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wie ein Reh. Er ist nicht verletzt und egal woher er kommt – er wurde gut behandelt, denn er hat uns registriert und ist nicht im Geringsten aufgeregt. Er ist den Umgang mit Menschen gewohnt.«

      »Ok. Dann blasen Sie halt in das Rohr.«

      So begab sich Dr. Kunze mit dem Blasrohr, in dem der Pfeil mit einem Cocktail aus schnell wirkenden und nachhaltigen Betäubungsmitteln steckte, auf das Nachbargrundstück.

      Mittlerweile erschien ein Übertragungswagen des 3. hessichen Fernsehprogramms. Kurz darauf einer von RTL. Anschließend kamen weitere Ü-Wagen verschiedener Sender. Man hatte wohl einen Insidertipp bekommen, denn die neuen digitalen Funkgeräte der Polizei ließen ein Abhören des Polizeifunks nicht mehr so leicht zu, wie die analogen Geräte.

      Der Tierarzt konnte durch einen Spalt in der Hecke vom Nachbargrundstück aus, den Tiger beobachten. Da dieser friedlich im Gras lag, ging der Arzt vorsichtig um die Hecke herum und richtete langsam das zwei Meter lange Blasrohr auf ihn.

      Hätte er gewusst, dass der Tiger ihm auch ohne Betäubung in einen Käfig gefolgt wäre, hätte er sich die Mühe mit dem Blasrohr sparen können.

      Das Kamerateam nahm Position auf dem Dach des

      Ü-Wagens auf. Hierbei stand nicht fehlender Mut der Reporter, sondern einfach eine bessere Sicht auf den Tiger als Entscheidungskriterium im Raume. Gerade als sie die ersten Aufnahmen machten, traf der achtzehn Zentimeter lange Pfeil sein Ziel am Halse des Tigers.

      Dieser zuckte erschrocken zusammen. Er hatte den Tierarzt, der bis auf wenige Meter an ihn herangeschlichen war, zwar genau gesehen, jedoch keine Gefahr vermutet.

      Er stützte sich auf die Vorderbeine und wollte sich erheben. Das Betäubungsmittel wirkte aber schon und so legte er sich wieder hin und schlief ein.

      Der Einsatzleiter war zufrieden. Es ging nun keine Gefahr mehr von der Raubkatze aus und er konnte den Einsatz abbrechen.

      Er wurde sofort von einem Reporter befragt.

      »Herr Hauptkommissar Kleber, wie erklären Sie sich die Anwesenheit eines ausgewachsenen Tigers in einem dicht besiedelten Wohngebiet?«

      »Nun, darüber können wir zum jetzigen Zeitpunkt nur spekulieren. Möglich ist es aber, dass er aus einem Wanderzirkus ausgebrochen ist.«

      »Was geschieht nun mit ihm?«

      »Wir werden ihn sofort nach Frankfurt in den Zoologischen Garten bringen. Dort kann man ihn artgerecht unterbringen, bis wir den Halter ermittelt haben. Ein Tierarzt mit Wildkatzenerfahrung wird ihn dorthin begleiten.«

      Wie auf Kommando fuhr ein Wagen mit einem Pferdeanhänger vor und der Tiger, der vom Tierarzt noch kurz untersucht wurde, wurde auf einer Zeltplane, von den Helfern der Feuerwehr hinein getragen.

      Dies trug dazu bei, dass der kleine Kevin sich traurig auf Mamas Schoß setzte.

      »Können wir den Löwen nicht behalten?«

      »Nein Kevin. Erstens ist das ein Tiger und zweitens sind die sehr gefährlich. Mit wilden Tieren kann man nicht spielen.«

      »Warum nicht?«

      »Wie die zu jeder Zeit zubeißen können.«

      »Warum tun die das denn?«

      Die Antwort kam nun schnell von Kevins Schwester.

      »Weil kleine Brüder immer nervige Fragen stellen.«

      »Mama. Stimmt das?«

      Während dieser Dialog noch eine Weile so weiter ging, befand sich der Tiger auf dem Weg zur Autobahn und traf eine Stunde später im Zoo Frankfurt ein.

      Hauptkommissar Kleber ließ, in der Dienststelle angekommen, seine Beamten nach einem Wanderzirkus suchen.

      Schnell wurde jedoch allen klar, dass im Radius von fünfzig Kilometern kein Zirkus sein Domizil aufgeschlagen hatte. Es gab zurzeit lediglich einen einzigen großen Zirkus, der in der Manege Tiger durch Feuerreifen springen ließ. Der hatte sein Domizil in Süddeutschland aufgeschlagen. Ein Anruf beim Direktor ergab, dass es keinen Fehlbestand im Zirkus gab. Die Nachfrage nach einem entlaufenen Tiger ging per

      E-Mail an alle Zoologischen Gärten in Deutschland und wurde von diesen sofort negativ beantwortet.

      Kleber fluchte.

      »Wenn der aus einer illegalen, privaten Haltung entflohen ist, finden wir den Besitzer wahrscheinlich nie. Der wird sich auch nicht bei uns melden, denn erstens bekommt der eine saftige Strafe und zweitens sieht der den Tiger nicht wieder.«

      Ein Beamter gab seinen Senf dazu.

      »Schade, dass die Katze nicht reden kann. Wer sich illegal eine Wildkatze hält und sie dann auch noch entkommen lässt, ist doch gemeingefährlich.«

      Sein Kollege meinte, dass die Katze selbst doch wohl eher gefährlich wäre.

      »Obwohl, so gefährlich war sie gar nicht. Ich hatte den Eindruck, sie war eher zahm.«

      »Stimmt. Hat nicht mal wie ein Löwe gebrüllt.«

      »Tiger brüllen nicht wie Löwen. Eher wie Tiger.«

      »Ich glaube, der wurde schon von Geburt an von

      Menschen großgezogen und war wirklich zahm.«

      »Prima. Jetzt brauchen wir nur einen reichen,

      egozentrischen Großwildkatzenfreund mit einem geeigneten Anwesen zur Haltung solcher Tiere zu suchen.«

      »Genau. Davon dürfte es aber mehrere Hunderte in Deutschland geben.«

      2. Leben und sterben lassen

      Auf dem Tisch lag eine zweiundzwanzigjährige junge Frau. Sie war nackt und ihre Haare waren noch nass.

      Sie zitterte. Sie hatte vor fünf Minuten noch unter der Dusche gestanden und hatte sich, wie ihr befohlen wurde, gründlich mit Seife und Shampoo gereinigt.

      Maria Conzales hatte sich freiwillig vor den Augen des Doktors geduscht. Sie hatte sich auch freiwillig auf den OP-Tisch gelegt. Er hatte sie lange auf diesen Moment

      vorbereitet. Sie glaubte nun, es werde ihr eine Niere entfernt und anschließend fände die lange Zeit der Gefangenschaft ein Ende und sie könnte wieder nach Hause gehen. Sie war aufgeregt. Einerseits erfreut, dass ihre Gefangenschaft in dem Kellergewölbe nun bald zu Ende war, andererseits wusste sie nicht, was gerade auf sie zukam.

      Sie wurde nun schon seit zwei Monaten gefangen gehalten und war mit ihren Nerven am Ende.

      Am Anfang hatte sie gebeten und gebettelt, man möge sie doch freilassen. Dann war sie wütend geworden und hatte den Teller mit der warmen Suppe, den man ihr auf den Tisch in ihrem kleinen Verlies gestellt hatte, gegen die Wand geschleudert. Das hatte zur Folge, dass sie zwei Tage lang hungern musste.

      Sie hatte geschrien und getobt und dafür auch Schläge kassiert. Nach einigen Tagen ergab sie sich in ihr Schicksal und wurde ruhiger. Dann bekam sie auch Antworten auf ihre Fragen, die ihr Doc Matiss bereitwillig gab.

      »Warum bin ich hier? Warum haben Sie mich entführt?«

      »Nun, Maria. Sehen Sie, ich werde Ihnen kein Haar krümmen. Aber ich brauche etwas von Ihnen. Wenn Sie sich noch ein paar Wochen gedulden, verspreche ich Ihnen, dass Sie wieder freikommen.«

      »Was wollen Sie denn von mir? Ich besitze doch nichts.«

      »Doch Maria. Sie besitzen etwas, was jemand anderes dringend braucht. Auch eine junge Frau, wie Sie. Sonst stirbt sie. Das wollen Sie doch nicht, oder?«

      »Nein, natürlich nicht. Aber was wollen Sie von mir?«

      »Wir brauchen eine Ihrer Nieren.«

      Maria Conzales erschrak zutiefst. Das war ein gewaltiger Schock und ihr Herz raste vor Aufregung. Man wollte ein Organ von ihr. Das durfte nicht sein!

      »Nein!

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