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hab' ich schon, aber nicht für dich. Du hast den Verstand vertrunken, sehe ich. Gehst fort, um einen Pelz zu kaufen, und kommst ohne Rock zurück und schleppst noch gar irgend einen nackten Landstreicher mit ins Haus. Für euch Trunkenbolde hab' ich kein Nachtmahl.«

      »Still, Matrjona, was schwätzest du da für unnützes Zeug! Frag' doch zuerst, wer der Mann ist.«

      »Du aber sag', wo du das Geld gelassen hast?«

      Semjon steckte die Hand in die Tasche, zog den Dreirubelschein heraus und faltete ihn auseinander.

      »Das Geld? Da ist es; Trofimow aber hat nicht gezahlt, hat mich auf morgen vertröstet.«

      Matrjona wurde noch wütender: den Pelz also hatte er nicht gekauft, den letzten Rock irgend einem Habenichts gegeben und den Kerl mit ins Haus gebracht. Sie nahm das Geld vom Tisch, brachte es in Sicherheit und rief:

      »Ich hab' kein Nachtmahl; ich kann nicht alle nackten Trunkenbolde füttern.«

      »Ach, Matrjona, halt doch deine Zunge im Zaum! Hör' doch erst, was man dir sagt.«

      »Als wenn man von einem betrunkenen Narren etwas Gescheites zu hören bekäme! Nicht ohne Grund hab' ich dich nicht heiraten wollen, du Trunkenbold! Mütterchen hat mir Leinwand mitgegeben – du hast's vertrunken; bist gegangen, einen Pelz zu kaufen, hast dich betrunken.«

      Semjon will seiner Frau klarmachen, daß er nur zwanzig Kopeken für Schnaps ausgegeben hat. Er will ihr sagen, wo er den Fremden gefunden hat; aber Matrjona läßt ihn nicht zu Worte kommen. Sie schimpft ununterbrochen, ihre Worte überstürzen sich. Was schon vor zehn Jahren geschehen ist, tischt sie wieder auf. Sie spricht und spricht; endlich springt sie auf Semjon zu und ergreift ihn am Ärmel:

      »Gib mir meine Jacke! Es ist die einzige, die mir geblieben ist, und auch die hast du mir genommen und hast sie selbst angezogen. Gib sie her, du bunter Hund! daß dich der Schlag rühre!«

      Semjon begann die Jacke auszuziehen und drehte dabei den Ärmel um. Das Weib riß daran, daß alle Nähte krachten. Matrjona ergriff die Jacke, warf sie sich über den Kopf und rannte zur Tür. Sie wollte fort, blieb aber plötzlich stehen: ihr Herz war voller Wut; sie hätte aber doch gerne gewußt, wer der Fremde war.

       IV.

      Matrjona blieb also stehen und sprach:

      »Wenn's ein guter Mensch wäre, wär' er doch nicht nackt. Der da hat ja nicht einmal ein Hemd an! Und wenn du ein reines Gewissen hättest, würdest du doch sagen, wo du den feinen Herrn gefunden.«

      »Das sage ich dir gern: ich geh' meines Weges, da sitzt dieser Mann nackt an der Kapelle, halb erfroren. Es ist ja doch nicht Sommer. Gott hat mich zu ihm geführt, sonst wäre er umgekommen. Was tun? Es kommt viel vor in der Welt! Ich nahm ihn also, bekleidete ihn und brachte ihn her. Beruhige dich doch, Matrjona, sündige nicht, denke an die Stunde des Todes.«

      Matrjona wollte wieder losschimpfen; da fiel ihr Blick auf den Fremdling und sie verstummte. Der Fremde sitzt da, unbeweglich, so wie er sich auf den Rand der Bank niedergelassen hat. Seine Hände sind auf den Knien gefaltet, sein Kopf ist auf die Brust herabgesunken, die Augen sind geschlossen, die Brauen zusammengezogen, als bedrücke ihn etwas. – Matrjona sprach kein Wort; Semjon aber sagte:

      »Matrjona, hast du denn keinen Gott in dir?«

      Matrjona hörte das Wort, blickte noch einmal auf den Fremdling, und plötzlich wurde ihr das Herz weich. Sie entfernte sich von der Tür, ging in die Ofenecke und holte das Nachtmahl, stellte eine Schüssel auf den Tisch, goss Kwas1 hinein, brachte das letzte Stück Brot herbei und reichte Messer und Löffel.

      »Eßt!« sagte sie.

      Semjon schob den Fremdling zum Tisch.

      »Komm' näher, Bursche,« sagte er. Dabei schnitt er Brot ab, brockte es in die Schüssel, und sie begannen zu essen. Matrjona aber setzte sich an die Ecke des Tisches, stützte den Kopf in die Hände und blickte den Fremdling an. Und da erfaßte sie Mitleid mit dem Jüngling und sie gewann ihn lieb. Und plötzlich erheiterte sich das Gesicht des Fremden; er heftete seine Augen auf Matrjona und lächelte.

      Sie hatten genachtmahlt. Die Alte räumte den Tisch ab und begann den Fremden auszufragen.

      »Wo bist du wohl her?«

      »Ich bin kein Hiesiger.«

      »Wie bist du denn auf die Straße geraten?«

      »Ich kann es nicht sagen.«

      »Wer hat dich denn ausgeraubt?«

      »Mich hat Gott gestraft.«

      »Ganz nackt hast du also dagelegen?«

      »Nackt lag ich da und fror. Semjon sah mich, erbarmte sich meiner, zog seinen Rock aus, gab ihn mir und hieß mich mit ihm gehen. Hier aber hast du mir zu essen und zu trinken gegeben und hast Mitleid mit mir gehabt, und Gott wird es euch lohnen.«

      Matrjona stand auf, nahm das Hemd ihres Mannes, das sie eben geflickt hatte, und gab es dem Fremdling. Sie fand auch noch ein Paar Beinkleider und gab es ihm ebenfalls.

      »Da nimm, ich sehe ja, du hast nicht einmal ein Hemd an. Kleide dich an und leg' dich nieder, wo du willst, auf der Bank oder auf dem Ofen.«

      Der Fremdling zog den Rock aus, bekleidete sich mit dem Hemd und den Hosen und legte sich auf die Bank. Matrjona löschte das Licht, nahm den Rock und suchte die Lagerstatt auf, wo ihr Mann es sich bereits bequem gemacht hatte. Sie bedeckte sich mit dem Zipfel des Rockes, lag da und schlief nicht; der Fremde ging ihr nicht aus dem Kopf. Wenn sie daran denkt, daß er das letzte Stück Brot aufgegessen hat und daß für morgen gar nichts übrig geblieben ist, wenn sie daran denkt, daß sie ihm Hemd und Hosen geschenkt hat, so ärgert sie sich; wenn sie sich aber erinnert, wie er sie angelächelt hat, so hüpft ihr Herz vor Freude.

      Lange lag Matrjona wach da; sie merkte, daß Semjon auch nicht schlief; er zog den Rock zu sich hinüber.

      »Semjon!«

      »Ja?«

      »Das letzte Brot haben wir aufgegessen, und ich habe keinen frischen Teig angerührt. Weiß nicht, was ich morgen machen soll. Ich werde wohl bei der Gevatterin Melanie eines leihen müssen.«

      »Wenn wir leben, werden wir auch zu essen haben.«

      Das Weib lag eine Weile still und sprach kein Wort, dann begann sie wieder:

      »Scheint doch ein guter Mensch zu sein, – aber warum erzählt er nichts von sich?«

      »Wahrscheinlich kann er nicht.«

      »Semjon!«

      »Ja?«

      »Wir geben den andern, aber warum gibt uns denn niemand etwas?«

      Semjon wußte nicht, was er antworten sollte.

      »Genug des Redens!« sagte er, drehte sich um und schlief ein.

       V.

      Am andern Morgen erwacht Semjon. Die Kinder schlafen noch; die Frau ist zu den Nachbarn gegangen, um Brot zu leihen. Nur der Fremdling von gestern sitzt in den alten Hosen und im Hemd auf der Bank und schaut nach oben. Und sein Gesicht ist nicht so düster wie gestern. Da sagt Semjon:

      »Nun, mein Lieber, der Magen verlangt Brot und der nackte Körper Kleidung; man muß sich doch ernähren. Kannst du etwas arbeiten, was?«

      »Ich kann nichts.«

      Semjon wunderte sich und sprach: »Wenn du nur Lust dazu hast, der Mensch kann alles erlernen.«

      »Der Mensch arbeitet, so werde auch ich arbeiten.«

      »Wie heißt du denn?«

      »Michael.«

      »Nun, Michael, du willst mir nichts über dich sagen, das ist deine Sache; aber essen muß der Mensch. Wenn du arbeiten willst, was ich dir auftrage, so werde ich dir zu essen geben.«

      »Vergelt's

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