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fragte eine männliche Stimme. Selbst das leichte Kopfschütteln verursachte unangenehmen Schwindel.

      »Mr. Jester! Sie sind im Arlington Memorial. Mein Name ist Dr. Spellman.« Gerry versuchte, etwas zu erwidern, aber sein Mund formte nur tonlose Worte.

      »Ich kann Sie nicht verstehen. Bleiben Sie ganz ruhig! Ihr Kehlkopf ist angeschwollen, das ist ganz normal. Wir mussten eine Magenspülung durchführen. Das EKG…«

      Die Lautstärke der Worte schwankte und sie ergaben zunehmend weniger Sinn. Schleichend verschwand alles in einem warmen Nebel.

      Als Gerry das nächste Mal aufwachte, war er allein. Die Beleuchtung des Zimmers war angenehm gedämpft. Im Gegensatz dazu waren seine Gedanken wieder hell und klar. Er erinnerte sich schlagartig an alles.

      Er lebte! Und das hieß, er hatte versagt - erneut!

      Kapitel 2 - 2085

      Der Anruf hinterließ ein mulmiges Gefühl in Haruki Satos Magengegend. Bisher war sein Job immer reine Routine gewesen. Und jetzt das! Security-Awareness-Meeting um fünfzehn Uhr in Raum Berlin. Das hatte die Sekretärin mit einem undefinierbaren Unterton in der Stimme befohlen. In den Besprechungsräumen mit Namen bekannter Hauptstädte fanden ausschließlich Sitzungen des Board-of-Directors statt. Genaugenommen hatte dort jemand in seiner Stellung nichts verloren. Das konnte nur eins bedeuten - Eskalationsbericht vor dem Gesamtvorstand.

      »In allen Dingen hängt der Erfolg von den Vorbereitungen ab«, zitierte Sato im Kopf eine alte Zen Weisheit, aus dem Land seiner Vorfahren, während er den Fortschritt der laufenden Auswertungen ein weiteres Mal kontrollierte. Analysejobs durchforsteten die Logdateien und spuckten im Minutentakt Berichte aus. Zwar konnte er in der Kürze der Zeit nicht besonders viele Details über die Episode WW2/35 in Erfahrung bringen, aber je mehr Daten er sammeln würde, desto besser.

      Bloß keinen inkompetenten Eindruck hinterlassen, keine nicht belegbaren Schlussfolgerungen präsentieren und, so gut wie möglich, für alle etwaigen Fragen gerüstet sein. Wenn man dem Flurfunk Glauben schenken durfte, konnten selbst Nichtigkeiten zur Entlassung führen. Ein Gedanke, der nicht unbedingt Mut machte.

      Sato begab sich auf den Weg. Die Aufzugstür zischte leise, als sie den Blick in die Vorstandsetage freigab. Der Unternehmensführung eilte der Ruf voraus, stets exzellent über die Entwicklungen im Konzern auf dem Laufenden zu sein. Hastig wischte er sich mit dem Handrücken eine feuchte Stelle von der Oberlippe.

      Durch eine gewaltige Schallschutztür betrat er den, ganz in Glas und mattem Aluminium gehaltenen, Raum. Eingeschüchtert von den enormen Ausmaßen des Saales, zog er unwillkürlich den Kopf ein und seine Schultern verspannten sich.

      Überlebensgroße Konterfeis berühmter Wissenschaftler und Persönlichkeiten beherrschten die wenigen Wände. Im Vorübergehen identifizierte er Albert Einstein, Marie Curie und Martin Luther King auf den gestochen scharfen Schwarz-Weiß-Fotographien. Einige der anderen dargestellten Personen waren ihm dagegen unbekannt.

      Wäre kein hochfloriger, steingrauer Teppich auf das teure Parkett gelegt worden, hätte man eine herabfallende Stecknadel hören können. Es war mucksmäuschenstill, als er eintrat.

      Ein leichtes Schaudern durchfuhr seinen Körper. Die Ausdrucke der Präsentationsfolien, die er für den Notfall angefertigt hatte, raschelten unter seinem Arm. Synthetikpapier war zwar nicht mehr State-of-the-Art, denn selbstverständlich lagen alle notwendigen Daten auf den Servern. Aber Mara, dem allgegenwärtigen Zen-Dämon, war es zuzutrauen, dass er sich sogar als Netzwerkfehler einschlich.

      Als die Anwesenden sein Eintreten bemerkten, richteten sich gespannt alle Blicke auf ihn. Eine junge Assistentin, mit blondiertem Kurzhaarschnitt, wies ihm einen Platz zu. Unbeholfen setzte er sich auf den dunkelgrauen Ledersessel.

      »Wollen wir beginnen, Scoutsupporter Sato?«, forderte ihn der CEO auf.

      »Selbstverständlich Sir, sofort.«

      Hektisch legte Haruki Sato seine Handfläche auf die dafür vorgesehene Stelle im Tisch. Unmittelbar darauf wurde die Glaswand am Kopfende milchig. Die Fensterflächen dunkelten automatisch ab und eine Präsentationsoberfläche erhellte einen Teil des Raumes.

      Eine ältere, gepflegt aussehende Endfünfzigerin im dunkelgrauen Blazer, die ihm schräg gegenübersaß, übernahm die Rolle der Moderatorin.

      »Computer, Aufzeichnung Revision Episode WW2/35 mit aktuellem Zeitstempel starten.« Das direkt vor ihr im Tisch eingefasste Display blinkte bereitwillig zur Eingabe von Notizen auf.

      »Mr. Sato, wir möchten Sie bitten, uns von Mr. Batedors Abreise zu berichten.«

      Der Scoutsupporter stand auf und eilte in Richtung Tischende. Hier vollführte er eine Handbewegung in der Luft, und sofort füllte seine Präsentation die gesamte Wand.

      »Danke sehr. Heute Morgen, um zehn Uhr, habe ich Mr. Batedor im Transitraum empfangen. Exakt, wie vorgesehen.«

      Er wischte die erste Folie beiseite. Ein Zeitplan erschien auf der Wand. Der Name Tomás Batedor und die Uhrzeit waren rot eingekreist.

      »Alle Systeme arbeiteten korrekt, wie Sie aus der Analyse des Task-Monitors ersehen können. Gravitation 100%, Krümmungsgrad CTC abgeschlossen.«

      Er wischte erneut, legte Daumen und Zeigefinger der rechten Hand aufeinander. Als er sie wieder öffnete, vergrößerte sich eine der Grafiken.

      »Entschuldigen Sie Mr. Sato. Ich hätte eine kurze Zwischenfrage«, kam es vom anderen Ende des Tisches. Vor dem Auge des Scoutsupporters erschien ein leuchtend grüner Schriftzug mit dem Namen der Dame, welche die Frage gestellt hatte.

       ›Dr. Sommers, Melissa - CHRO‹ - die Personalchefin.

      »Hat Mr. Batedor vor seiner Abreise Bedenken geäußert?«

      »Nein, Ma’am, Mrs. Sommers. Den Eindruck hatte ich nicht. Im Gegenteil, er wirkte vielmehr neugierig und voller Tatendrang«, erinnerte sich Sato.

      »Wie üblich habe ich ihn über die gesundheitlichen Risiken aufgeklärt und ihn die notwendigen Formulare unterschreiben lassen. Zum Schluss überreichte ich die Utensilien und wünschte ihm eine gute Reise.«

      »Hat er noch irgendetwas gesagt?« Sato überlegte einen kleinen Moment.

      »Den üblichen Scherz aller Historyscouts. Er sagte ›Bis gleich‹. Außerdem hat er sogar noch gewunken. Daran erinnere ich mich genau. Das hatte bis dahin noch keiner gemacht.« Einige der Anwesenden schmunzelten.

      »Aber, ob er sonst noch irgendwas gesagt hat, Ma’am? Da bin ich nicht sicher. Ton- oder Videoaufzeichnungen fertigen wir im Transitraum leider nicht an.« Mrs. Sommers nickte.

      »Danke, Scoutsupporter Sato.« Die Moderatorin blickte beflissen in die Runde der zehn Männer und Frauen, um die nächste Wortmeldung einzuleiten.

      Der CEO beugte sich zum Mann neben ihm herüber und flüsterte ihm etwas zu. Aufgeregt knackte Sato die Fingerknöchel. Stellten sie seine Aussage in Frage? Sekunden vergingen. Jemand goss sich eine Tasse Tee ein. Das Plätschern durchbrach die Stille. Mit zwei Fingern griff sich Sato in den zugeknöpften Hemdkragen und versuchte, seine Krawatte zu lockern.

      »Melissa, eine Frage bitte«, wandte sich der Vorstandsvorsitzende, ohne die Moderatorin zu beachten, an die Personalchefin.

      »Können Sie uns Auskunft über das psychologische Gutachten von Mr. Batedor geben?«

      »Aber natürlich, Paul.« Die Angesprochene räusperte sich, bevor sie fortfuhr.

      »Das Ergebnis war in Ordnung. Mr. Batedor lag sowohl in den medizinischen, als auch in den psychologischen Tests in der Norm«, sagte sie ein wenig zu laut. Der CEO runzelte die Stirn und bohrte nach.

      »In der Norm, Melissa? Also guter Durchschnitt?«

      »Nein, geringfügig darunter«, gab die Personalchefin missmutig zu. »Wären die Anforderungen letztes Jahr

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