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Die Entleerung des Möglichen. Reinhold Zobel
Читать онлайн.Название Die Entleerung des Möglichen
Год выпуска 0
isbn 9783753181400
Автор произведения Reinhold Zobel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Es hat keinen Umschlag, das Druckwerk, dafür einen grauen Einband mit schwarzer Bordüre. Es erinnert Oskar stellenweise an Märchenbücher aus Kindertagen, äußerlich. Er war nie ein großer Märchen-Fan. Lieber schmökerte er früher in Büchern wie Robinson Crusoe oder Die Schatzinsel.
Sein Blick verlässt die vorliegende Lektüre. Sicher hat Timo, und das wäre typisch für ihn, gar nicht in dem Buch gelesen, sondern sich darauf verlassen, dass ihm von Bekannten respektive Freunden da etwas Brauchbares empfohlen worden ist. Er wird ihn noch einmal diesbezüglich ansprechen, irgendwann später. Apropos Tod. Oskar kommen die Tagebuchaufzeichnungen des Vaters in den Sinn, der eine an Gewalt fette Partitur des Todes, - wie er ja mittlerweile weiß, in seiner Pariser Zeit gleich mehrmals auf freier Lebensbühne miterleben musste…
“Schau nur, da kommen sie wieder! Sind sie nicht entzückend!”
“Miez, Miez, Miez, Miez, Miez!”
“Rasch, hol etwas Milch, Oskar!”
“Sollte man Katzen nicht besser keine Milch geben?”
“Den Kleinen werden ein paar Tropfen sicher nicht schaden. Sonst nimm eine Schale Yoghurt!”
Die Katzenfamilie ist überraschend zur offenen Terrassentür herein marschiert, das heißt, die Mutter mit ihren Jungen. Ein Kater ist nicht dabei. Sie kommen bereits das dritte Mal. Vorsichtig sichert die Alte das Gelände, während vier quiekende Pelzknäuel über den Fliesenboden purzeln. Zwei der Katzenbabies sind schwarz, eines ist weiß, eines hellbraun.
“Was ist, Oskar?”
“Ich geh ja schon. Pass auf, dass sie sich nicht erschrecken und weglaufen.”
“Was denkst denn du! Mach rasch jetzt.”
Es glückt. Oskar eilt in die Küche, holt eine Tüte mit ungesüßtem Yoghurt aus dem Eisschrank, füllt eine flache Schale damit, setzt warmes Wasser hinzu und kehrt zurück.
Die Katzenmutter trägt ihre Kinder zur Futterstelle und überwacht sie aufmerksam, während die Kleinen ihre Mäulchen hungrig in die weiße Pampe tunken. Oskar und Constanze halten den Atem an, schauen ergriffen zu. Staubatome flirren im Sonnenlicht durch den Raum. Ihnen gesellen sich laute Schmatzlaute zur Seite. Nach dem Mahl schleckt die Alte ihre Kleinen ausführlich sauber. Danach verschwindet die Katzen-Karawane wieder, wie sie gekommen ist.
“Schön, nicht wahr?”
“Bezaubernd.”
Constanze tut, was sonst Oskar gerne tut, sie seufzt, es ist ein Wohllaut. Sie sind zu zweit im Haus. Timo ist draußen im Garten, hat es sich im Liegestuhl bequem gemacht. Oskar dreht den schmalen grauen Band in seinen Händen. Soll er weiterlesen? Seine Frau liegt auf der Couch, Beine und Füße überkreuz, alle vier unverhüllt und greift zu einer Illustrierten.
"Ein gesunder Geist in einem gesunden K ö rper. Das ist im Grunde doch kein schlechter Grundsatz, oder?”
“Aber einer, der gerne missbraucht wird."
"Schon. Aber du folgst ihm ja auch. Ich meine, du l ä ufst jeden Tag deine Runden, machst Kraft-Training, spielst Tennis…”
"Sicher. Es ist ü brigens Badminton … Nur gebraucht mein Verstand den K ö rper nicht als Droge."
"Darin liegt f ü r dich der Unterschied?"
"Zu den Obsessionen unserer Gegenwart, ja."
“Und was hältst du von dem Spruch: Einer für alle. Alle für einen?”
“Find ich gut… Was ist los, Stänzchen, hast du heute deinen philosophischen Tag?”
"Fahren wir nachher noch an den Strand?"
"M ö chtest du?"
"W ü rde ich sonst fragen?"
"Ich glaube, ich bleibe lieber am Haus."
"Dann frage ich Timo."
“Ja, tu das. Ihr könnt den Wagen nehmen, wenn ihr wollt."
"Warum? Ich radele auch gern, bei gutem Wetter. Und das Wetter ist gut."
"Aber Timo f ä hrt lieber mit dem Auto. Er hasst Fahrr äder."
"Du weißt, ich fahre den Porsche nicht so gern."
"Schatz, es ist ein Auto wie andere Autos auch."
"Mir ist es zu schnell."
Sie machen eine Gesprächspause. Oskar liest, blättert, liest. Nach geraumer Weile überzieht Constanze ihn mit einem Netz seltsam musternder Blicke. Er spürt das und hebt den Kopf. Ein Lächeln umspielt ihre Lippen, als wisse sie etwas, was er nicht weiß.
"Du wirkst nachdenklich in letzter Zeit, irgendwie selbstversunken."
“Findest du?"
"Ja, manchmal huscht so ein lyrischer Ausdruck ü ber deine ergrauten Z üge."
"St ä nzchen, du schmeichelst mir."
"Das wollte ich nicht, verzeih."
Er überhört die letzte Bemerkung. Er ist in einer friedfertigen Stimmung. Das Klima zwischen ihnen ist ein wenig blasig. Man könnte auch von unterseeischen Gasbildungen sprechen. Sie sind aber noch unzertifiziert. Oskar reckt die Arme, atmet hörbar. Er blickt zum Fenster hin.
"Ich w ü nschte manchmal, wir k ö nnten wieder wie fr ü her in die Welt blicken."
"Wie meinst du... blicken?"
"Aufgeschlossener … Ich habe dich, als wir jung waren, immer daf ü r bewundert, ja, angebetet, dass du so ü bersprudelnd warst... wie eine muntere, frische Quelle."
"Glaubst du etwa, du hättest dich nicht ver ändert?"
"Nein, ich war immer schon... ungenieß bar und gallenbitter."
*
Seine Stimmung schlug einen Purzelbaum.
Erst hustete er, dann räusperte er sich. Sein Schädel, er war sich nicht sicher, ob es wirklich der seinige war, wog gut dreizehn Tonnen oder mehr und roch nach Strandgut. Seine Gemütslage glich einem nicht bestellten Gemüsebeet, genauer gesagt, sie war eine Schneise der Verwahrlosung. Sein Blick senkte sich nach innen, dorthin, wo, wie er wohl wusste, das eigene Dunkel tief war. Tief wie der Marianengraben.
Er wollte das tödliche Resultat der Strafaktion nicht bezeugen, er hatte schon genug mit ansehen müssen, doch wagte er nicht, sich zu weigern, als Joe und Napoleon ihn in ihre Mitte nahmen. Sie gingen den schmalen Korridor entlang, der zu den Hinterzimmern des Clubs führte. Sie blieben vor der Tür am Flurende stehen. Joe schloss auf. Der Türrahmen war aus Stahl. Dennoch schien es, als würde er knarren, als sie eintraten.
Sie hätten so manche Pokerpartie zusammen gespielt, verkündete Napoleon mit dunkler, kratziger Stimme, die Arme vor der