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der Welt und des Menschen fühlt der Mensch sich einem sinnlosen Zufall preisgegeben und dieser Zustand ist für ihn so unerträglich, dass er bereit ist, sich einem Wesen anzuvertrauen, das er als diese erste Ursache betrachtet und dem er gegebenenfalls auch die Schuld für seine Misere geben kann. Er ist nicht bereit, den Sinn und Zweck der Welt in seinem eigenen Wesen zu suchen, denn dann wäre er ja auch selbst verantwortlich für alles, was ihm widerfährt.

      Feuerbach hat sehr deutlich aufgezeigt, dass die Vorstellungen, die der Mensch von Gott hat, seinen eigenen Verstand spiegeln, sodass also die Vorstellung von einem unendlichen Gott nichts Anderes ist als der Beweis für einen unendlichen Verstand. Solange die Menschen an Gott als ein körperliches Wesen glaubten, war auch ihr Verstand an den Körper gebunden; erst durch die Vorstellung eines immateriellen Gottes hat der Mensch die Freiheit seines Verstandes erkannt und ihn, den Verstand, damit zum höchsten Wesen erklärt, nur wer denkt, ist frei, unabhängig und selbstständig und somit keinem anderen Wesen unterworfen. So wie Aristoteles auf der Suche nach der Wesenheit war, die bewegt, ohne selbst bewegt zu werden, so gilt es nun zu erkennen, dass der Verstand das einzige ist, was selbst genießt, ohne genossen zu werden.

      Der Monotheismus stellt insofern einen Fortschritt der Menschheit dar, weil durch ihn erkannt wurde, dass es für den Verstand unmöglich ist, sich mehrere höchste Wesen vorzustellen, weil dies ja bedeuten würde, dass der Verstand sich selbst widerspricht, sein eigenes Wesen verleugnet und damit sich selbst vervielfältigt. Wir messen alles mit dem Verstand, sodass also der Verstand das Maß aller Maße ist, hier lassen sich Existenz und Wesen nicht unterscheiden. Erst durch den Verstand entsteht das Bewusstsein und durch das Bewusstsein erklärt sich die Existenz der Welt und des Menschen, denn ohne Bewusstsein würde die Welt nicht existieren, es würde also das Nichts existieren, was ein vollkommener Unsinn wäre. Der Unsinn des Nichts ist der Grund für den Sinn der Welt, denn Nichtsein ist sinnlos. Der Durst, das Bedürfnis, die Notwendigkeit und der Mangel sind die Ursachen und der Sinn des Lebens.

      Wie könnte ein Mensch in Gott Frieden finden, wenn Gott ein ganz anderes Wesen wäre als der Mensch. Heißt es nicht sogar in der Heiligen Schrift der Christen: ‚Wenn jemand dich zwingt, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh mit ihm zwei‘. Das bedeutet doch nichts anderes, als dass man ein anderes Wesen nur verstehen kann, wenn man sich in seine Lage versetzt. Der Mensch kann sich also nur in Gottes Lage und Gott nur in die Lage des Menschen versetzen, wenn beide eines Wesens sind oder wie Feuerbach es formuliert: ‚Und soll und will daher der Mensch in Gott sich befriedigen, so muss er sich in Gott finden‘. Alle Religionen, insbesondere die christliche, sind also nichts Anderes als die Verehrung eines anthropotheistischen Wesens, also die Liebe des Menschen zu sich selbst in seiner Vollkommenheit, die absolute Bejahung des Lebens.

      Es kommt also darauf an, dass der Mensch sich von der Qual seines Sündenbewusstseins und seines Nichtigkeitsgefühls, die ihm die Herrschenden und die Kirche seit zweitausend Jahren einreden, befreit. Erlösung kann er nur finden, wenn er sich der Liebe des Herzens bewusst wird und sie als das Höchste ansieht, ohne das nichts existieren kann, sodass also auch Gott nur als herzliches, liebendes, menschliches Wesen existieren kann.

      Im Gegensatz zu dieser Liebe steht das Gesetz, dem kein Mensch wirklich genügen kann, da es immer von der Vollkommenheit ausgeht. Schon Seneca erkannte, ‚mit dem Gesetz begannen die Vatermörder‘ und Luther sagte: ‚Das Gesetz bringet uns um‘. Es ist nur die Liebe, die den Menschen frei machen kann. Im Gesetz stellt der Mensch Gott sich als ein anderes fremdes Wesen gegenüber, wodurch er sein eigenes Leiden verursacht, erst wenn er sich mit Gott versöhnt, indem er sich ihm gegenüberstellt als sein eigenes Wesen, kann der Mensch Frieden finden.

      Daher ist die Inkarnation auch nichts Anderes als die Erscheinung eines menschlich fühlenden Wesens, auch hier kann Ludwig Feuerbach es noch viel genauer beschreiben: ‚Allein der menschgewordene Gott ist nur die Erscheinung des gottgewordenen Menschen; denn der Herablassung Gottes zum Menschen geht notwendig die Erhebung des Menschen zu Gott vorher. Der Mensch war schon in Gott, war schon Gott selbst, ehe Gott Mensch wurde, d.h. sich als Mensch zeigte‘.

      Wir haben es der Anthropologie zu verdanken, dass die Illusion von Gott als einem übernatürlichen Wesen zerstört und die Liebe als der eigentliche Ursprung und Mittelpunkt der Welt erkannt wurde. Wenn man Gott als ein übernatürliches Wesen ansieht, das auch ohne die Liebe existieren kann, dann entsteht der religiöse Fanatismus, dann werden Ketzer und Hexen verbrannt und es werden Kriege geführt gegen sogenannte Ungläubige, dann segnen die Popen Waffen, mit denen Menschen getötet werden und der Papst verbietet den Gläubigen, den Kriegsdienst zu verweigern, mit anderen Worten, er zwingt sie, andere Menschen zu töten, weil er Angst hat um seine Macht und weil er keine Liebe kennt, jedenfalls nicht die menschliche Liebe.

      Es gibt jedoch gar keine andere als die menschliche Liebe, auch Gott kann den Menschen nur um des Menschen Willen lieben, um ihn glücklich zu machen, er liebt also genauso wie die Menschen es tun. Nichts anderes lehrt die Heilige Schrift der Christen, wenn sie sagt, dass die Liebe des Menschen vollkommen und ungeteilt sein soll. Aber die Kirche behauptet, dass es unterschiedliche Arten von Liebe gebe, so als hätte die Liebe einen Plural.

      Wenn ein Mensch einen anderen Menschen liebt, dann hat er das außerordentliche Verlangen, diesen Menschen zu sehen, denn in ihm erscheint die Liebe von Angesicht zu Angesicht, sodass die Menschwerdung Gottes auch nichts anderes ist, als die Erscheinung der Liebe, der Liebe Gottes zu den Menschen und damit des Menschen zu sich selbst, durch diese Erscheinung wird die Liebe in sich selbst zur Gewissheit, um es erneut mit Feuerbach zu sagen: ‚In Gott kommt daher mein eigenes Wesen mir zur Anschauung; ich habe für Gott Wert; die göttliche Bedeutung meines Wesens wird mir offenbar‘. ‚Gott ist der Spiegel des Menschen‘.

      Wir können den Sinn des Lebens also nicht in irgendwelchen metaphysischen Wesen, sondern ausschließlich in uns selbst finden; weil wir existieren, haben wir Gefallen an uns selbst, haben wir das Recht, uns zu lieben; wer den Menschen verurteilt, weil er sich selbst liebt, der macht ihm den Vorwurf, dass er existiert. Der eigentliche Sinn des Lebens ist also der Lebenstrieb, die Vereinigung von Natur und Geist im Menschen.

      Anders ausgedrückt, erst wenn Verstand und Gefühl, Verstand und Liebe zusammen kommen, ist der Mensch vollkommen; der Mensch braucht also unbedingt ein Gegenüber zu seiner Vollkommenheit, ich und du sind zwei unterschiedliche Wesen und doch bilden sie eine Einheit; der Gott Vater braucht den Gott Sohn, da sonst seine Liebe nicht manifest werden kann. Erst durch die Verbindung von Vater und Sohn, von Verstand und Liebe, von Ich und Du entsteht der Geist, der dem Menschen als ewige Wahrheit inne wohnt.

      Der Geist ist also nichts anderes als die Liebe zwischen den beiden Personen, aber da er für den Menschen als Person nur schwer zu begreifen ist, musste unbedingt noch eine weitere Person hinzukommen, nämlich die Mutter Gottes. Die Trinität von Vater, Sohn und Heiliger Geist ist also in Wahrheit eine Quaternität von Vater, Mutter, Sohn und Heiliger Geist, eine Vierfaltigkeit oder auch eine Quadrophonie. Erst durch das weibliche Element kann die Liebe vollkommen werden, nur die Sexualfeindlichkeit der Kirche verhindert eine Liebesbeziehung zwischen Vater und Mutter, aus der der Sohn als Inkarnation der Liebe hervorgeht.

      Im Gebet schließlich hat der Mensch die Möglichkeit, sich selbst als einem anderen Wesen gegenüber zu treten, sich selbst mit Du anzureden und in dem Gefühl, dass es für ihn keine Grenzen gibt, seine tiefsten und innigsten Wünsche auszusprechen und darauf zu vertrauen, dass sie tatsächlich Realität werden können, sei dies auch noch so unwahrscheinlich. Außerdem ist er nicht mehr mit seinem Leid alleine, sondern er kann es mit seinem Gegenüber teilen und so das Gefühl bekommen, dass ihm dieses Leid abgenommen wird, dabei spielt es überhaupt keine Rolle, dass es sich im Grunde um ein Selbstgespräch handelt. Im Gebet verschließt der Mensch sich aller Außenwirkung auf ihn und er konzentriert sich voll umfänglich auf sein eigentliches, vollkommenes Wesen.

      Im Christentum sind Geist und Natur, Körper und Seele, Individuum und Kollektiv nicht mehr voneinander getrennt, sie bilden eine Einheit, eben die göttliche Vollkommenheit des Menschen, des unsterblichen Menschen oder wie Feuerbach es formuliert: ‚Der Glaube an die Unsterblichkeit des Menschen ist der Glaube an die Göttlichkeit des Menschen‘. Wenn der Mensch nicht unsterblich ist, dann existiert auch kein Gott, denn Gott ist letztlich nichts anderes als ein von allen Unvollkommenheiten befreiter Mensch. In der

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