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Es ist schwer genug, neue Historyscouts zu rekrutieren.«

      »Nun, wie mir scheint, wurden die Vorgaben noch nicht weit genug erhört, Mrs. Sommers. Nicht wahr?«

      Der Personalchefin schoss das Blut in den Kopf. Ihr war nicht entgangen, dass der CEO sie plötzlich wieder mit dem Nachnamen angesprochen hatte. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme dennoch ungebrochen selbstbewusst.

      »Für sein Alter wurde Mr. Batedor als sehr reif und gefestigt eingestuft. Immerhin ist er mit fünfundzwanzig Jahren unser jüngster Historyscout. Es gab keinerlei Anzeichen für potentielle Insubordination, falls Sie darauf hinauswollen.«

      Bei ihren letzten Worten schwang ein vorwurfsvoller Unterton mit.

      »Tja, das können wir aus aktuellem Anlass wohl leider nicht mehr ausschließen«, entgegnete der CEO kühl.

      »Wie Sie meinen«, gab sie leicht eingeschnappt zurück. »Allerdings würde ich gerne zuerst alle technischen Fragen klären, bevor ich unsere Mitarbeiter unter Generalverdacht stelle.«

      »Es wird wohl das Beste sein, wenn wir das im Anschluss an die Sitzung in meinem Büro klären!«, beendete der Vorstandsvorsitzende das Thema barsch.

      Betretenes Schweigen. Die Moderatorin nutzte routiniert deeskalierend die Atempause der beiden Entscheider und wandte sich nochmals an den Scoutsupporter.

      »Mr. Sato. Bitte teilen Sie uns die Spezifikationen des eingesetzten Systems mit. Ist es korrekt, dass es sich um die ITER 4.0 Release V15.3 handelt?«

      »Das ist korrekt, dies ist die neuste Version und aktuell im Einsatz.« Das Klirren eines Löffels in einer Tasse ließ ihn kurz aufschrecken. Jetzt bloß nicht ablenken lassen.

      »Die ITER 4.0 ist mit fünfzehn Standards konfiguriert«, ergänzte er. Sato verschränkte die Arme hinter dem Rücken, streckte sich und sog tief Luft durch die Nase ein. Bis jetzt lief es doch ganz gut. Einigen Gesichtern nach zu urteilen, erwartete man noch mehr Informationen. Daher fügte er rasch hinzu: »Ich möchte noch erwähnen, dass die Norm von fünfzehn Standards, also Zeitsprüngen, von der medizinischen Division akzeptiert worden ist. Natürlich müssen, neben dieser maximal erlaubten Anzahl Reisen, auch die Vorgaben in Bezug auf Entfernung des Ziels, den zeitlichen Abstand der Expeditionen, sowie die vorgeschriebenen medizinischen Behandlungen, strikt eingehalten werden. Eine Überschreitung dieser Grenzen führt unwiderruflich zu irreparablen Zellschäden. Im schlimmsten Fall zum Tod.«

      Irgendjemand im Raum schnaufte hörbar. Leicht irritiert schaute Sato sich um, fuhr dann aber fort.

      »Zur Sicherheit verfügt die ITER 4.0 deshalb über einen Notfall-Mechanismus, der eine Rückkehr vor Verbrauch der Sprungpunkte ermöglicht. Es ist zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht bekannt, ob der Vorgang in der betroffenen Episode ausgelöst wurde. Ersten Analysen zufolge, kehrte das Tablet regulär zurück. Alle fünfzehn Standards wurden verwendet.«

      Fragende Gesichter sahen ihn an. In die anschließende Grabesstille stellte der CEO die eine vernichtende Frage.

      »Und wo ist Mr. Batedor, wenn alles perfekt gelaufen ist?«

      Reihum richteten sich die Anwesenden gespannt in ihren Sesseln auf. Stammelnd suchte Sato nach den richtigen Worten.

      »Kurz nach der Abreise des Historyscouts, um genau zu sein, eine Minute nach der Abreise, kehrte die Hardware zurück - alleine. Sie wurde sofort vom Außendienstmitarbeiter aufgelesen und überführt.« Die meisten Anwesenden guckten betroffen drein.

      »Es tut mir leid, Sir. Ich habe keine Ahnung, wo Mr. Batedor abgeblieben ist.«

      Ungläubiges Kopfschütteln ringsum.

      »Wenn das so ist, Mr. Sato, wäre es dann nicht das sinnvollste, einen zweiten Mann direkt hinterherzuschicken?« In der Runde wurde zustimmend genickt.

      »Wir entsenden den Revisor einfach genau an dieselben Ziel- und Zeitkoordinaten wie Mr. Batedor? Dieser Mann kommt dann parallel an und schickt Mr. Batedor sofort wieder nach Hause, noch bevor der Mann überhaupt die Gelegenheit hätte, abtrünnig zu werden.«

      Ein Aufatmen ging durch die Reihen der Anwesenden, schien die Idee des CEO ausgesprochen sinnvoll und logisch zu sein. Die Moderatorin wollte auf Basis dieses Vorschlags eben zu einer Abstimmung auffordern, als Sato sie unerwartet unterbrach.

      »Bitte verzeihen Sie, meine Damen und Herren, aber diese Option könnte ausgesprochen gefährlich sein.«

      Unmittelbar legte sich eine frostige Atmosphäre über den Raum und alle Blicke richteten sich erneut auf Sato. Was erdreistete sich dieser kleine Angestellte, den Vorstand zu belehren. Solche, oder ganz ähnliche Gedanken, glaubte Sato, in ihren Gesichtern abzulesen. Sympathie schlug ihm jedenfalls nicht entgegen.

      »Und warum, Mr. Sato, könnte das ausgesprochen gefährlich sein?«, durchbrach der CEO die Stille. Seine Stimme hatte den Klang von gefrorenem Eis. Sato wischte sich die verschwitzten Finger an seinen Hosenbeinen trocken.

      »Weil Mr. Batedors Ankunft in der Vergangenheit gar nichts mit Insubordination zu tun haben könnte. Vielleicht wurde er lediglich Opfer eines tödlichen Unfalls. Würden wir jemanden an denselben Ort und dieselbe Zeit schicken, hätten wir gegebenenfalls schon zwei Tote zu verantworten. Selbst, wenn das nicht zuträfe, wäre diese Option gefährlich.« Atemlos durch seine schnell ausgesprochenen Sätze, sog er hastig Luft durch die Nase ein, bevor er seinen Gedankengang weiter ausführte.

      »Denn das, was wir hier und jetzt als unsere Gegenwart wahrnehmen, könnte bereits das Resultat von Mr. Batedors Verschwinden sein. Wenn wir ihn, wie vorgeschlagen, zurückholen, hätte das womöglich nachteilige Auswirkungen auf die Gegenwart, die wir kennen.«

      »Zum Beispiel?«, warf die Moderatorin verwirrt dazwischen.

      »Da gäbe es einige Möglichkeiten«, gab Sato zurück. »Es wäre beispielsweise denkbar, dass Historyscout Nr. 12 derartig unwichtig für die Geschichte war, dass rein gar nichts geschieht. Es kann andererseits genauso gut sein, dass sein Einfluss derart gravierend war, beziehungsweise ist, dass es ohne ihn diese Agency überhaupt nicht gäbe.«

      Entsetztes Schweigen folgte seinen Worten. Die meisten Mitglieder des Vorstands starrten ihn entgeistert an. Mitten in die Stille hinein meldete sich jemand, der bis dahin noch kein einziges Wort gesagt hatte. Reynold Berlitz, der verantwortliche Finanzchef der Agentur.

      »Ich bin ziemlich sicher, dass Sie sich da irren, Mr. Sato!«, warf er mit herablassendem Tonfall in der Stimme ein.

      »Die TT Agency gab es schließlich schon vor der Abreise von Mr. Batedor. Demzufolge wird seine sofortige Rückkehr kaum Auswirkungen haben können, oder?«

      Mit stechendem Blick fixierte er Sato, als wolle er sagen: »Ich rate dir, mir nicht zu widersprechen!«

      Aber der gebürtige Japaner hatte keine Wahl. Der Mann mochte arrogant sein und im Vorstand eines Mega-Konzernes sitzen, nichtsdestotrotz war er im Unrecht.

      »Sehen Sie, das ist leider das Problem mit Zeitreisen. Wir befinden uns exakt in dem Dilemma, vor dem wir unsere Datensammler immer wieder warnen und weswegen sie intensiv geschult werden. Man nennt es Paradoxon.«

      Inzwischen schlug sein Herz bis zum Hals. Hoffentlich klang seine Stimme trotzdem gelassen. Bloß nicht inkompetent wirken!

      »Womöglich ist es für unseren heutigen Status Quo absolut notwendig gewesen, dass Mr. Batedor gegen die Regeln verstieß«, erläuterte Sato mit möglichst verständlichen Worten weiter.

      »Seine potenzielle Insubordination wäre somit unerlässlich für den uns bekannten Verlauf der Geschichte. Sozusagen essentiell wichtig, was bedeuten würde, dass wir ihn um Gottes Willen nicht zurückholen dürfen. Prädestination, wenn Sie so wollen. Fügung?«

      Um seine Ausführungen zu unterstreichen, deutete er mit einer Hand gen Himmel.

      »Oder, Sie haben Recht und es passiert rein gar nichts. Genau das ist das Problem von Paradoxien. Man befindet sich mitten in einem unlösbaren Widerspruch.«

      Berlitz

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