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      Frieda nickte nur. Über diese Möglichkeit hatten sie bisher nicht gesprochen, da sie dafür nicht den leisesten Hinweis hatten.

      „Also gut, dann suchen wir nach diesem Peter Friedrich und auch nach der Familie Pini.“ Mario verschwieg, dass er nicht im Geringsten daran glaubte, dass sich seine Familie hier aufhielt. Warum auch? Sie hatten keinen Bezug zu Altötting, warum sollten sie hierherziehen? Er war davon überzeugt, dass sie weder diesen Friedrich noch die Pinis hier finden würden. Er war sich mittlerweile nicht einmal mehr sicher, ob er in den Unterlagen des Maklers richtig gelesen hatte. Aber das alles verschwieg er seiner neuen Freundin, die im Gegensatz zu ihm fest daran glaubte.

      Frieda strahlte ihn an. Sie hatte sich eine Theorie zurechtgelegt und dachte nun, dass Mario ebenso wie sie daran glaubte. Oder war es Wunschdenken?

      „Gut, wir gehen zunächst zum Einwohnermeldeamt, das ist hier gleich am Kapellplatz im Rathaus. Ich war hier früher einige Male auf der Toilette.“ Frieda kannte sich wirklich gut aus. Aber sie hatten Pech, das Amt hatte seit sechzehn Uhr geschlossen. Beide ärgerten sich darüber, denn wenn sie gleich nach dem Einchecken ins Hotel hierhergegangen wären, hätten sie es noch schaffen können. Stattdessen hatten sie wertvolle Zeit in dem Gasthof vertrödelt. Aber es half nichts, gleich morgen früh um acht öffnet das Amt wieder und dann konnten sie ihr Anliegen vorbringen. Er sah Frieda an, dass sie erschöpft war, und lud sie daher zu einem feudalen Abendessen im Hotelrestaurant ein. Frieda trank einen halben Liter Wein. Mario musste sie zu ihrem Zimmer begleiten, denn ihr Gang war nicht mehr der sicherste. Auch Mario hatte sich nach der heutigen Bahnfahrt zur Belohnung einen guten Wein gegönnt und war ebenfalls sehr müde.

      Nach einer überraschend ruhigen Nacht, in der beide gut geschlafen hatten, trafen sie sich um sieben Uhr zum Frühstück und langten bei dem üppigen Angebot ordentlich zu. Wenn das mit dem Essen so weiterging, würde Mario enorm an Gewicht zulegen, denn er war anfällig dafür und hatte sich in den letzten Jahren vor allem Kuchen und Torten verkniffen. Damit tat er sich nun schwer, denn in Deutschland lockte an jeder Straßenecke die Versuchung mit den verführerischsten Leckereien. Frieda machte sich über ihr Gewicht keine Gedanken und aß alles, worauf es sie gelüstete. Das war nicht erst im Alter so, das hatte sie schon immer so gemacht. Sie war ein Genussmensch und ließ sich das von niemanden ausreden. Auch nicht von ihrem Arzt, der zwar mit ihren Blutwerten immer zufrieden war, sie aber vorsorglich stets warnte und zur Vorsicht mahnte.

      Kurz vor acht standen beide vor dem Einwohnermeldeamt, das nur wenige Gehminuten von ihrem Hotel entfernt war. Die Tür wurde pünktlich aufgeschlossen.

      Die Dame im Einwohnermeldeamt war zwar sehr zuvorkommend, aber einen Eintrag konnte sie nicht finden, weder für Peter Friedrich, noch für die Familie Pini. Schade, das hatte nichts gebracht.

      Sie setzten sich am Kapellplatz auf eine Bank und sahen dem nun zunehmenden Treiben der Wallfahrer zu. Einige Personen waren ganz bestimmt mit Bussen angereist, denn sie kamen in größeren Gruppen. Andere hatten Wanderkleidung an und waren scheinbar tatsächlich zu Fuß nach Altötting gelaufen. Mario beobachtete einige Personen, die teilweise mit mehr oder weniger großen und schweren Holzkreuzen zu Fuß oder sogar auf den Knien durch den Rundgang der Gnadenkapelle liefen und dabei leise Gebete sprachen. Er war nicht nur davon fasziniert, sondern auch von den vielen Votivtafeln, die von Gläubigen aus den unterschiedlichsten Gründen dort angebracht wurden. Vor der relativ kleinen Gnadenkapelle, um die es hier an für sich ging, hatte sich bereits zu dieser frühen Stunde eine lange Schlange gebildet. Jeder wollte einen Blick auf die schwarze Madonna im Inneren werfen. Mario hatte in einer Infobroschüre des Einwohnermeldeamtes darüber gelesen und auch hier sah er überall Hinweise darauf. Aber das Ganze hier verstand er überhaupt nicht, obwohl er gläubiger Katholik war. Er wuchs in einer Ecke Baden-Württembergs auf, wo es so etwas bis heute nicht gab. Als er den Jakobsweg entlangging, war er selbstverständlich wie die anderen Touristen auch in einigen Kirchen gewesen, was wahrscheinlich die Atmosphäre ausmachte. Aber so etwas wie hier in Altötting hatte er doch noch nicht gesehen. Mario kramte in seiner Tasche, zog ein nagelneues Handy hervor, auf dem er herumtippte.

      „Wo hast du das denn her?“

      „Habe ich gestern in Reutlingen gekauft, es sollte heute im Laufe des Tages freigeschaltet werden. Wir brauchen dringend Internet, wir können nicht jede Kleinigkeit im Hotel nachsehen. Vor allem nicht, wenn wir unterwegs sind. Und dieses Ding hier kann einfach alles, schau mal her.“

      Frieda lehnte energisch ab.

      „Verschone mich mit den Details. Ich verstehe sowieso nur Bahnhof und habe überhaupt keinen Kopf dafür. Und wenn ich ehrlich bin, interessiert mich das absolut nicht. Ich bin zu alt für so einen technischen Quatsch.“

      „Kann ich verstehen. Ich habe ein Prepaid-Handy für dich. Das habe ich am Reutlinger Bahnhof gekauft, während du auf der Toilette warst. Keine Angst, das ist nur zum Telefonieren, es funktioniert bereits. Meine Nummer ist eingespeichert und die Handhabung ist wirklich kinderleicht.“

      „Und wofür brauche ich ein Handy? Ich habe noch nie eins besessen. Reicht es nicht, dass du eins hast?“

      „Falls du mir verloren gehst, oder dir etwas passiert, einfach nur zu deiner Sicherheit. Gefällt es dir nicht?“

      Und ob es Frieda gefiel. Es war schwarz mit einem großen Display und etwas größeren, weißen Tasten, womit sie sich leichter tat als mit diesen fitzelig kleinen Tasten. Das war ihr lieber als die Handys, die man mit den Fingern bedienen musste, wie sie es schon mal bei Laura gesehen und ausprobiert hatte. Sie hatte keine Geduld für solche Dinge und befand sich zu alt für diesen modernen Kram. Trotzdem war sie sehr stolz auf ihr erstes eigenes, funkelnagelneues Handy und drückte Mario einen dicken Schmatz auf die Backe. Es war lange her, dass sich jemand solche Gedanken und Sorgen um sie machte. Was das wohl gekostet hatte?

      Marios Handy war noch nicht freigeschaltet und er ärgerte sich darüber, denn er brauchte dringend die Adressen der hiesigen Schulen. Die wollte er so schnell wie möglich abklappern und dann wieder nach Hause fahren. Die Suche in Altötting kostete nur unnötig viel Zeit, die er nicht hatte. Wo war seine Familie? Und wie konnte er sie finden?

      Frieda war von Altötting überzeugt. Sie zog einen Prospekt aus der Manteltasche und reichte ihn Mario. Es war ein Faltprospekt der Stadt Altötting, den sie aus dem Aufsteller in der Hotellobby gezogen hatte. Überrascht blätterte Mario darin und fand eine Aufstellung aller Schulen. Offenbar war Frieda etwas schlauer als er, der sich tatsächlich nur auf die Technik verlassen hatte und nicht auf die einfachste Lösung kam. Laut der Broschüre gab es zwei Gymnasien und zwei Realschulen in Altötting.

      Mario rief mit Friedas Handy alle vier Schulen an. Er gab sich als sein Onkel Giuseppe aus und teilte mit, dass er dringend eine seiner Töchter sprechen müsste. Doch trotz seiner schauspielerischen Leistung, von der sogar Frieda überrascht war, hatte er keinen Erfolg. In den Schulen gab es keine Schülerinnen mit den Namen Laura und Maria Pini. Mario war nicht besonders enttäuscht, er hatte bereits damit gerechnet.

      „Lass uns das hier abbrechen und wieder abreisen. Das bringt doch alles nichts.“

      „Das kommt überhaupt nicht in Frage! Wir suchen nach Peter Friedrich. Es wäre doch gelacht, wenn wir den nicht finden!“

      „Und wie sollen wir das anstellen? Wir können doch nicht alle Straßen ablaufen und die Türschilder lesen, das dauert ja Wochen.“

      „Natürlich laufen wir nicht alle Straßen ab, bist du verrückt? Wir gehen jetzt ein Stück spazieren und überlegen in Ruhe, wie es weitergeht. Jetzt lass den Kopf nicht hängen, das kriegen wir schon irgendwie hin.“

      Sie diskutierten alle Möglichkeiten durch und verwarfen sie wieder. Sie stritten und vertrugen sich wieder. Das brachte nichts. Sie hatten nicht den Hauch einer Spur, der sie folgen konnten.

      „Was hältst du von einem Privatdetektiv?“ Sie saßen schon eine halbe Stunde schweigend in einem netten Café direkt am Kapellplatz, tranken Cappuccini. Mario war mit seinem Handy beschäftigt und Frieda beobachtete die Passanten. Bereits seit dem Frühstück geisterte die Idee, einen Privatdetektiv zu engagieren, in Marios Kopf herum. Und nach den Erfahrungen

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