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Öwwerlejunk, das war man Mann. Das mits de Friedensdante, das war das Quentchen zuviel. Wenn se nu ne Chronik schraihm wolln, Fritzchen, denn kenn se sich mits maim Mann niche schmickn.

      Da hatte ich die Erklärung, warum meine Tante so freigibig mits mir redete. Sie war ihrem Siehleken nicht so wohlgesonnen, dass sie ihm einen Märtyrer gönnte!

      Wer machtsn so was, wejen an Scherz de Existenz von seine Familie offs Spiel zu setzen!, ereiferte sich meine Tante. Mane Kinner hams ihm schwer ieweljenomm. Un se sin niche mal jejen den Staat jewesn trotz alle Benachtailijungen. Nachhert durften mane Siechlinde und mane Gudrun manichmal mits mir röwwer nach Frankreich. Na, das mits unse Raisefraihait hat sich bis zu dir rumjesprochen, Fritzchen. War vellaicht son bisschen als Widderjutmachunk vom Staate jemant, ja? Un mir ham ja aach bießn missn for man Mann san Entschluss. Mane Siechlinde, die durfte nachert niche auf Owerschule, wo se doch unbedingt wollte Viehdoktorn wern. Der Schullaiter bei uns damals hat gesaacht, das kanner nich befierworten, trotzdem se de Beste war in ihre Klasse. Un sin welche auf Owerschule jekomm, den hats jar nischt jenitzt, weil se vors Awitur abjejangn sin. Awer denn hat sich for Siechlinde ihr Lehrer von der Mansfelder Mittelschule anjesetzt, dasse denn ans Lehrerbildunksinstitut jejang is un is denn Unterstufenlehrerin jeworn. Meine Tante lachte. For de Schwaine war se nich jut jenuch, aber for de Kinner bis zur vierden Klasse! Sare du mir den Verstand dardardrin. Manichmal hat mer sich niche zwischendurch finden kenn. Hat bloß immer an anzelne Person jehangn. Der ane hat sich niche jetraut, der andere hat sich niche jeschärt, was mits ihrm Vader war. Un aach niemand darnach, saacht se. So war das. Awer wem erzähle ich das? Du waßt ja nu am besten, was jink und wies jink, ja?

      Wieder nahm sie sich eine Zeit zum Nachdenken, ehe sie weitersprach.

      So off de Waite ham man Mann un iche uns jut verstandn, sagte sie dann. Bis de Mauer kam, ham mir ane Urlaubsehe jefiehrt. Worn herrliche Tare da in Berlin. Un nu hock iche in Siehleken allane offm Hoff vonem Vader un bin ne olle Frau jeworn. Ja, so is das, Fritze. Wieder lachte meine Tante. Es war etwas ganz Unheimliches drin, als ob sie sich selbst und das Leben auslachte, als sei sie im Alter zum Ergebnis gekommen, alles sei für die Katz, aber doch sei es ein Heidenspaß gewesen und die Anstrengung wert, dahinterzukommen, dass alles für umsonst ist.

      Noch ein letztes Mal nahm die Tante den Faden auf. Wenn iche dir das alles erzähle, Fritze, so musste wissen, dass ich jetz aach alles mits kritische Augen betrachtn tu. Die jroße Fraihait, die se uns jebracht ham, manst du, es jeht anderscht zu wie frieher? Irre dir niche, Fritze. Raißt du dan Maul auf, haste immer die Foljen zu traachn. So isses. Die vorher stille worn, die sins jetz aach. Un die sich vorhert was jetraut ham, traun sich aach jetz. So welche wie dan Vader. An so sturer Hund! Sie lachte wieder in krächzenden, hexischen Altweibertönen. Mitm Kopp durch de Wand. Dan Vader hat den aus Siehleken was anjebrockt! Dafor hawich ihn schon bewundert. For uns stand ja niche die Frare, LPJe oder niche. Man Vader jink ja sowieso in Rende un iche arbaitete im Krankenhaus.

      Wieso haste Krankenschwester gelernt, wo du doch jerne Bauer worst?

      Rotkreuz im Kriech. Daher. Nachhert wollten se mir niche lassen. Willste noch heern, wie ich zu mane Arwait kam?

      Das wollte ich und erfuhr:

      Meine Tante sitzt auf dem Hof mits ihren drei Mächens, nachdem der Ernährer im Knast sich bewähren tut. Sie hilft dem Vater, hilft der Mutter. Arbeit ist übergenug. Aber Geld nicht wie gesagt wegen der Währungsreform, wo zehn Mark auf eine umgetauscht wurden. Und mein Onkel Ernst hatte sich nicht wie andere Bauern an der Not anderer bereichert. Auch leidet meine Tante nicht, dass sie ihrem Vater immer auf der Tasche liegen soll. Doch umsonst bewirbt sie sich im Krankenhaus. Zornig wird sie. Man Mann is man Mann, denkt sie. Un iche bin iche. Und da wendet sie das äußerste Mittel in diesem Staat an: Sie fährt zu Ulbricht. So und so, sagt sie in Berlin. Sippenhaft, das wor emol. Iche will mane Arwait. Iche hawwe an Recht dardardrauf. – Das haben wir nicht zu entscheiden, sagen die Herren und Damen in den Vorzimmern. Das hawwe ich mir aach schon jedacht, sagt sie. Wort iche ehmt aufn Jenossen Ulbricht, zu demm wollt iche sowieso. Sie sagt Genosse, trotzdem sie nicht berechtigt dardarzu ist. Aber Herr Ulbricht klingt zu eigenartig und ist zu der Zeit ganz aus der Mode gekommen. Und Kollege, wie man sich sonst ringsum benennt, kommt ihr zu wenig ehrerbietig vor. Genosse klingt ihr angemessen. Gute Frau, sagt einer. Juter Mann, antwortete sie. Jehm sich kane Miehe, iche sitze hier un hawwe janz viel Zait mitjebracht. Iche waß ja, Jenosse Ulbricht hat so wenich dardarvon. Er muss ja an Ohr for so viele Börjer ham und sich kimmern. Schlaue Worte sagt sie. Zu laawern, darin übten sich unse Menschen, wie damals das Volk genannt wurde. Die Laberei gehörte dazu, das Einseifen, wenn man was erreichen wollte. Man machte einen Diener, zog seinen Hut, zeigte sein grundsätzliches Einverständnis, denn die Genossen waren ja immer so unsicher, ob wir Bürger auch wollten, was sie gemäß einem Beschluss von ganz oben, vom Politbüro, für richtig zu befinden hatten. Bis zum Abend lässt man meine Tante sitzen. Den nächsten Tag kommt sie wieder. Den darauffolgenden auch. Sie beginnt zu gefallen. Man denkt vielleicht an all die Menschen, gut ausgebildete Fachkräfte vor allem, die Jungen mits einem kostenlosen Studium vom Arbeiter-und-Bauern-Staat, die der Republik massenhaft den Rücken kehren. Und hier eine junge schöne Frau, gelernte Krankenschwester sogar, die bleiben will, trotzdem ihr Mann in Bautzen war und nun im Westen ist. Will man sie in die Arme des Klassenfeindes treiben? Am dritten Tag lässt man sie zum Genossen Ulbricht vor. Sie spricht zu ihm, wie sie vorher in seinem Vorzimmer gesprochen hatte. Von dem Recht auf Arbeit, das bekanntlich alle hatten, nur ihr verwehrt man es. Und sie sagt wieder: Man Mann is man Mann, un iche bin iche. Angst hat sie nicht. Sie ist eine geborene Luther, und von dem Schrot und Korn, ob nun verwandt oder unverwandt mits dem entlaufenen Mönch. Aus Mansfeld biste?, sagte Genosse Ulbricht mits seiner sächselnden Fistelstimme, bekanntlich aus Leipzig stammend, was von Halle an der Saale, unse Bezirksstadt damals, nur 30 Kilometer entfernt liegt. Trotzdem oder gerade dardardrum können sich die beiden Städte nicht leiden. Den Hallensern ist das Leipziger Gesinge abhold wie den Leipzigern die raue Hallenser Sprache. Und Leipzig ehmt das eine Sachsen und Halle das andere, lange zu Preußen gehörend mits dem kleinen Land Anhalt um Dessau drin. Gute Leute dort, ja?, sagt Genosse Ulbricht. Das rote Mansfeld. Otto Gotsche, unser großartiger Schriftsteller, ja?, der lebt dort. »Die Fahne von Kriwoi Rog« hat er geschrieben, ja? Kennst du »Die Fahne von Kriwoi Rog«? – Die Kinner sicher, redet meine Tante sich heraus. Aus Sylken komme iche, dicht daneben. Unse Kinner fohrn zur Mittelschule nach Mansfeld. Mir zur Arwait mehr nach Aserschlehm oder Hettstedt ins Kupferwalzwerk, ja? Meine Tante schaut den Genossen Ulbricht an, ob er sie versteht. Massenhaft verwendete bekanntlich der Genosse Ulbricht sein »Ja?«. Kurz und hoch herausgestoßen nach fast jedem Satz. Ob aus einer Unsicherheit heraus, die er sich selbst nicht eingesteht, warum er immerfort Einverständnis einfordert. Aber meine Tante sagt es nur wenig. Ja?, mits Schlangenlinie. – Hettstedt, großartig, ja!, sagte Genosse Ulbricht. Mir alles bekannt, alles bekannt. Deine Sache geht in Ordnung. Und grüße die Genossen dort, ja?, sagt er, nicht bedenkend, dass meine Tante zwangsläufig wenig und nicht sehr herzlichen Umgang mits seinen Genossen hat. Der Genosse Ulbricht gibt meiner Tante die Hand. Und vielleicht denkt er sich: mehr von der Sorte könnten wir gebrauchen. Weil sie sich etwas getraut und weil sie schön ist und er ein Auge für Schönheit hat, vermute ich mal. Wie man heute weiß, war er kein Dussel. Man darf ihn nicht nach seinen Reden beurteilen, die waren ja wohl wirklich recht lächerlich, ja?

      Sin alles bloß Menschen!, sagte meine Tante und schloss ihren Bericht ab. Dardarnach hatte ich meine Arwait. Iwrijens: die CDU wähle iche niche, wies jetzt in Siehleken Mode is. Trotzdem iche frieher, als der Paschter Kratochwil noch da wor, in de Kerche bin un zun Bibelstundn. War aach wejen mane Schulfreundin, die Feli Adler, die da die Kinner in Relijon underrichtet hat, bisse nach Halberstadt versetzt wurde un for de Katecheden im Krais zuständich wor.

      Frollein Adler, kenne ich, klar, erwiderte ich. Scheenes Wiepchen. Jroß un mits so blaue Ooren. De Dochter von Doktor Adler in Alterode.

      Iche hawwe de ollen Wiepchen offjehetzt, dasse mer immer richtich wähln. Kannste ratn, welche Partai! Denen zum Dorte! Meine Tante lachte. Wieder ganz hexisch, trotzdem ihre Stimme noch jung war und in ihr schwarzes Haar hatte sie bloß einige weiße Fäden drin. Ihr feines Gesicht war mits einem Mal voller junger Lustigkeit. Un wer was jewählt hat, hawwich rausjekricht. Ich kenne mane Sylkener. Iche waß, wasse vor 45 jemacht ham un was nachhert. Un iche waß, wie se vor

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