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des Feuers und des Eisens. Ihr athletischer Körper war ständig in Bewegung – nie hastig oder sprunghaft, sondern elegant, wie ein unablässig züngelndes Feuer. Ihr Gesicht war ein wenig zu breit, um sie zu einer wahren Schönheit zu machen. Doch die fast schwarzen Augen unter langen Wimpern und die vollen Lippen mit ihrem entschlossenen Zug machten dies sofort vergessen.

      „Wiralin – du bist wieder zurück.“ Ulante hielt sich nicht im Gang auf, sondern bog sofort in die Generalskanzlei ein.

      Wiralin folgte ihr und schloss die Tür hinter sich. Nach den öden Reisetagen wirkte Ulantes Schwung doppelt belebend. Mit einer einzigen fließenden Bewegung goss die Generalin Wasser in ein Glas, trank und drehte sich zu ihrem Obersten Bogen um.

      „Kündigst du mir unseren Glasbrecher an?“

      Die prompte Frage nach der Glasbrecherin trübte Wiralins Wiedersehensfreude beträchtlich. „Für eine Ankündigung ist es noch zu früh. Wir haben nun eine Glasbrecherin hier auf Glynwerk, aber sie ist krank.“

      Ulante hob die Augenbrauen. „Tatsächlich? Schwer?“

      „Das wird Oredion dir später sagen können. Sie ist jetzt bei ihm. Aber ich muss kein Arzt sein, um schon jetzt zu wissen, dass wir nichts von ihr erwarten dürfen – oder von irgendeinem anderen Glasbrecher. Die Beschreibung dieser elenden Wesen in den Büchern ist nicht im Geringsten übertrieben – eher untertrieben. Es ist undenkbar, einen von ihnen in ein Feldlager mitzunehmen.“

      Ulante löste ihren Zopf und kämmte mit beiden Händen durch ihr Haar. „Wenn diese Glasbrecher wirklich so nah am Rand des Todes wandeln, hätten wir gleich drei oder vier holen sollen. Das wollte ich eigentlich auch tun, aber Oredion hat mir versichert, dass es nicht notwendig wäre. Wenn er sich geirrt hat, kann er sich auf etwas gefasst machen!“

      Wiralin traute seinen Ohren nicht. Hörte Ulante ihm eigentlich zu? Schärfer als beabsichtigt gab er zurück: „Welchen Unterschied hätte es gemacht, mehrere Glasbrecher zu holen? Ich bin nicht sicher, ob diese Glasbrecherin dort unten im Krankenquartier noch einmal von ihrem Bett aufstehen wird! Dabei soll sie die Kräftigste unter den Bewohnern von Mooresruh sein! Wenn nicht einmal sie die Reise in den Glynwald übersteht, wird kein Glasbrecher sie überstehen! Und das Leben im Feldlager ist noch viel anstrengender als die Reise! Wozu sollten wir ständig Todkranke mit uns herumschleppen – noch dazu, wo mir immer noch nicht klar ist, was ein Glasbrecher überhaupt im Kampf gegen die Ronn ausrichten soll. Wir sind noch kein einziges Mal–“

      „Das hatten wir schon alles,“ winkte Ulante ungehalten ab. „Du stehst jetzt seit Jahren unter meinem Kommando. Dir muss also klar sein, dass ich weiß, was ich tue.“

      Wiralin fügte sich ihrem hoheitsvollen Blick und verneigte sich knapp. Bisher hatte er wirklich kein einziges Mal daran gezweifelt, dass sie wusste, was sie tat. Weil ihre Entscheidungen Sinn ergeben hatten. Die Entscheidung, einen Glasbrecher zu holen, ergab jedoch keinen Sinn. Zumindest nicht für ihn. Der Verdacht, dass sie etwas vor ihm geheim hielt, nagte an ihm – er nagte umso heftiger, weil Oredion mehr zu wissen schien als er. Verbittert beschloss Wiralin, sich zurückzuziehen. Die Generalin griff nach einer Flasche Wein. Die Selbstverständlichkeit, mit der Ulante zwei Kristallkelche bereitstellte, wurmte und beschwichtigte Wiralin gleichermaßen. Schon ploppte der Korken aus der Flasche. Der Moment war vorüber. Nun wäre es äußerst unhöflich gewesen, zu gehen. Und als Ulante ihm lächelnd das gefüllte Glas entgegenhielt, hätte Wiralin es nicht einmal ablehnen können, wenn er es gewollt hätte. Endlich fühlte er sich besser – bis Ulante erneut zu sprechen begann:

      „Gut, dass du wieder zurück bist. Der Winter schreitet fort. Du musst damit beginnen, Ronn zu lernen.“

      Beinahe hätte Wiralin Wein auf seine Uniform verschüttet. „Weshalb, bei Lin, soll ich die Sprache dieser Biester lernen? Ich habe genug zu tun mit dem Kommando über die–“ Jäh fiel ihm ein, dass er zurzeit nur den Titel des Obersten Bogens trug. Ulante hatte ihn noch nicht wieder in sein Kommando eingesetzt.

      Die Generalin fuhr mit einem Finger die Konturen ihres Kristallkelchs nach. „Natürlich wirst du das Kommando über die Bogenschützen bald wieder übernehmen. Aber vorerst brauche ich dich für die Glasbrecherin. Und ihr werdet beide Ronn lernen.“

      Wiralin fühlte sich, als ob Ulante ihm den Knauf ihres Schwerts über den Kopf gezogen hätte. Was sollte das heißen, dass sie ihn für die Glasbrecherin brauchte? Und warum sollte die Glasbrecherin Ronn lernen? Es wäre doch das Beste, wenn dieses Bündel Elend seinen Mund überhaupt nie aufmachen würde! Diese kreischende, alles zerschmetternde Stimme würde in einer anderen Sprache um nichts erträglicher sein!

      „Wofür haben wir Übersetzer?“ Wiralins Stimme war rau vor Unmut.

      Ulantes dunkle Augen betrachteten ihn eindringlich. Der entschlossene Zug um ihren Mund verstärkte sich. „Übersetzer sind Übersetzer. Ich brauche jemanden, dem ich vollkommen vertrauen kann, Wiralin. Ich brauche jemanden in meinem engsten Umfeld, der nicht auf die Übersetzer angewiesen ist. Manche Dinge dürfen mein engstes Umfeld nicht verlassen. Du bist jetzt freigespielt, weil Ipentar das Kommando über die Bogenschützen übernommen hat – vorerst. Und weil du ohnehin für die Glasbrecherin verantwortlich sein wirst, kannst du auch gemeinsam mit ihr Ronn lernen.“

      Wiralin war nicht länger fähig, vor Ulante stehen zu bleiben. Steif ging er zu einem der Fenster hinüber und starrte auf den verschneiten Glynwald hinaus. Erst als er sicher war, dass er seinen Ton unter Kontrolle hatte, machte er den Mund auf:

      „Die Glasbrecherin wird ständig von Soldaten umgeben sein – so wie jeder im Linländer Heer. Sie braucht niemanden, der speziell für sie verantwortlich ist. Außer, du hältst sie für ein Kleinkind. Ist das wirklich das, was du von mir willst, Ulante? Ich soll das Kindermädchen für eine Glasbrecherin spielen?“

      „Ich bin enttäuscht von dir!“ Ulantes Stimme tönte kühl. „Ich zähle auf dich – auf einen meiner engsten Vertrauten! Ich gebe diejenige Person in deine Obhut, von der auf dem kommenden Feldzug viel abhängen wird! Ich zeichne dich aus! Und du verhältst dich, als ob ich dich degradiert hätte! Erinnere dich daran, wie es draußen im Feld ist! Selbst in einem gut organisierten Heer kann bei einen Angriff Unruhe entstehen – manchmal sogar Unordnung. Deshalb muss es jemanden geben, der für den Schutz der Glasbrecherin zuständig ist. Und auch solange wir noch hier auf Glynwerk sind, muss jemand auf sie achten. Sie hat ihr ganzes Leben in Mooresruh verbracht. Sie weiß nichts über das normale Leben und schon gar nichts über das Leben beim Heer. Also braucht sie jemanden, an dem sie sich orientieren kann – und der sie beschützt. Selbst unter unseren Soldaten gibt es raues Volk. Gerade wenn die Glasbrecherin so schwächlich ist, wie du sagst, muss jemand ein Auge auf sie haben.“

      Bei den Worten „ein Auge“ zuckten Wiralins Finger zu seinem Gesicht. Im nächsten Moment rammte er seine Hand erneut in die Hosentasche und ballte sie zur Faust.

      „Ich brauche dich,“ fuhr Ulante nach einer Pause fort – nicht mehr ganz so kühl, aber keineswegs versöhnlich. „Und ich kann mir nicht vorstellen, dass du mich im Stich lassen wirst.“

      Wiralin drohte von der bittersten Enttäuschung seines Lebens überwältigt zu werden. Die Rückkehr auf Glynwerk hätte die Rückkehr in sein altes Leben werden sollen – in das Leben vor seiner Verwundung. Nun sollte er stattdessen darauf achten, dass die Glasbrecherin nicht in einen Speer rannte oder von einem Pferd niedergetrampelt wurde! Diese Aufgabe könnte jeder erfüllen – sogar dieser Feigling Oredion! Ein Arzt wäre ohnehin am besten dafür geeignet, eine Glasbrecherin zu hüten. Weshalb gab Ulante sie also nicht in Oredions Hände? Weil sie diese Aufgabe tatsächlich nicht irgendjemandem übertragen wollte, sondern nur einem engen Vertrauten? Wusste Oredion am Ende doch nicht mehr über Ulantes Pläne als er? Wer für die Glasbrecherin verantwortlich war, würde gewiss vor allen anderen erfahren, was die Generalin mit ihr vorhatte...

      Wiralin drehte sich wieder zu Ulante um. „Du kannst auf mich zählen.“

      „Das wusste ich doch.“ Ihre Miene war glatt, völlig frei von Vorwürfen oder irgendwelchen anderen Regungen.

      Ulante ging zu Wiralin hinüber und küsste ihn flüchtig. Bevor

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