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dich über­all finden. Es wäre also nicht gut, wenn er von deinem Ein­satz hier erfährt. Du musst so lange wie möglich unentdeckt bleiben.« Clark verzog das Gesicht. »Das wird schwierig wer­den, denn ich habe bereits meine Visiten­karte hinterlassen und das Tor 1 aufgebrochen. Andern­falls wäre ich hier nicht rein­ge­kommen.«

      »Du machst mir mehr Probleme als ich schon habe.«

      »Wo ist deine Tochter?«

      »Egal, was passiert, das werde ich erst verraten, wenn mein Backup vernichtet ist. Wer verfügt jetzt über die Braincloner?«

      »Immer noch das Elite Komitee. An dein Backup wird Cas­tello viel­leicht rankommen, aber nicht an die Braincloner. Diese Hürde will er gerade nehmen und der größte Widerstand kommt aus den eigenen Reihen.«

      »Castello würde mich beliebig reanimieren können. Was ist mit Code5?«

      »Immer noch auf dem Index. Backups dürfen nicht dupli­ziert wer­den. Wo und wann war dein letzter Backup, Mel?«

      »Ich war auf der Iseris in einer Bot Kolonie, namens Posi­tive Con­cept. Kurz vor meinem Unfall hat Castello mich zu einem außerge­wöhnlichen Backup geschickt.« Mels Stimme wur­de flehend. »Du musst ihm zuvorkommen und mein Back­up vernichten. Dann kann ich mich selbst zerstören und der Teufelskreis ist durchbrochen.«

      Clark und Mel waren vor der Schleuse angekommen. Sie standen für einen Moment da und schwiegen. Clark versuchte, sich in die Lage von Mel zu versetzen. Diese lange grausame Ein­sam­keit, als eine Art Quer­schnittsgelähmter, dessen Sinne auf Hören, Sehen und Sprechen be­schränkt waren. Mels Stim­me wurde leise, zitterte. »Du musst jetzt verschwinden. Ich muss hier bleiben ... und bitte ... lass mir den Bot da.« Clark schluckte. »Ich weiß, du hast Angst. Aber Castello würde ihn sofort identifi­zieren. Er ist offiziell auf mich registriert. Er schadet dir nur. – Daisy, Normalstart vorbereiten.«

      Clark betrat die Schleuse. Für einen Moment schaute er noch Mel in die Kameraaugen. »Clark, bitte hilf mir ... es ist un­erträglich.« Das Schleusentor fuhr herunter und Clarks Schiff startete. Mel konnte es durch eine Scheibe als einen im­mer kleiner werdenden leuch­tenden Punkt sehen, bis er ganz erlosch und für ihn wieder die totale Einsam­keit entflammte.

      Iseris

      Auch Clark schaute noch einmal unruhig zurück. Es dauerte nur ein paar Sekunden, und als von dem Koloss der Conestar 64 in der Dunkel­heit des Weltalls nichts mehr zu sehen war, geriet Clark ins grübeln. Hätte er Mel nicht doch besser mitnehmen sollen? Bis Castello be­merk­te, dass Mel weg war, hätte er einen erheblichen Vorsprung auf­bauen können. Doch er kannte Mel zu gut und wusste, dass ein Sturkopf wie er nicht davon abzubringen wäre, seinen Entschluss zu ändern. Viel­­leicht war es sogar der richtige. Clark wartete bis zum ver­lassen der Iden­tifi­kationszone bis er das Ziel angab.

      »Daisy, unser Ziel ist die Iseris. Bot Kolonie Positive Kon­zept.«

      »Negativ, die Kolonie Positiv Konzept gibt es nicht mehr. Die Iseris ist ein Format für Agrarwirtschaft und Wellness der Allsa-Gruppe.«

      »Sie haben also schon angefangen, alle Spuren zu besei­tigen und bauen den Formaten zum Wellnesspark um?«

      »Negativ. Das Terraforming war bereits vor 140 Jahren mit einer Eco­poesis zur Agrarwirtschaft und Wellness angelegt. Die Botkolonie wurde nur vorübergehend genutzt, als die Ecopo­esis noch nicht abge­schlossen war.«

      »Dann haben die schon viel länger vorausgeplant als ange­nommen. Was befindet sich jetzt an der Stelle, wo früher die Kolonie war?«

      »Ein Badesee.«

      »Wie tief?«

      »Er ist mit 10 Metern an der tiefsten Stelle angegeben. Ich messe aber 100 Meter.«

      »Dann werde ich wohl auf Tauchstation gehen müssen.«

      »Negativ. Wenn du in den Badesee eintauchst, wirst du sofort ver­haf­tet und dein Schiff konfisziert. Es ist ein geschütz­ter Bereich.«

      »Das weiß ich auch. Ich dachte mehr an eine persönliche Freizeit­gestaltung.«

      Clark grinste. Immer wenn es für Allsa heikel wurde, ver­stand man es exzellent, kritische Zonen zu kaschieren. Damals war es für ihn das ganz normale Business gewesen. Doch jetzt hatte er das Bild von seinem hilflosen, gedemütigten Freund Mel vor Augen. Die Positive Concept in einem Badesee ver­senkt. Wellness. Dieser Zynismus passte zu Castello. Der Ort, an dem Mels grausames Schicksal begann, wird nun ausge­rech­net von einem Wohlfühlparadies geschützt.

      Als Clark aus seinem Dämmerschlaf erwachte, füllte die Iseris bereits die gesamte Frontscheibe. Es waren solche Mo­men­te, wo jeder ein hohes Maß an Ehrfurcht und Respekt verspürte über das, was der Mensch alles erschaffen hat. For­ma­ten, diese künstlich angelegten Planeten, sind die größten Baustellen im Universum und wohl auch sein größtes Faszi­nosum. Ein Prozess, der drei bis vierhundert Jahre bis zur For­mation braucht und noch einmal weitere hundert Jahre, bis eine stabile Atmosphäre herrscht, um dann langsam mit der Bewirtschaf­tung zu beginnen. Auch die Iseris war so eine pla­ne­tarische Rohmasse. Aus der Ferne wirkte sie wie ein Wüsten­planet mit Masern. Diese Eco­spots waren riesige Feuchtgebiete und über den ganzen Formaten verteilt, die mit Plankton und Bakterienkulturen jenen Prozess aus­lösten, der die Atmosphäre produzierte. Die Ecopoesis.

      Clarks Ziel war an der Nordkappe platziert und von einem dünnen Wolkenband verhüllt. Er war beeindruckt, als er es durch­stieß. Vor ihm erstreckte sich ein gigantisches Erholungs­gebiet, mit wunderschönen Parks und einer farbenprächtigen Botanik. Nichts wirkte hier gedrun­gen. Die Hotel- und Veran­staltungsanlagen waren locker und unschein­bar verteilt. Das Herz bildete ein malerischer See in leuchtendem Türkis von 10 Kilometern Durchmesser. Am südlichen Ende lag die Rampe für die Raumschiffe und die Empfangshalle. Nie wäre es Clark in den Sinn gekommen, an einer solchen Massenveranstaltung teilzunehmen. Und es waren Massen, die im ständig pendeln­dem Verkehr an- und abreis­ten. Rund eine Millionen Men­schen konnte das Gebiet aufnehmen, aber sie verloren sich in dem enormen Platzangebot. Das gesamte Wellness­gelände war eingezäunt. Umliegend befanden sich einige Siedlungen mit Service- und Produktionsanlagen für die Agrarwirtschaft.

      Wie bei allen Formaten war Wasser das größte Problem. 95% der Iseris bestanden noch aus Wüste. Soweit es die Er­schlie­ßung des For­maten zuließ, wurden riesige Felder an­ge­legt. In den Wüstengebieten war die Luft noch so dünn, dass sich ein Mensch dort nicht lange aufhalten könnte. In tausend Jahren wäre die Ecopoesis so weit fort­geschritten, dass 30% des Formaten nutzbar wären, sollte die Atmo­sphäre nicht plötz­­­lich kippen, wie bei anderen Formaten, die dann als Lei­chen durch das Weltall schwirrten. Im Extremfall blieben dann nur wenige Wochen, um einen ganzen Formaten zu eva­ku­ieren. Aber die Iseris schien gut zu gedeihen. Um die dunkel-grünen Ecospots bildeten sich immer breiter werdende hell­grüne Ha­los. Ein Zeichen, dass sich die Ecopoesis ausdehnte. Eine über­freundliche Stimme meldete sich per Inter­com. »Guten Tag. Wir möchten Clark auf Rampe 11 begrü­ßen.«

      Natürlich war man immer bemüht, hochtechnische Anla­gen unauffällig in das Landschaftsbild einzufügen. Doch was man hier auf dem riesigen An- und Abfluggelände kreiert hatte, war an Kitsch durch nichts zu überbieten. Das Service­personal flog mit großen, bunten Flü­geln wie Schmetterlinge durch die Gegend und die Versorgungs­fahr­zeuge wirkten wie überdimen­sionales Kinderspielzeug. »Daisy, wir bleiben immer auf Inter­com. Scan die Leute hier, vielleicht findest du etwas beson­de­res. Ich nehme den Bot mit.«

      Clark war gelandet und verließ sein Schiff. Während er über die Rampe in Richtung Empfangshalle lief, säumte eine Schar junger Frauen und Männer seinen Weg. Alle von makel­losem Antlitz, als wären sie aus einem alten Wachsfigu­ren­kabinett entlaufen. »Clark, wir freuen uns, dass du hier bist. Clark, wir lieben dich«, riefen sie euphorisch und applau­dier­ten. Dazu bunte Lichteffekte, eine dramatische Musik wie aus dem Opening eines alten Filmklassikers und es rieselten unauf­haltsam zarte Blüten vom Himmel. Clark fand diesen Zirkus nur peinlich. In der Empfangshalle angekommen, hörte er nur wenige Meter vor dem Rezeptionstresen

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