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meine Herren. Was kann ich tun?«

      Berendtsen nickte Hallstein auffordernd zu.

      »Herr Dr. Brinkhoff, bereits gestern habe ich Sie nach der Treibjagd am Forggensee befragt.« Hallstein ließ die Worte einige Sekunden wirken. Sie wirkten, wie er an den Augenbrauen seines Gegenübers feststellen konnte. »Wir haben Anlass zu der Vermutung, dass Sie nicht so unwissend sind, wie Sie uns mitgeteilt haben. Wir gehen davon aus, dass Sie uns nun wahrheitsgemäß Auskunft geben. Wir müssten sonst … Aber das ist eine andere Sache.«

      Berendtsen biss sich leicht auf die Oberlippe. Dadurch wirkten seine Gesichtszüge deutlich strenger. Er hatte es oft ausprobiert. Wieder nützte es.

      »Als Sie mich gestern fragten, Herr Hallstein, habe ich wahrheitsgemäß geantwortet, aber ich will nicht herumreden … Ich habe gestern Abend hier zuhause noch einmal darüber nachgedacht. Es könnte sein, dass Karl-Heinz sich nach zwei Tagen etwas anders benommen hat als normal. Am dritten Tag - wir gingen auf Hasen - war er nicht mit auf der Jagd. Und noch jemand fehlte. Sie hatten, wie wir übrigen feststellten, eine Wanderung um den See unternommen und wir trafen sie auf der Terrasse eines Cafés. Sie trafen sich mehrmals. Wir anderen haben ein wenig über sie gelästert, muss ich sagen, nicht wahr.«

      Berendtsen nickte auffordernd.

      »Der Name interessiert Sie, nicht äh, nicht wahr?« Er war leicht verlegen wie ein ertappter Schüler.

      Hallstein zückte sein Notizbuch, zog den Bleistift aus der seitlichen Halterung. »Und?«

      »Nun, wenn ich mich recht erinnere ist es … nun, sein Name ist Josef Brandner. Er ist – unter Vorbehalt – Regierungsrat in Münster und wohnt auch dort. In Wolbeck, genauer gesagt.«

      »Herr Dr. Brinkhoff, was wissen Sie noch über den Mann?«

      »Was könnte ich schon wissen? Ich habe nur zweimal mit ihm gesprochen. Ein netter sympathischer junger Kerl von rund fünfunddreißig Jahren. Sportler durch und durch. Er hat keine eigene Jagd, war aufgrund einer Einladung dabei.«

      »Weiter! Wer hat ihn eingeladen?«

      »Es war ein Spediteur aus Gladbeck, wie ich mitbekommen habe. Den Namen weiß ich nicht. Tut mir leid. Wir mussten uns am Anfang des Treffens alle kurz vorstellen, aber bei dreißig Leuten …«

      »Das hilft uns ordentlich weiter«, bestätigte Hallstein, klappte sein Notizbuch zu und erwartete, dass sein Chef sich erhob.

      »Dann haben wir für heute keine Fragen mehr, Herr Dr. Brinkhoff«, bedankte sich Berendtsen. »Halten Sie sich zu unserer Verfügung.« Er trank sein Glas aus und wandte sich zum Gehen. Auf dem Weg durch den Flur fragte er: »Spielen Sie Klavier?«

      »Wenig. Durfte mich zwei Jahre mit der Violine herumschlagen und danach habe ich fünf Jahre Klavierunterricht genossen. Mehr oder weniger gegen meinen Willen. Mein Vater unterrichtete an der Musikschule, nicht wahr. Etwas ist dennoch hängengeblieben. Wenn Sie auf den Flügel anspielen … es ist ein Bechstein und fest in der Hand meiner Frau. Sie spielt jeden Tag. Sie hat früher Konzerte gegeben. Hin und wieder spielt sie noch auf städtischen Veranstaltungen oder bei Schulaufführungen wie Abitur. Haben sie einmal eines ihrer Konzerte besucht? Sie würde Ihnen bestimmt eine Probe ihres Könnens darbieten, aber sie ist zum Einkaufen.«

      Brinkhoff öffnete voller Stolz den Klavierdeckel über den Tasten, dann öffnete er den Korpus. Berendtsen betrachtete den Stimmblock und die sauber angeordneten Saiten mit Bewunderung.

      »Wenn Sie ihn testen möchten? Bitte! Spielen Sie, Herr Kommissar?« Er entfernte sie Samtauflage über der Klaviatur.

      Berendtsen klimperte bekannte vier Takte.

      »Die ersten vier Takte von Beethovens Bagatelle Nr. 25, nicht wahr? Auch bekannt unter ›Für Elise‹. Können Sie spielen? Bitte versuchen Sie es.«

      Zu aller Verblüffung rückte sich Berendtsen die Bank zurecht, stellte die Höhe ein und begann mit einem Tusch.

      Das Stück war bekannt. Brinkhoff und Hallstein stampften im Rhythmus mit den Füßen und klatschten entsprechend mit den Händen zu ›Alte Kameraden‹. Er spielte noch das Trio und verzichtete auf die Wiederholung.

      »Großartig! Ich muss sagen … groß-ar-tig!« Brinkhoff gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Auch Hallstein gestand seine absolute Bewunderung ein. Er war baff, dass sein Chef nicht nur spielen konnte, sondern in diesem Format. »Sauber!«, sagt er begeistert.

      »Da fällt mir noch eine Frage ein: Sie waren am Mittwoch mit Hillebrand verabredet, nicht vorher?«

      »Karl-Heinz wollte sich schon am Montag mit mir treffen, aber da konnte ich leider nicht. Ich wollte mit meiner Frau einen kleinen Ausflug machen. Wir haben den Termin verschoben. Am Sonntag hat er mich dann angerufen und wir haben uns für Mittwoch verabredet.«

      »Es war eine klasse Vorstellung, Albert. Du hast es drauf. Alle Achtung!«, kam er auf dem Weg zum Wagen noch einmal auf das Spielen zurück. Er hielt dem »Solisten« wieder die Wagentür auf und verbeugte sich mit übertriebener galanter Geste.

      »Auf alle Fälle bin ich froh«, begann Berendtsen im Auto, »dass wir ein Klavierkonzert der Gattin des Oberstudiendirektors a. D. haben vermeiden können. Gib Gas, Oliver, sonst ist sie noch zurück, ehe wir weg sind.«

      Sie lachten.

      »Mein Nachbar ist Redakteur bei der Ruhrzeitung. Er erzählte mir beiläufig, dass Hillebrandt sich bei ihm nach alten Artikeln über einen Umweltskandal in Gladbeck erkundigt hatte. Vielleicht sollten wir dort mal nachhaken. Würde nach einem Motiv aussehen. Bei Umweltdelikten geht es immer um eine Menge Geld.«

      »Auch Streit. Daran scheitert ein Unternehmen häufig.« Hallstein bog in die Dülmener Straße ein.

      Berendtsens Handy klingelte.

      »Hallo Uschi, was gibt’s?«

      »Die Kontodaten Hillebrandts sind eingetroffen.«

      »Wir sind unterwegs. Danke für den Anruf und eins noch: Wir suchen einen Spediteur aus Gladbeck. Wohl ein größerer Betrieb.«

      »Kümmere ich mich drum. Bis nachher.«

      »Noch eines: Versuchen Sie etwas über einen Regierungsrat Josef Brandner herauszufinden. Wohnhaft in Wolbeck.«

      Kapitel 6.

      Nach der Mittagspause schaute Berendtsen auf dem Weg ins Büro kurz bei Uschi vorbei, um sich anzumelden. Sie schnappte sich Hillebrandts Bankauszüge, stampfte sie einmal längs, einmal quer auf die Schreibtischplatte, heftete sie zusammen und machte sich auf den Weg zu Berendtsen. Verschiedene Positionen hatte sie markiert. Es war ihr aufgefallen, dass Hillebrandt zusätzlich zu den Bezügen seiner Bücher- und Zeitschriftenverlage auch zweimal im Jahr Gewinne aus den Firmenanteilen einer Hillmann-Press GmbH in Recklinghausen bezog. Sie hatte recherchiert, dass es sich bei dieser Firma um einen Verlag für Zeitschriften aller Art handelte, teils eigenen und teils in Lizenzen gedruckte. Dem Verlag angeschlossen war eine Art Detektei, die sich vor allem auf Misswirtschaft und Verstöße gegen die Umwelt spezialisiert hatte, aber auch vor verdeckten Ermittlungen in Fleischskandalen nicht zurückschreckte. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in der Zeitschrift »inVESTigator« veröffentlicht. Inhaber und Chefredakteur war ein David Hillmann, der bereits verschiedene Delikte aufgedeckt hatte.

      So gab es vor einigen Jahren im inVESTigator einen ersten Hinweis auf einen Fleischskandal, bei dem Pferdefleisch aus Deutschland nach Polen verschickt wurde und dann als frisches Rindfleisch wieder importiert wurde. Zu allem Überfluss kassierten die Gauner auch noch die Mehrwertsteuer. Dieses Vergehen wurde von einem verdeckten Ermittler dieser Detektei aufgespürt und zusammen mit dem Gesundheitsministerium in Bayern aufgeklärt. Der inVESTigator hatte die Exklusivrechte. Die Auflage des Journals hatte sich in dem Jahr, in dem wöchentlich in jeder Ausgabe ausführlich dieses Thema begleitet wurde, verdreifacht. Obwohl sich diese Untersuchungen oft sehr aufwendig gestalteten, schien es sich für David Hillmann zu lohnen. Dieser inVESTigator

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