gefangen nehmen zu lassen. Der Krieg war aus, er hatte mit Ausnahme des bedauerlichen Todes des Hauptfeldwebels, einiger Verhungerter in den Konzentrationsalagern und einiger ziviler Opfer im Reich König Miskas keine weiteren Toten gegeben. Die Alliierten richteten Kriegsgefangenenlager ein und inhaftierten die Krat-Soldaten. Einige hochrangige Kratfunktionäre versuchten, sich durch Flucht ihrer Strafe zu entziehen, wurden aber aufgegriffen und in Gefangenenlager gesteckt. Es begann die Nachkriegszeit, die für viele ein harte Zeit war, weil es im Krat-Reich nicht genug zu essen gab, für andere war der Traum von einem Krat-Großreich jämmerlich zerbrochen, diese Fanatiker umzuerziehen wäre in der nahen Zukunft die Hauptschwierigkeit. Die Krat waren besiegt, und damit war für die angrenzenden Königreiche ein großes Bedrohungspotenzial genommen, wie es seit Jahren bestanden und die Goor, Teen und die Einwohner des Reiches von König Miska gestört hatte. Die Besatzungstruppen aller drei Nationen blieben im Krat-Reich, man hatte sich in Hällstatt auf eine Zoneneinteilung geeinigt, die den beteiligten Reichen in etwa gleich große Zonen zubilligte.

      König Miska bekam einen Streifen, der den Osten des Krat-Reiches ausmachte, die Teen erhielten den Nordosten und die Goor den Südwesten, die Hauptstadt wurde für sich in Sektoren eingeteilt. Man bemühte sich, eine Zonenpolitik ohne Repressalien zu betreiben, wobei das den Miska-Soldaten besonders schwer fiel, denn das Reich Miskas hatte unter den Krat besonders stark zu leiden. Jede Zone bekam eine Kommandantur, die gleichzeitig Regierungszentrale war, die Zonenkommandeure trafen sich regelmäßig, um ihre Politik zu besprechen und aufeinander abzustimmen, das Gleiche geschah in kleinerem Maßstab in Kratholm. Es hatte anfangs in den Zonen ein regelrechtes Fraternisierungsverbot gegolten, es war den Besatzungssoldaten verboten, sich den Krat gegenüber allzu freundlich zu verhalten. Es zeigte sich aber bald, dass sich das nicht aufrechterhalten ließ, die Krat waren so verarmt und sahen so elend aus, dass man eine gewisse Herzlichkeit walten lassen musste, man wollte ihnen schließlich zeigen, dass Altruismus ein hoher Wert war. Schnell zeigte sich, dass die Entnahme von Gütern aus den Zonen an ihre Grenzen stieß, wenn sie für die Krat eine Unterversorgung bedeutete, der Anblick hungernder Kratkinder war nicht zu ertragen, bei allem Übel, das die Krat ihren Nachbarn gebracht hatten, man durfte Gleiches nicht mit Gleichem vergelten. Es waren ungefähr dreißigtausend Kratmänner in Kriegsgefangenschaft, die in der Industrieproduktion fehlten, was sich bald in Produktionsausfällen bemerkbar machen sollte.

      Der Alliierte Kontrollrat erließ dann bald die Weisung, die Kriegsgefangenen aus der Haft zu entlassen und nach Hause zu schicken. Die Abgesandten König Miskas erhoben sofort Protest gegen die Weisung des Kontrollrates, schließlich waren es die Einwohner des Miska-Reiches, die besonders unter der Schreckensherrschaft der Krat zu leiden gehabt hätten. Aber dann fügte man sich der Übereinkunft, dass das Krat-Reich wiederaufgebaut werden und den gleichen Lebensstandard erreichen wollte, wie er in den Nachbarreichen galt. Die Hauptkriegsverbrecher aber sollten vor einem Tribunal erscheinen, das in Kratholm tagte und sie ihrer gerechten Strafe zuführen sollte. Die sogenannten „Kratholmer Prozesse“ dauerten ungefähr ein Jahr, alle Größen im Turkka-Reich wurden dort vorgeführt und verurteilt, die Prozesse liefen nach der international allgemein geltenden Prozessordung ab das hieß, dass die Angeklagten Verteidiger zugesprochen bekamen, deren Aufgabe es war, den Angeklagten da, wo es irgend möglich war, strafmildernde Umstände zubilligen zu lassen. Fast alle Hauptangeklagten beriefen sich auf einen Befehlsnotstand, der geherrscht hätte, als sie in kriegswichtigen Situationen hätten handeln müssen, der bedeutet hätte, dass sie sich in einem Dilemma befunden hätten, dem Dilemma nämlich, den Befehl auszuführen und damit gegen das Gesetz zu verstoßen, in dem Falle gegen das Würdegebot oder den Befehl nicht auszuführen und damit gegen die Gehorsamspflicht zu verstoßen, was für den Befehlsempfänger empfindliche Strafen zur Folge gehabt hätte.

      Der Internationale Gerichtshof legte den Umstand des Befehlsnotstandes meist großzügig zugunsten der Angeklagten aus, das hieß, dass man den Passus des Soldatengesetzes, nach dem den Soldaten, wenn er um die Strafrechtswidrigkeit seiner Handlungen wusste, eine Mitschuld traf, unberücksichtigt ließ und den Angeklagten freisprach. Es gab aber auch solche Angeklagten, die aktiv Erschießungen befohlen oder Einweisungen in Konzentrationslager wie im Miska-Reiche angeordnet hatten, solche Angeklagten traf die volle Härte des Gesetzes. Aber selbst in so schweren Fällen gab es nur Haftstrafen, die später dann, nach ein bis zwei Jahren aufgehoben wurden. Man verfuhr also mit den Hauptkriegsverbrechern ausgesprochen gnädig, sehr zum Missfallen derjenigen, die im Kriege besonders zu leiden gehabt hatten, der Einwohner des Miska-Reiches also. Es begann ein Prozess im Krat-Reich, in dem man versuchte, den Grad der Verflochtenheit jedes einzelnen in das Unrechtssystem zu ermitteln. Doch wie wollte man die Verwicklung des Einzelnen feststellen? Man konnte nur Befragungen durchführen, man verteilte Zettel, mit denen Erhebungen vorgenommen wurden, jeder musste glaubhaft versichern, welche Tätigkeit er im Turkka-Reich ausgeübt oder welche Funktion er innegehabt hatte.

      Das Ergebnis der Volksbefragrung war vorhersehbar, es gab praktisch niemanden, der im Turkka-Reich Verantwortung getragen hätte, wer bezichtigte schon sich selbst? Der Primat der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern, also vor allem mit Lebensmitteln, ließ die Überlegungen wie man die Belastung jedes Krat durch das Turkka-System feststellen könnte, in den Hintergrund treten. Es stellte sich heraus, dass der Umgang mit den Krat nicht leicht war, sahen sie wegen ihrer Hundeschnauze doch schon anders aus als die Goor, Teen und die Bewohner des Miska-Reiches, die den Teen sehr ähnelten. Auch das Verhalten der Krat war merkwürdig: neben ihrem in den Augen außenstehender Betrachter, und wir waren ja solche Betrachter, völlig heruntergekommenen Betragens in der Öffentlichkeit, das Herumurinieren war nur eine Facette ihres abartigen Verhaltens, war ihnen scheinbar eine Grundaggressivität zu eigen, wie sie wohl allen Hunden zu eigen war, sie stritten sich auf offener Straße um Kleinigkeiten und bissen sich dabei gegenseitig. Die Bisse verursachten Schmerzen und die Gebissenen heulten jeweils fürchterlich auf. Viele hatten Bisswunden davongetragen, die bluteten, klaffende Wunden, die unbehandelt blieben und niemanden weiter kümmerten, viele hatten große Narben am Körper, die von früheren Bissattacken herrührten.

      Das verabscheuenswerte

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