Скачать книгу

Er führte den Gesandten durch sein Büro in den abhörsicheren Raum.

      „Kaffee?“, fragte Petersen fast beiläufig.

      Der Fremde lehnte dankend ab. „Das wird nicht nötig sein.“

      „Herr Petersen“, fuhr er fort, „nicht umsonst ist auf meiner Legitimation kein Name vermerkt. Es handelt sich bei meinem Besuch um ein höchst staatliches Interesse, das eine äußerste Geheimhaltung verlangt. Ich vergattere Sie deshalb zum Schweigen.“

      Ganz wohl fühlte sich Petersen bei dieser Vergatterung nicht. Warum fuhr der Fremde nur solche Geschütze auf?

      „Selbst der Innenminister weiß nichts vom Inhalt der Weisung. Das Leben und die Gesundheit von mehreren Personen sind in Gefahr. Für Sie springt dabei die Beförderung zum Kriminaloberrat heraus, die eine Versetzung in Ihre Heimat beinhaltet. Und Sie wissen, dass das ein wesentlich besseres Einkommen bedeutet.“

      Woher wusste dieser Fremde nur von seinen inneren Wünschen? Dass ihm unheimlich zumute war, war stark untertrieben.

      „Wenn Sie sich nicht an diese Weisung halten, können sie sich ausrechnen, welche Folgen das für Sie hat. Ich denke, mehr brauche ich nicht dazu sagen. Aber ich nehme an, dass Sie auch noch morgen Dienststellenleiter sein wollen.“

      Petersen schluckte. „Was also ist Ihre Weisung?“

      Für eine derartige Beförderung würde er das scheinbar Unmögliche möglich machen. „Da ich schon in der Falle sitze, und es oberstes Gebot der Sicherheitsorgane ist, Leben zu schützen, bin ich für Ihre Weisung bereit.“

      „Die Ermittlungen gegen die Rockerbande sind einzustellen, und zwar aufgrund des Abhandenkommens von Beweismitteln. Dafür ist Ihr Kollege Kriminaloberkommissar Udo Voss wegen Vertrauensbruch und Unbrauchbarmachung von Beweismitteln zu suspendieren.“

      „Aber Voss ist einer meiner besten Männer ...“

      „Wenn Sie das nicht veranlassen, wird es Ihr Nachfolger morgen oder in den nächsten Tagen bewirken.“

      „Schon gut, schon gut. Wenn es die Situation verlangt, dann mache ich es! Selbstverständlich mache ich es“, beeilte sich Petersen zu sagen. Er wollte noch ‚aber ganz wohl ist mir nicht dabei‘ sagen, ließ es dann aber.

      „Das ist gut. Vielleicht ist es für Sie ja leichter, wenn ich Ihnen verrate, dass Kriminaloberkommissar Udo Voss in den Fokus unserer Ermittlungen geraten ist, bei dem unter anderem eine mögliche IM-Tätigkeit bei der Stasi eine Rolle spielt.“

      Dass gegen Voss in Wirklichkeit gar nicht ermittelt wurde und dass es bei der Überprüfung von Voss außer den unvermeidlichen dienstlichen Kontakten mit den Mitarbeitern des MfS nachweislich keine weiteren Kontakte gegeben hatte, verschwieg der Fremde. Da Voss aber den umfassendsten Überblick über den Rockerfall hatte und er als verantwortlicher Ermittler Konsequenzen zu tragen hatte, musste er geopfert werden.

      1. Kapitel

       Einige Jahre später, Montag, 13. September

      Als die zunehmende Mondsichel ihr unklares Licht auf die Felder links und rechts der Bundesstraße warf und Udo Voss mit den Scheinwerfern seines acht Jahre alten Golfs die Dunkelheit zwischen seinem Heimatort und der Kreisstadt durchschnitt, ahnte er noch nicht, dass sich bald sein Leben ein weiteres Mal radikal verändern würde.

      Rechts der Straße kam der letzte Regionalexpress der Bahn auf ihn zugefahren, um im letzten Moment mit leichter Neigung parallel zur Fahrbahn den Gleisen zu folgen. Schnell verschwand er aus Udos Blickfeld. Udo blickte kurz nach links und erkannte am Horizont die Lichter einer Fähre. Nicht dass er in der Dunkelheit das Meer erkennen konnte, er wusste einfach, dass man im Herbst genau an dieser Stelle bis auf die Ostsee sehen konnte. Hasso, Udos Schäferhund fiepste leise auf dem Beifahrersitz. Nur noch wenige Hundert Meter, dann musste er in der Senke gleich nach dem Ortseingangsschild links in das Gewerbegebiet einbiegen.

      An dem Tor der Fensterbaufirma stellte Udo seinen Golf ab und entnahm seiner Tasche die passenden Schlüssel. Bevor er ausstieg, leuchtete er kurz mit seiner Taschenlampe das Gelände des Anwesens ab. Auch Hasso verfolgte den Lichtstrahl.

      Alles ruhig. Udo und Hasso konnten den Rundgang beginnen. Es war still. Nur hin und wieder hörte man ein Auto von der nahen Straße vorüberrauschen. Hasso ging Seite an Seite neben Udo auf das Hauptgebäude zu. Plötzlich blieb Hasso stehen und richtete seine sensiblen Hundeohren in Richtung des Gebäudes. Halt, hier stimmte etwas nicht. Udo hockte sich neben Hasso, der mit hoch aufgestellten Ohren aufmerksam seinen Kopf leicht nach links ausrichtete. Udo streichelte Hasso anerkennend.

      „Was ist Hasso?“, fragte er. Etwas Metallenes fiel zu Boden und schepperte durch die Nacht. Udo löste die Hundeleine. „Los!“, befahl er flüsternd.

      Kaum hatte Udo das Kommando gegeben, spurtete Hasso um das Gebäude herum, blieb dann vor einer der zahlreichen Gebäudenischen stehen und gab Laut.

      Udo, der seit einem Handgemenge während einer seiner Kontrollgänge vor gut eineinhalb Jahren leicht gehbehindert war, folgte seinem aufmerksamen Begleiter so schnell er konnte.

      Dann geschah alles ganz schnell: eilige Schritte auf dem Dach. Fast gleichzeitig sprang Hasso auf, stieß jemanden zu Boden und zeigte dem Niedergestoßenen drohend seinen Fang. Wenig später hörte Udo hinter sich ein dumpfes Geräusch und kurz darauf einen lautes Wehgeschrei.

      Udo konnte sich auf Hasso, einen gut ausgebildeten, aber in die Jahre gekommenen Polizeischutzhund, verlassen. Er würde den Gestellten nicht entkommen lassen.

      „Hilfe, Hilfe!“ flehte der auf dem Boden Liegende leise und bibberte. „N-Nehmen S-Sie die Töle da weg. Die hat mich g-gebissen.“

      Udo leuchtete ihn an. „Wo hat er dich gebissen?“ Er ließ den Lichtkegel der Taschenlampe an ihm auf- und abwandern. Dabei traf der Lichtstrahl nahe der Fassade etwas längliches, Blankes. „Ich kann nichts erkennen, außer dass du auf dem Boden liegst und schlotterst. Hab’ dich nicht so mädchenhaft, das hättest du dir überlegen sollen, bevor du aufs Dach gestiegen bist. Erzähl’ mir bloß nicht, dass du hier Fenster bestellen wolltest. Dazu braucht man nämlich keine Leiter und keinen Schraubenschlüssel! Du kannst dir inzwischen schon mal überlegen, was du zu nachtschlafender Zeit im Gewerbepark zu suchen gehabt hast.“

      Udo folgerte aus der Sachlage: Die Beiden hatten es auf die erst kürzlich montierten Solarpaneele abgesehen. Er sah sich kurz um. Nichts. Verdammt, warum mache ich hier die Arbeit der Kripo! Unangenehme Erinnerungen kamen in Udo hoch. Warum hatte ihm damals nur niemand geglaubt. Niemand außer Fründt. Eine Schande!

      „Aus Hasso!“, gab Udo das Kommando.

      „Los, leg dich auf den Bauch, Hände nach hinten!“ Mit silbergrauem faserverstärkten Klebeband band er geübt die Hände auf dem Rücken des jungen Mannes zusammen. Dieses Klebeband hatte er immer dabei. Er konnte damit Schlüssel kennzeichnen, beschädigte Regenfallrohre abdichten oder eben auch, wie jetzt, Verdächtige arretieren.

      „Aufstehen!“

      Der Festgenommene hatte Mühe, ganz ohne die Hilfe der Arme aufzustehen. Udo griff in seinen Gürtel. Seine starke Hand und seine gut einhundert Kilo Gewicht musste der junge Mann erst einmal überwinden.

      „Bilde dir ja nicht ein, du könntest weglaufen. Hasso ist bestimmt schneller als du. Was er dann macht, weißt du ja nun.“

      Während die Drei in die Richtung des Schreies gingen und Udo sich über die breitbeinige Gehweise des Festgenommenen wunderte, telefonierte Udo mit der Polizei und berichtete kurz von dem Vorfall.

      „Die Kollegen sind unterwegs“, äffte Udo die Frauenstimme am anderen Ende der Leitung nach um sich gleich darauf zu beschweren: „Das letzte Mal hat das ‚Unterwegs’ eine geschlagene Stunde gedauert! Ihr solltet hoffen, dass es dieses Mal nicht so lange dauert“, sagte er laut. Doch seine Gedanken gingen weiter: Wie soll ich da die ganzen anderen Kontrollstellen noch schaffen, wenn es hier wieder solange dauerte?

      Inzwischen

Скачать книгу