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und auch der Sturm hatte an Kraft verloren. Guter Dinge und mit sich selbst zufrieden erledigte er, Hasso an der Leine führend, seine Aufgabe. „Keine besonderen Vorkommnisse“ konnte er immer wieder in sein Journal schreiben. So konnte es weitergehen.

      Evelin Krause schreckte hoch. „Dieser Mistkerl!“ schrie sie in ihr nächtliches Zimmer. Der Wecker projizierte in roten Ziffern Zwei-Uhr-Achtundreißig an die Zimmerdecke. Mit beiden Fäusten trommelte sie gegen das Bettgestell. „Dieser Mistkerl hat eine andere“, schluchzte sie. Dabei hatte sie sich schon neben Justus Voigt in seinem roten Cabrio durch die Stadt fahren sehen. Alle Kolleginnen beneideten sie, dass sie sich den Chef geangelt hatte. Und dann das: Vor versammelter Mannschaft hatte er Neid auf sie geschürt, wegen ihrer guten Vermittlungsergebnisse, dieser Affe.

      Vor allem diese Gutrecht mit den schlechtesten Ergebnissen. Ob er was mit ihr hatte? Wie sonst konnte sie sich solche Äußerungen erlauben. Und nun ist sie sogar noch befördert worden. Dabei hatte sie, Evelin, doch die besten Ergebnisse. Die müssen was miteinander haben! Angewidert schüttelte sie den Kopf. Offenbar steht er auf alte Weiber.

      Nein, das konnte nicht sein. Sie fühlte förmlich seinen leidenschaftlichen Blick, wenn sie ihn auf dem Flur begegnete, und sie begegnete ihm ziemlich oft. Dass er sie liebte, brauchte er ihr nicht zu sagen. Das wusste sie auch so. Punktum.

      Oder war er nur geil auf sie, geil um seine eigenen Gelüste zu befriedigen, wie bei einer Nutte. Na klar, er ließ sie überwachen, damit sie sich auf dem Flur begegnen würden. Anschließend schloss er sich in sein Büro ein.

      „Justus Voigt, du dreckiger Kerl!“, brüllte sie. Der ist wie alle Vorgesetzten: hinterlistig und nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Dabei war sie gar nicht so abgeneigt, mit ihm auch mal so eine Nacht zu verbringen, ohne Verpflichtungen. Die Knechtel würde dann vor Wut überschäumen, frohlockte sie. Warum merkte er das bloß nicht, der Idiot. Als ob ihre Gedanken noch nicht ausreichten, kreischte sie „Du Idiot, du Idiot!“

      Die Tür ging auf. „Evelin?“

      Evelin schwieg. Ihre Mutter schaltete das Licht ein. Evelin saß verkrampft in ihrem Bett, die Hände zur Faust geballt und den Kopf auf die Brust gesenkt. Sie atmete schwer.

      „Evelin, ich möchte dir helfen. Ich verstehe deine Gefühle gegenüber Voigt. Ich habe es an deinem Blick gesehen.“

      Evelin nickte.

      „Am besten du machst deine Arbeit so gut du kannst. Die fachliche Anerkennung kann und wird er dir dann nicht versagen.“

      Langsam entkrampfte Evelin und legte sich. „Danke Mama.“

      „Alles ist gut. Du brauchst den Schlaf, Liebes. Vielleicht solltest du doch mal eine stationäre Therapie machen? Denk’ mal darüber nach.“

      „Quatsch! Beim letzten Mal haben die mich nur mit Pillen zugedröhnt. Ich stand völlig neben mir! Das weißt du doch, Mama!“

      „Ist gut, Evelin. Und jetzt ruh’ dich aus.“

      Die Mutter schüttelte den Kopf und verließ das Zimmer. Es war anstrengend, sich immer auf Evelins schnell wechselnde Launen einzustellen. Die Mutter nahm das schwarz-weiße Buch über das manisch depressive Syndrom, das auf dem Nachttisch lag und las, bis sie zu müde wurde, um dem Inhalt zu folgen.

      Je näher Udo kam, desto intensiver wurden die Blaulichtblitze, die über das abgeerntete Feld zuckten. Ihn packte die Sorge, dass er nicht zu dem Objekt durchkommen würde. Sollte er gleich umdrehen, um es andersherum zu versuchen? Das würde ihn eine viertel Stunde Umweg kosten. Mit jeder Überlegung näherte er sich dem Objekt der Softwarefirma. Udo war unentschlossen.

      Die Büsche am Rande der Straße und die hügligen Felder ließen für einen kurzen Augenblick die Sicht frei. Udo bremste. Aufgestellte Scheinwerfer beleuchteten das Gebäude der Firma.

      Beim Annähern konnte Udo keine Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr erkennen, nur Polizei und Krankenwagen. Was war passiert? Er fuhr bis nahe an die Absperrung heran und stellte den Motor ab. Hasso musste jetzt allein im Wagen zurückbleiben. Aufgeregt bellte er.

      Während Udo bis an das Absperrband ging, blickte er sich um. Scheinwerfer erhellten die Umgebung. Ein etwa 40-jähriger Mann stieg gerade in das Einsatzfahrzeug, offenbar zur Befragung, ein. Zu einem andern Fahrzeug wurde ein Motorradfahrer mit Handschellen geführt. Für einen kurzen Augenblick konnte er das Gesicht erkennen. Sofort wurde er an seinen letzten Fall vor seiner ungerechtfertigten Suspendierung erinnert. Ja, diesen Rocker hatte er schon einmal selber verhört. Eine verdammt harte Nuss. Einen Augenblick hielt er inne. Wer hatte damals nur die Informationen an die Presse weitergegeben, deren Geheimhaltung so wichtig für die Ermittlung war. Wie oft hatte er darüber schon nachgedacht. Immer mit dem gleichen deprimierenden Ergebnis. Mit aller Gewalt riss er sich von diesem Gedanken los.

      Udo stellte sich bei einem Beamten vor und fragte nach dem Einsatzleiter. Udo hörte das Funkgerät des Beamten rauschen.

      „Kriminalhauptmeister Anderson. Bitte warten Sie hier. Ich werde Kriminaloberkommissar Fründt benachrichtigen.“

      Mit dem Druck auf die Sprechtaste hörte es auf zu rauschen. „Hubert, ein Herr Voss ist hier. Er ist von der Sicherheitsfirma. Personalien habe ich schon überprüft.“

      „Ist gut, ich komme gleich. - Udo, Udo Voss etwa?“, quäkte es aus dem kleinen Lautsprecher, der alle Stimmbesonderheiten verschluckte.

      „Ja. Kennt ihr euch?“

      Eine Antwort kam nicht aus dem Gerät.

      „Du verstehst, Udo, dass wir auch dich als Mitarbeiter der beauftragten Sicherheitsfirma interviewen müssen. Du brauchst also erst gar nicht zu fragen, was passiert ist“, begann Hubert Fründt schon beim Näherkommen. „Aber lass' dich erst einmal begrüßen, alter Junge.“ Fründt gab Udo herzlich die Hand. „Es ist ja schon eine kleine Ewigkeit her!“

      „Das kann man wohl sagen, Hubert. Trotzdem frag’ ich, was passiert ist. Vielleicht kann ich ja etwas zu den Ermittlungen beitragen. Mir schwant da so etwas, als ich eben den silbergrauen Fiesta hier stehen sah. Ihr habt also den Täter!?“

      „Das fällt unter die Geheimhaltung. Das solltest du eigentlich wissen, Udo. Was, was ist denn mit dem Fiesta?“ Fründt konnte Udo nichts vormachen. Seine Fähigkeit, in Gesichtern zu lesen war in der Dienststelle legendär.

      „Nun tu nicht so! Mir machst du doch nichts vor. Also, Klartext: Den Fiesta habe ich die Nacht schon einmal gesehen. Kennzeichen habe ich mir gemerkt, rein reflexartig, weißt du ja.“ Udo zog einen Zettel aus seiner Brusttasche und gab ihn Fründt. „Hab es aufgeschrieben, falls es Rückfragen vom Krankenhaus geben sollte. Zurück zum Fiesta. Ich kann mir nur nicht vorstellen, dass der anderthalb Kilometer über diese Buckelpiste bis hier her mit ’ner gebrochenen Achse fahren kann.“ Dann erzählte Udo dem Kriminaloberkommissar Hubert Fründt die Geschichte von der hochschwangeren Frau.

       Montag, 11. Oktober

      Udos Dienstnacht war ohne besondere Vorkommnisse verlaufen. Hasso lag auf der Rückbank und hatte seinen Kopf auf seine Vorderpfoten gelegt. Nur ab und zu öffnete er seine Augen, um nach dem Rechten zu sehen. Plötzlich stellte er sich auf und bellte kurz. Blaue Blitze und die Sirene eines Einsatzfahrzeuges der Polizei nötigten Udo am rechten Fahrbahnrand zum langsam Fahren. Trotz aufmerksamer Fahrweise hatte er sie erst jetzt, unmittelbar hinter ihm, bemerkt. Das Fahrzeug überholte den Golf.

      „Polizei, bitte folgen“ blinkte in roter Leuchtschrift im Heckfenster auf. Das Polizeifahrzeug wurde langsamer und fuhr auf den Sandstreifen.

      „Ist die rote Heckleuchte etwa ausgefallen?“ schoss es Udo durch den Kopf, „oder die Nummernschildbeleuchtung?“

      Udo schaltete die Zündung ab.

      Die Art, wie sich die beiden Polizisten dem Golf näherten, flößte Udo Angst ein.

      „Eine Verwechselung, das kann nur eine Verwechselung sein“. Udos Puls raste.

      Genauso, mit gezogener Dienstwaffe. Wie oft hatte er sich so früher Kriminellen

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