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nahm Pechdraht, legte ihn um den Finger und machte einen Knoten.

      »Die Sache ist nicht schwer, sieh nur zu.«

      Michael sah zu, nahm ebenfalls Pechdraht und machte alles genau so wie der Schuster.

      Nun zeigte ihm Semjon, wie man die Sohle anbringt. Auch das begriff Michael sofort. Der Meister zeigte ihm alle Handgriffe, und alles begriff Michael; so ging es mit jeder Arbeit, und vom dritten Tage an arbeitete er, als wenn er sein Lebtag Schuster gewesen wäre. Er arbeitet ununterbrochen, ißt nur wenig. Fehlt es an Arbeit, so sitzt er schweigend da und schaut nach oben. Er geht nicht auf die Gasse hinaus, er spricht kein unnützes Wort, er scherzt nicht und lacht nicht. Nur einmal hatten sie ihn lächeln sehen, damals am ersten Abend, als die Frau ihm das Nachtmahl gereicht hatte.

       VI.

      Es verging ein Tag nach dem andern – eine Woche nach der andern, ein ganzes Jahr. Michael lebte bei Semjon und arbeitete, und man begann von Semjons Gesellen zu erzählen, daß niemand so saubere und so feste Stiefel nähen könne wie er. Aus der ganzen Umgebung kamen die Leute, um bei Semjon Stiefel zu bestellen, und der Wohlstand des Schusters nahm immer zu.

      Eines Tages im Winter sitzen Semjon und Michael bei der Arbeit. Da kommt eine Schlittenkutsche, von drei Pferden gezogen, mit Schellengeklingel vor das Häuschen gefahren. Sie schauen zum Fenster hinaus; der Schlitten hält gerade vor der Tür, ein junger Bursche springt vom Kutschbock und öffnet den Schlag. Aus dem Schlitten steigt ein Herr im Pelz; steigt heraus, geht auf Semjons Haus zu, schreitet die Treppe hinauf. Matrjona springt auf und öffnet die Tür weit. Der Herr bückt sich, tritt ins Zimmer und richtet sich wieder auf, so daß sein Kopf beinahe die Decke berührt. Die ganze Zimmerecke nimmt er ein.

      Semjon erhob sich, verbeugte sich und staunte den Herrn an. Noch nie hatte er einen solchen Menschen gesehen. Er selbst war mager; auch Michael war schmächtig, und Matrjona gar, die war ausgetrocknet wie ein Span. Dieser Fremde aber sah aus wie ein Mensch aus einer andern Welt: ein dickes, rotes Gesicht, ein Nacken wie ein Stier, der ganze Mann wie aus Eisen gegossen.

      Der Herr verschnaufte sich, zog den Pelz aus, setzte sich auf die Bank und sagte:

      »Wer ist der Meister Schuster?

      Semjon trat vor: »Ich, Euer Gnaden.«

      Da ruft der Herr seinem Burschen zu: »He, Fedja, bring mal die Ware herein!«

      Der Bursche eilte herbei und brachte ein Bündel. Der Herr nahm es und legte es auf den Tisch.

      »Binde es auf!« sagte er.

      Der Bursche gehorchte. Der Herr berührte mit dem Finger die Lederware und sagte zu Semjon:

      »Na hör' mal, Schuster, siehst du diese Ware?«

      »Ich sehe sie, Euer Wohlgeboren.«

      »Und verstehst du auch, was das für eine Ware ist?«

      Semjon befühlte das Leder und sagte:

      »Die Ware ist gut.«

      »Und ob sie gut ist! Du dummer Kerl hast gewiß noch nie eine solche gesehen. Deutsche Ware ist es, und fünfundzwanzig Rubel hat sie gekostet.«

      Eingeschüchtert sagte Semjon:

      »Wo soll unsereiner so was sehen!«

      »Na also, kannst du aus diesem Leder für mich Stiefel machen?«

      »Ich kann schon, Euer Gnaden.«

      Da schreit ihn der Herr an:

      »Kannst du's? Bedenke, für wen du arbeitest und aus welchem Leder! Mach' mir ein Paar Stiefel, die ein Jahr lang halten, ohne schief zu werden und ohne zu platzen. Wenn du das kannst, so mach' dich an die Arbeit, schneide das Leder zu. Kannst du es aber nicht, so laß es sein und zerschneide das Leder nicht. Ich sage dir's, wenn die Stiefel vor einem Jahr schief werden und platzen, so lasse ich dich ins Gefängnis stecken. Werden sie nicht schief und platzen sie nicht vor einem Jahr, so zahle ich dir zehn Rubel für die Arbeit.«

      Semjon wird ängstlich und weiß nicht, was er sagen soll. Er blickt zu Michael hinüber, stößt ihn mit dem Ellenbogen an und flüstert:

      »Sollen wir's annehmen?«

      Michael nickt mit dem Kopf: »Nimm's nur an.«

      Semjon gehorchte ihm und übernahm es, Stiefel zu machen, die ein Jahr lang nicht schief werden und nicht platzen.

      Der Herr rief wieder seinen Burschen herbei, hieß ihn, ihm den linken Stiefel auszuziehen, und streckte den Fuß aus.

      »Nimm mir Maß,« befahl er dem Schuster.

      Semjon nähte sich einen Papierstreifen, etwa eine halbe Elle lang, glättete ihn, kniete nieder, wischte die Hände ordentlich an seiner Schürze ab, um den Strumpf des Herrn nicht schmutzig zu machen, und begann Maß zu nehmen. Er maß erst die Sohle, dann das Blatt, dann wollte er die Wade messen, doch da reicht der Papierstreifen nicht aus. Der Fuß ist in der Wade so dick wie ein Balken.

      »Paß' auf, daß du den Stiefelschaft nicht zu eng machst.«

      Semjon näht noch ein Papier an den Streifen an. Der Herr sitzt unterdessen da, bewegt die Zehen im Strumpf und betrachtet die Leute im Zimmer. Da bemerkt er Michael.

      »Wer ist denn der da?«

      »Das ist ja mein Werkmeister, der wird auch die Stiefel nähen.«

      »Also paß' auf,« sagt der Herr zu Michael, »vergiß nicht, daß die Stiefel ein Jahr lang halten müssen.«

      Auch Semjon blickt Michael an; da sieht er, daß Michael den Herrn gar nicht anschaut, sondern den Blick in die Ecke hinter dem Herrn heftet, als wenn er dort jemand sehe. Er schaut und schaut und plötzlich – lächelt er und sein ganzes Gesicht erhellt sich.

      »Was grinst du denn, Dummkopf? Paß' lieber auf, daß die Stiefel zur Zeit fertig sind.«

      Und Michael antwortet: »Sie werden gerade zur Zeit fertig sein.«

      »Na also!«

      Der Herr zog seinen Stiefel und den Pelz wieder an, hüllte sich tüchtig ein und ging zur Tür. Er vergaß aber, sich zu bücken, und stieß mit dem Kopf an den Türbalken. Schimpfend rieb er sich den Kopf, stieg in den Schlitten und fuhr davon. Als er fort war, sagte Semjon:

      »Der ist hart wie Kieselstein. Hat mit dem Kopf fast den Balken krumm gebogen und merkt das kaum.«

      Matrjona aber spricht: »Bei solchem Leben, wie soll man da nicht kräftig sein! So einen Klotz wird auch der Tod nicht bezwingen.«

       VII.

      Und Semjon sagt zu Michael:

      »Übernommen haben wir die Arbeit, wenn's nur kein Malheur gibt. Das Leder ist teuer und der Herr böse, – wenn wir nur keinen Fehler machen. Weißt du, du hast ein schärferes Auge und auch mehr Geschicklichkeit in den Händen als ich; da hast du das Maß, schneide du das Leder zu, ich werde unterdessen an den Kappen weiter arbeiten.«

      Michael gehorchte, nahm das Leder, das der Herr gebracht hatte, breitete es auf dem Tisch aus, legte es doppelt zusammen, ergriff das Messer und begann zuzuschneiden. Matrjona kam herzu. Sie sieht, wie Michael schneidet, und wundert sich, was er da eigentlich macht. Sie kennt doch die Schusterarbeit schon, schaut hin und sieht, daß Michael das Leder nicht zu Stiefeln schneidet, sondern eher zu Pantoffeln.

      Matrjona wollte es sagen, dachte sich aber: »Wahrscheinlich habe ich nicht verstanden, was für Stiefel der Herr bestellt hat. Michael weiß es jedenfalls bester, ich werde mich nicht hineinmischen.«

      Michael schnitt das Paar zu, nahm das Ende und fing an zu nähen, aber nicht wie man Stiefel näht, mit zwei Fäden, sondern nur mit einem Faden, wie man Schuhe näht, die auf bloßem Fuß getragen werden. Wieder wunderte sich Matrjona, wollte sich aber nicht einmischen.

      Und Michael näht und näht. Die Vesperzeit kommt heran: Semjon steht auf und sieht, Michael hat aus dem Leder des Herrn statt der Stiefel –

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