Скачать книгу

      »Das ist genau das, was mein Nachbar angesprochen hatte. Ich denke, Oliver, wir sollten dem Verlag einen Besuch abstatten.«

      Hallstein überflog die Zeilen. »Sollten wir!«

      Das Industriegebiet, in dem sich das Verlagshaus befand, hatten die Kommissare nach kurzer Zeit erreicht. Jedoch gestaltete sich die Suche nach dem Gebäude länger als erwartet. Berendtsen nervten diese Gebiete. Dreimal hatte sie den Ring durchfahren müssen, bis sie ein kleines Hinweisschild auf ein unauffälliges zweieinhalbstöckiges Wohnhaus fanden, in dem sich im Untergeschoss die Druckerei und darüber die Räume der Detektei befanden. Hillmann wohnte mit seiner Lebensgefährtin oben in der Mansarde. Von den drei Klingelknöpfen PIVAT, BÜRO, DRUCKEREI wählte Hallstein BÜRO. Die Tür summte und ein Wegweiser führte sie zum Büro. Bereits auf dem Flur empfing sie eine junge Frau. Schlecht sah sie nicht aus, aber leichte Probleme mit ihrem BMI hatte sie. Vielleicht nur, weil sie an ihrer Größe nichts ändern konnte. Sie war höchstens …, wenn nicht weniger als ein Meter fünfundfünfzig. Hallstein wollte sich bei der Größe nicht festlegen. Sie trug eine Baseballkappe mit einem Logo. Es zeigte einen flammenden Basketball und die Aufschrift »Miami Heat«. Die Kappe reichte aus, ihr Haar größtenteils zu verdecken. Sie schienen frisch gewaschen, aber nicht in Form gebracht. »Luftgetrocknet« entschied Hallstein und ging davon aus, dass die gefärbten Streifen in ihrem dichten braunen Haar, das unter der Mütze hervorlugte, nicht so krass geplant waren. Teils erschienen sie hellrot bis violett, grün bis gelb. Andere Strähnen schienen verblasst. »Vielleicht hatte sich ihre Friseurin den Arm gebrochen«, erinnerte er sich an einen Sketch des Kabarettisten Hans-Dieter Hüsch. Ein Profi mit Konzept hätte sie sicher dezenter ausfallen lassen. Die Frisur passte gar nicht zu dieser dezent geschminkten Dame mit auffällig glattem Teint, die in einem eng sitzenden braunen Jeans-Rock mit weißem T-Shirt nicht sogleich als Sekretärin zu erkennen war. Beine aus dem Bilderbuch mit wohlgeformten Waden und schlanken Fesseln lenkten Hallsteins Blick direkt zu den schwarzen High Heel Pumps.

      »Guten Tag meine Herren. Mein Name ist Evelyn Schön.«

      Berendtsen stellte sich vor und wies sich aus. »Mein Kollege, Oliver Hallstein«. Sie gab den Weg frei. Das Büro war klein. Wegen der vielen Schränke und Ablagen, die alle voll Papier und Ordner standen, ging es eng zu. Geradezu auffallend war, wie exakt alles mit gedruckten Etiketten beschriftet war. Der Schreibtisch war aufgeräumt. Neben den Akten, die augenscheinlich in Arbeit waren, und den letzten Ausgaben des inVESTigator zierte lediglich eine ausrangierte Steinguttasse mit Stiften und einem Lineal die Tischplatte. Sie ließ sich auf einem eleganten und komfortablen Bürosessel nieder, auf dessen Lehne ein buntes Kopftuch abgelegt war. Ihre Handbewegung deutete auf einen einfachen Küchenstuhl vor der Heizungsverkleidung. Sie stützte die Ellenbogen auf den Tisch und faltete ihre Hände. Berendtsen nahm Platz. Hallstein lehnte sich an die Fensterbank. Er interessierte sich für die goldene Aufschrift auf dem Shirt. »Miami South Beach«, bemerkte er. »Waren Sie einmal dort?«

      »Im März in Miami und im Jahr davor auf Fort Myers Beach. It was great!«, jubelte sie leicht errötend, »einfach großartig!« Sie verstaute die restlichen Haare so gut es ging unter der Mütze.

      »Die Mütze?«, fragte er, »auch von dort? Sieht nach Basketball aus.«

      »Ist es auch. Die Miami-Heat spielen in der NBA, der ersten Liga! Ich habe ein Spiel besucht. Dabei hat mir ein Officer diese Kappe geschenkt, gewissermaßen als Entschuldigung. Dieser massive Koloss quälte sich direkt vor mir durch die Reihe, so dass ich den Ball nicht kommen sehen konnte. Er hat sich geduckt, ich habe den Ball abgefangen. Es ist nichts passiert, aber ich habe den Aufprall am Kopf deutlich gespürt. Er war so heftig, dass er mich in den Sitz zurückgeworfen hat. Wir haben herzlich gelacht. Er wollte mich auf einen Drink einladen. Als ich abgelehnt habe, hat er mir die Kappe geschenkt. Ausgesprochen nett, oder? Ich werde es nie vergessen.« Ihre Augen glänzten. Die Situation war gerettet. Sie rollte mit elegantem Schwung auf dem Sessel den Schrank entlang und zeigte ein Foto, auf dem sie braun gebrannt mit ihrem Freund auf einem Wave-Runner zu sehen war. »Das war im vorigen Jahr in Fort Myers.« Sie stellte das Bild zurück und nahm ihre Ausgangsposition wieder ein.

      »Sie haben sicher einen Grund, der sie zu Hillmann-Press GmbH führt?«

      Berendtsen musste an seine Frau denken, die als Lehrerin ebenfalls keine W-Fragen stellte.

      »Wir kommen wegen Herrn Karl-Heinz Hillebrandt.«

      Frau Schön war bereits durch dessen Frau über die Umstände seines Ablebens informiert.

      »Wir benötigen einige Informationen zu seinem Umfeld«, ergänzte Hallstein.

      »Privates weiß ich nicht viel über ihn. Bestimmt nicht mehr, als sie ohnehin schon wissen. Was die Zusammenarbeit betrifft … problemlos. Er lieferte. Beständig. Es hat uns – Herrn Hillmann und mich – immer gewundert, woher er seine Verdachtsmomente bezog, die ihn seine Recherchen starten ließen. Mir fällt das Beispiel ein, bei dem er die Beschaffung für eine Klärschlammpumpe in Lembeck untersucht hatte, die nicht ausgeschrieben worden war, obwohl sie bei einer Investition von diesem Volumen verpflichtend vorgeschrieben ist. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass der Ehegatte einer Cousine desjenigen städtischen Angestellten die Installation vorgenommen hatte, der im Auftrag der Stadt Dorsten die Order vergeben hatte. Über den Betrug beim Anbau der Schule in Henrichenburg wissen Sie sicher Bescheid.«

      »Die Wärmedämmung hat mit der Auftragsvergabe nicht zusammengepasst«, antwortete Berendtsen. »Ich habe es aus der Zeitung. Sie sind noch damit beschäftigt, soweit ich weiß.«

      »Die Firma wird dadurch wohl in die Insolvenz gehen. Sie wollten sparen. Jetzt kostet es richtig Geld.« Frau Schön blätterte in der vorletzten Ausgabe des inVESTigator und drehte die Zeitschrift zu den Kommissaren. Mit ihrem Kugelschreiber zeigte sie auf den Artikel. »Hier ist der Bericht. Ohne unseren Freund wäre dieser Betrug niemals aufgefallen. In der aktuellen Ausgabe berichtete er über die laschen Kontrollen. Diese waren der Firma stets angekündigt worden, so dass sie bei den Kontrollen die richtigen Dämmplatten verbauten.«

      Hallstein machte sich Notizen.

      »Karl-Heinz hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Grubenauffüllung in Gahlen nicht als Müllkippe missbraucht wurde. Dann hätten sie diesen Teil der Schwarzen Heide nicht als Wasserschutzgebiet ausweisen können. Trinkwasserentnahme wäre nicht möglich gewesen.«

      Berendtsen wurde hellhörig.

      »Das ist nicht weiter an die Öffentlichkeit gelangt. Die Sandgruben zwischen Kirchhellen und Gahlen waren entstanden, als das Kalksandsteinwerk noch in Betrieb war. Es gab dabei die Auflage, das Gebiet nach der Ausbeutung wieder zu Heide- und Ackerland umzugestalten. Dabei wurde Karl-Heinz darauf aufmerksam, dass ein Müllwagen dort seine Ladung abgekippt hat, die direkt von zwei anderen Lastwagen mit Erde zugeschüttet wurde, die von einer Aushebung für einen Supermarkt stammten. Zuletzt wurde Mutterboden darüber planiert. Es sah nach wunderbar fruchtbarem Boden aus. War es auch, aber der Müll hätte nicht darunter sein dürfen. Er hat es früh genug erkannt, so dass nicht weiter passiert ist. Die Firma musste den ganzen Boden wieder ausheben und hat zusätzlich noch eine saftige Strafe wegen des Umweltdeliktes auferlegt bekommen.«

      Sie schob ein neues Blatt über den Tisch.

      »Hier ist die neuste Story: ›Wilddiebe im Hervester Bruch(?)‹. Er hat das Fragezeichen in Klammern gesetzt. Das tat er öfter, wenn er die Geschichte spannend machen wollte.«

      Die Kommissare überflogen gleichzeitig die Reportage. Hallsteinblickte über Berendtsens Schulter. Es gab nichts Konkretes zu berichten. Es wurden nur die vom Jagdbesitzer vermissten Tiere aufgeführt. Laut Frau Schön ging ihr Kollege immer nach diesem Schema vor. Zuerst der Verdacht, in der nächsten Ausgabe die Konkretisierung, dann die Beweise. So konnte er ein kleines Thema über mindestens drei bis vier Ausgaben hinziehen. Zuletzt berichtet er über den allfälligen Prozess, wenn es so weit kam.

      Berendtsen wollte gerne Hillebrandts Büro sehen. Frau Schön führte sie quer durch eine große Halle, in der die Druckmaschinen auf vollen Touren mit entsprechendem Lärm liefen. Berendtsen war erstaunt über diese Halle. Er hatte diesen Anbau von vorne gar nicht bemerkt. Schließlich betraten

Скачать книгу