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Verantwortung übernommen hatte. Sophie hatte sich mit ihrer Freundin Selma getroffen, um sich bei ihr Rat zu holen für ihre Hausarbeit.

      Als erstes stach ihm die Mettwurst von Humberts Biohof ins Auge. Als Albert ihren fragenden Blick sah, versprach er die Geschichte der Mettwurst von Humberts Biohof nach dem Essen zu erzählen.

      »Hallo! Ist jemand zuhause? … Hallo Irmgard! … Albert!« Franz Roloff kam durch das hintere Gartentor.

      »Die Presse! Sieh mal an. Wenn alle Leute Feierabend haben … einer ist noch unterwegs.«

      Berendtsen hatte seinen schleppenden Gang bemerkt. Er hatte Schmerzen.

      »Was macht die Hüfte?«

      »Heute schlimm. Ich glaube, es gibt ein Gewitter. Das Wetter schlägt um.«

      Franz sagte zu einem kühlen Bier nicht nein und pflanzte sich breitbeinig auf einen Stuhl. Angst, dass der Gartenstuhl unter seinem Gewicht zerbrach, hatte Irmgard keine, denn der Koloss hatte sich schon des Öfteren zu ihnen gesetzt. Er kam zuweilen, um schon vor den Mitbewerbern einige Details zu erfahren. Der spannendste Moment war immer der Augenblick, in dem er sich die letzte Handbreite auf die Sitzfläche fallen ließ. Es hielt immer, aber man wusste ja nie … Er fummelte ein blitzsauberes, frisch gebügeltes Taschentuch aus der Hose, schlug es einmal aus und wischte sich die Stirn. Er faltete es sorgfältig wieder zusammen und ließ es in seinem Ärmel verschwinden. Dann nahm er das Glas in seine wuchtige Pranke, auf die ein kräftiger Schmied hätte stolz sein können, und leerte das Glas mit einem einzigen Schluck. Irmgard war wie immer verwundert, wie so ein Bierglas zwischen seinen Fingern verschwand. Sie entschuldigte sich kurz und ging ins Haus.

      Franz brauchte gar nicht zu fragen.

      »Viel haben wir nicht, Franz. Der Mann, nicht von Dorsten oder hier aus der Ecke, ist am Montag in aller Frühe, Anhaltspunkt ist sieben Uhr fünfzehn, erschossen worden. Direkt von unten in die Brust, als er sich über die Leiter gebeugt hat. Durch die Wucht des Kalibers wurde er in die Kanzel zurückgeworfen. Er hat drei Tage dort gelegen, bis man ihn gefunden hat.«

      »Otte der Große und Karl-Heinz Hillebrandt aus Sythen. Stimmt’s?«

      »Von mir hast du die Namen nicht. Wir stehen am Anfang der Ermittlungen. Was stellst du dir vor, was ich noch sagen könnte?«

      »Alles gut. Wenn ich die Tatzeit schon habe … Viel hat man bereits am Tatort erfahren. Hillebrandt hat auch häufig für unsere Zeitung gearbeitet. Wusstest du das?«

      »Ich weiß, dass er für das Journal inVESTigator gearbeitet hat.«

      »Es erscheint einmal in der Woche am Freitag. Für uns hat er im Tagesgeschäft gearbeitet. Alle möglichen Themen. Parkplätze, Neubaugebiete, aber vor allem Umwelt. Sein Steckenpferd waren Alleen, Parks und auch verschmutzte Kinderspielplätze.«

      »Hat er an einem bestimmten Artikel gearbeitet? Besondere Recherche?«

      »Umwelt, vermute ich. Er hat sich vor vier Wochen bei mir nach einem Artikel über einen Entsorgungsbetrieb in Gladbeck erkundigt, über den wir vor vier Jahren einen Artikel gebracht haben. Das hat mich ein wenig erstaunt, denn Hillmann hat zuerst darüber berichtet.«

      »Wer ist Hillmann?«

      »Hillmann-Press GmbH ist der Verleger des inVESTigator, einer Wochenzeitung mit Skandalreport.«

      »Was ist damals passiert?«

      »Die Firma stand im Verdacht, Abfälle nicht sachgerecht entsorgt zu haben. Es sollte ein ehemaliges Industriegelände als Bauland ausgewiesen werden. Gleich bei den ersten Bodenanalysen wurden verschiedene Schwermetalle gefunden. Kein Wunder. Es bestand nicht nur eine kleine Raffinerie, die Grundstoffe für ein dort ehemals ansässiges Arzneimittelwerk herstellte, sondern auch eine Uhrenfabrik. Prompt wurde Zyankali gefunden. Früher hat man Goldschmiedearbeiten mit Zyankali zum Glänzen gebracht. Die Erde musste bis auf zwei Meter Tiefe abgetragen und chemisch aufgearbeitet werden. Diese Firma aus Gladbeck – an den Namen kann ich mich momentan nicht erinnern. Sie wurde vor zwei Jahren abgewickelt - hat den größten Teil entsorgt, aber es gab Anhaltspunkte, dass ein Teil davon unter die Fahrbahndecke der im Bau befindlichen A 31 verbracht wurde. An den Arbeiten war diese Firma ebenfalls teilweise beteiligt. Hinweise gab es von der Firma, die das Recycling übernehmen solle. Es bestand eine Unstimmigkeit zwischen den abgetragenen und den bei dieser Firma abgerechneten Kubikmetern. Die Gladbecker begründeten die Differenz mit Fehlern in ihrer Rechnungsstellung. Dieser Fehler sei laut Angaben des Inhabers wohl häufiger unbemerkt geblieben, was einer der Gründe für die Insolvenz gewesen sei. Weil die Autobahn fertiggestellt worden war und der Verdacht sich nicht durch andere Hinweise erhärtete, wie die Vernehmung der Fahrer und Auswertung der Tachoscheiben, wurde das Verfahren nach einiger Zeit eingestellt. Was Hillebrandt genau darüber wissen wollte, hat er mir nicht verraten. Ich vermute, er ging ihm um den Namen der Nachfolger. Es ist die MARKAN Recycling. Er ist auf eine Spur gestoßen, die ihm keine Ruhe ließ, aber noch nicht reif für einen Artikel war. Ihr solltet sein Haus durchsuchen. Es müssen Aufzeichnungen existieren, weil er schon mehrere Wochen mit den Recherchen beschäftigt war. Habt ihr sein Handy?«

      »Handy lag in seiner Jagdtasche. Keine Aufzeichnungen, keine besonderen Telefonnummern, keine Bilder, Anrufliste … nichts Außergewöhnliches. Vielleicht hat er wieder einen Wilderer aufgespürt. Vor zwei Jahren hat er einen gestellt, der auch verurteilt worden ist. Darüber hast du sicher etwas im Archiv.«

      »Danke Albert. Ein guter Tipp.«

      »Hat Hillebrandt den Umweltbericht über diesen Verdacht geschrieben?«

      »Nein, das war kein investigativer Artikel. Wir haben lediglich über die Ermittlungsarbeit der Polizei und das anschließende Verfahren berichtet. Hillebrandt hatte nichts damit zu tun. Sonst hätte er mich nicht fragen müssen.«

      »Leuchtet ein.«

      Irmgard erschien mit neuem Bier. Für Franz hatte sie einen Seidel dabei. Er trank gerne Bier aus einem Seidel. Er goss sich selbst ein, den Zeigefinger auf dem Rand des Seidels, den Flaschenhals darauf gestützt. So konnte er sich beim Eingießen im Garten umsehen, ohne Gefahr zu laufen, etwas zu verschütten. Den ersten Schluck nahm er schon ehe er die Flasche abstellte.

      »Hast du frisch gemäht? Riecht gut. Überhaupt … hast alles schön in Ordnung. Wie geht es sonst?«

      »Wir sind gesund und munter. Sag mal, was glaubst du, wann die Marler Straße wieder befahrbar ist. Es ist nervig, immer über die Abfahrt Hassel zu fahren.«

      »Bis Ende des Monats soll alles fertig sein. Die Baustelle geht bis Haltern. Und neuerdings blitzen sie dort ganz kräftig. Nimm dich in Acht!«

      Die Redaktion rief an. Franz bedankte sich für das Bier und machte sich mit den neuesten Informationen auf den Weg.

      »Was ist das für ein neuer Fall, Albert? Hängt er mit der Mettwurst zusammen?« Sie musste laut lachen und steckte ihren Mann an. Albert musste von seiner neuen Untersuchung erzählen. Das Schlimmste ließ er weg. Irmgard konnte auch nicht großartig nachfragen, denn zunächst kam Sophie zurück und berichtete über einen Fall, den sie für das Jurastudium auszuarbeiten hatte. Sie war den Tränen nahe, weil sie schon drei Tage darüber nachgedacht hatte und zu keinem schlüssigen Konzept gekommen war. Sie hatte Probleme, sich für eine Ansicht des Falles zu entscheiden. Schließlich konnten die Eltern sie soweit beruhigen, dass sie die Pläne zur Aufgabe des Jurastudiums verschob. Papa versprach, sich im Präsidium nach Lösungsansätzen zu erkundigen. Max kam vom Friedhof. Er hatte augenscheinlich die Großmutter mit den Händen eingegraben, war erschöpft und ging duschen. Fleißig waren die Kinder. Albert war stolz auf sie und genoss es, wenn sie am Abend zusammen den Tag ausklingen ließen.

      In der Ferne grollte der Donner. Die Hüfte hatte recht.

      Kapitel 5.

      Als Berendtsen sich am nächsten Morgen um acht Uhr bei Uschi anmeldete, lehnte Hallstein bereits mit einer Tasse Kaffee in der Hand rückwärts an der Fensterbank und wischte mit dem Daumen der linken Hand über die Bilder in seinem Smartphone.

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