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Muss schlimm gewesen sein für ihn.«

      »Nein. Die Waffen hatte er mit auf der Jagd. Er konnte sie nur nicht einschließen. Sie haben während der Zeit hier oben hinter dieser Tür gestanden. Es war ihm nicht recht, aber was sollte er machen?«

      »Dürfen wir Ihnen unsere Kollegen schicken, die einen geschulteren Blick für versteckte Informationen haben und den Computer untersuchen, eventuell mitnehmen?«

      Sie stimmte zu.

      Berendtsen zog sein Handy aus der Hosentasche und informierte Willi bei der Spurensicherung.

      »Haben Sie einen Tresor?«

      Frau Hillebrandt öffnete einen Wandschrank und tippte den Code ein. Außer einigen hundert Euro fanden sie nur eine Dokumentenmappe und eine Schmuckschatulle mit einem Paar goldener Manschettenknöpfe und zwei teure Armbanduhren. Ein ledernes, mit blauem Samt ausgeschlagenes Etui, das er laut Auskunft der Frau von seinem Vater übernommen hatte, enthielt zwölf Goldmünzen verschiedener Prägung.

      An der Haustür bedauerten die Kommissare nochmals ihren unangenehmen Besuch und händigten ihr die Visitenkarten mit dem Hinweis aus, dass sich ein weiterer Besuch wohl nicht vermeiden ließe.

      Hallstein dachte an alles. »Frau Hillebrandt, wo waren Sie am Montagmorgen? Nur für die Akten«, ergänzte er sofort. Sie war bei ihren Eltern in Lavesum gewesen. Gegen zehn Uhr hatte sie den Tierarzt besucht.

      »Frau Hillebrandt, wo können wir Sie erreichen?«

      Sie verschwand kurz im Haus und kam mit einer Visitenkarte zurück.

      »Hier finden sie alle Angaben.«

      Hallstein las den Namen, Telefon, Mobilfunk und Emailadresse.

      »Sie haben zuletzt den Landcruiser gefahren. Dürfen wir zum Abgleich ihre Fingerabdrücke nehmen?«

      Als sie zögerte, erklärte Hallstein das Vorgehen. »Sie brauchen sich keine Sorgen um schwarze Finger zu machen. Die Zeiten sind vorbei. Das geht heute anders.« Er startete eine App auf seinem Smartphone und zeigte ihr die Auflagefläche. »Einfach hier auflegen. Das geschieht mehrmals. Das Ergebnis bekommen wir sogleich hier oben angezeigt und wissen bei einer grünen Umrandung sofort, ob es den Anforderungen unserer Spurensicherung genügt.« Er wischte mit einem speziellen Tuch über das Display und drückte die Kuppe ihres Daumens auf sein Smartphone. Die App zeigte die Hälfte der Abdrücke an. Die Umrandung der Auflagefläche erschien rot und verlangte eine zweite, dann eine dritte und vierte Auflage. Dann zeigte sie grün. Bei den Fingern genügten drei Abdrücke. Die Prozedur war schnell erledigt. Er beschriftete die Abdrücke von eins bis zehn, fügte ihren Namen hinzu und drückte auf »Senden«. Ein kurzer Quittungston und ein grüner Kreis mit Häkchen und der Meldung: »Datenübertragung erfolgreich abgeschlossen« bestätigten die Übermittlung an die Spurensicherung. Frau Hillebrandt sah Hallstein erstaunt an.

      »Wie versprochen, ganz einfach, Frau Hillebrandt. Jetzt würde ich Ihnen noch gerne eine Speichelprobe abnehmen, wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben.« Sein Stäbchen in dem Plastikröhrchen hatte er schon aus seiner Jackentasche gezogen. »Ich habe noch eine letzte Frage: Wäre es Ihnen möglich, Ihren Mann in den nächsten Tagen zu identifizieren? Ich muss Ihnen gleich sagen, es ist kein schöner Anblick.«

      »Ich lasse von mir hören. Muss ich mich vorher anmelden?«

      »Sie können kommen, wann Sie wollen. Melden Sie sich im Präsidium. Frau Brüggemann wird Ihnen weiterhelfen.«

      Die Kommissare legten die wenigen Meter zum Notar zu Fuß zurück. Laut seiner Auskunft hatte Hillebrandt das Testament zu Anfang des Jahres – er sah in seinem Kalender nach – am zweiundzwanzigsten Januar geändert, aber vor drei Wochen hatte er ihm in dieser Angelegenheit einen neuerlichen Besuch abgestattet mit der Bitte, das neue, letzte Testament zu vernichten und das alte wieder in Kraft zu setzen. Es war die Version, die mit seiner Frau zusammen vor Jahren aufgesetzt hatte. Er bot den Kommissaren an, die Akte mit der zugehörigen Unterschrift aus dem Archiv kommen zu lassen.

      »Das Testament selbst dürfen Sie nur mit richterlichem Beschluss einsehen«, erklärte er den Beamten unmissverständlich.

      Berendtsen verzichtete auf diesen Aufwand. Das Wort des Notars reichte ihm.

      Auf der Straße in Richtung Marl wies Berendtsen seinen Kollegen auf einen Wegweiser hin: »Hier geht es zum Stausee, Oliver. War das wohl ein interessanter Fall im letzten Jahr?«

      Hallstein nickte kurz und konzentrierte sich auf den Verkehr.

      Kapitel 4.

      Frau Brüggemann passte ihn an der Pforte ab und verwies ihn sogleich in die Pathologie. Frau Rother hatte bis spät in den Abend ihr Bestes gegeben und gleich heute fortgesetzt. Sie konnte schon einen ersten vorläufigen Bericht abliefern.

      »Der Tod muss am Montag, den neunzehnten, in der Frühe eingetreten sein. Genauer mag ich mich nicht festlegen. Wissen Sie, Herr Berendtsen, in dieser Situation kann man den Zeitpunkt nur noch anhand der Larvenstadien von Maden und anderen Viechern feststellen, weil …« Weiter kam sie nicht.

      »So genau will ich das gar nicht wissen. Mir wird gleich wieder schlecht, wenn ich daran denke, wie er auf dem Ansitz lag. Lassen Sie es gut sein, Frau Rother.« Einige Gummibärchen wanderten aus der Tasche Richtung Mund.

      »Die Nachbarn haben einen Schuss gehört, aber niemand hat auf die Uhr geschaut, weil dort immer wieder morgens in der Früh geschossen wird. Nach den Aussagen dieser Anwohner war es nicht vor sechs Uhr, als die ersten beim Frühstück saßen. Einer sprach von sieben Uhr fünfzehn, weil er sich auf den Weg zur Arbeit machen wollte und gerade dabei war, die Zahlenkombination für sein Garagentor einzugeben. Ihm war aufgefallen, dass es nur ein einziger Schuss war. ›Blattschuss‹, hat er gedacht. Sonst fallen oft zwei Schüsse. Der Tathergang war folgendermaßen: Die Kugel ist direkt in den Oberkörper eingedrungen, hat Brustbein und Wirbelsäule zerschmettert, ist zwischen den Schulterblättern wieder ausgetreten und im Dach des Ansitzes gefunden worden. Er muss also leicht nach vorne gebeugt oben an der Treppe gestanden haben, wie die erste Einschätzung schon vermuten ließ. Er war sofort tot. Das Kaliber ist eine 7x64, die aus einer Jagdwaffe abgefeuert worden ist. Um welche Tatwaffe es sich handelt, kann ich nicht sagen. Diese Patrone kann aus fast allen Gewehren abgefeuert werden. Ich mache mich mal schlau«, versprach Frau Rother.

      »Irgendetwas Auffälliges?« Berendtsen warf sich vorsichtshalber mehrere Bärchen ein.

      »Es ist selbstverständlich sehr schwer, an diesem Körper noch etwas festzustellen. Ein paar kleine Schrammen … bei einem Jäger nichts Ungewöhnliches. Eine alte Blinddarmnarbe. Gefrühstückt hatte er nicht. Eine Thermoskanne mit Kaffee hatte er bei sich, aber die war noch ganz voll. Sie steht bei Schmidt. Ja – und dieses hier sind ehemalige blaue Flecken. Sie sind höchstens einen Tag vor seinem Ableben entstanden. Wenn ich eine Vermutung aussprechen soll … Er wurde geschlagen oder gestoßen. Jedenfalls ist er auf den Rücken gefallen und hat sich den Kopf gestoßen. Soll ich ihn umdrehen?«

      Berendtsen hielt das nicht für nötig. Ihm war überhaupt nicht nach einer intensiven Beschau. Er war froh, als er sich auf den Weg zu seinem Freund Willi Schmidt bei der Spurensicherung machen konnte.

      Sie begrüßten sich mit flüchtigem Handschlag. »Es ist sehr schwer, etwas herauszufiltern, Albert. Kannst du dir vorstellen. Drei Tage im Freien, Sonne, am Montagabend ein Gewitter, Insekten, Larven, Würmer … Seine Büchse war geladen, aber nicht entsichert. Sie lag auf der Sitzbank. Er hatte sie wohl an die Seite gelegt, als er nachsehen wollte, wer ihn auf dem Ansitz besuchen kommt. Zwölf Patronen hatte er in der Jagdtasche. Sechs Stück Kaliber .223 Remington. Damit geht der Jäger auf Raubwild, sprich Füchse. Sechs 7 x 64, also Universalmunition für den ganzen Rest.«

      »Büchse? Was ist das genau?«

      »Eine Büchse, in diesem Fall eine Repetierbüchse, ist, einfach ausgedrückt, ein Gewehr, mit dem Kugeln verschossen werden. Im Gegensatz zur Flinte, die mit Schrot beladen wird.«

      ».223 Remington hatte er bei sich.

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