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Lebenspfand. Robin Carminis
Читать онлайн.Название Lebenspfand
Год выпуска 0
isbn 9783748587736
Автор произведения Robin Carminis
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Hinzu kam, dass Gerrys Familientragödie in der Gemeinde ein offenes Geheimnis war. Kein Wunder, dass er nach hochdosierten Antidepressiva fragte.
Aber das Amitriptylin allein, würde nicht ausreichen. Die Menge der verschiedenen Medikamente und deren optimale Wechselwirkung war das Geheimnis des Erfolges. Diesmal ging er auf Nummer sicher. Die meisten Arzneimittel lagerten schon zuhause. Sorgfältig vor den Augen seiner Vermieterin, Mrs. Baker, und Taio verborgen.
Jetzt standen nur noch Aleve Kapseln und Loratadin Saft auf seiner Einkaufsliste. Und die würde er hier in Dallas besorgen. Nicht, dass daheim zufällig jemand die richtigen Schlüsse zog. Man kannte sich halt in der Gemeinde und in Bezug auf Klatsch und Tratsch war selbst eine Großstadt wie Arlington ein Dorf.
Gerry schlug die Autotür zu. Mitten in der Bewegung schoss ihm plötzlich ein Schmerz durch den rechten Arm. Was war denn jetzt los? Er rieb sich die Armbeuge und ballte eine Faust. Irgendwie brannte es höllisch in seinen Venen und der Arm ließ sich kaum bewegen. Reichte es nicht, dass er Zeit seines Lebens mit einem steifen Bein gestraft war? Fielen nun auch noch weitere Körperteile aus? Ein Grund mehr, all dem endlich ein Ende zu setzen!
Entschlossen humpelte er auf das Einkaufszentrum zu. Direkt im Eingangsbereich entdeckte er einige Wegweiser, auf denen mehrere Drugstores und Apotheken auf sich aufmerksam machten. Perfekt! Hier würde es ein Leichtes sein, die gewünschte Menge Medikamente zu bekommen, ohne dass er dabei unnötige Aufmerksamkeit auf sich zöge.
Gerry Jester betrat die Mall und steuerte die erste Apotheke an. Es standen etliche Kunden vor ihm, daher dauerte es einen Augenblick, bis er bedient wurde.
»Guten Tag, Sir!«, begrüßte ihn der Apotheker endlich. »Was kann ich für Sie tun?«
»Guten Tag! Ich hätte gern Loratadin Saft«, gab Gerry an.
»Wie viel Milliliter?«
»Dreimal zweihundert bitte.« Er bemerkte, wie der Apotheker kurz eine Augenbraue anhob. Rasch senkte er den Blick und gab vor, etwas in seiner Jackentasche zu suchen.
»Gerne. Ich muss Sie allerdings darauf hinweisen, dass dies die maximale Abgabemenge an Antihistaminika für eine Person ist.«, fügte der Verkäufer mit einem leicht belehrenden Tonfall in der Stimme hinzu. Gerry nickte wortlos.
«Haben Sie sonst noch einen Wunsch?« Etwas zögerlich bestellte er das zweite Präparat.
»Ja, Aleve Kapseln. Zwei Schachteln bitte.« Er wusste, dass dies ebenfalls die maximale Abgabemenge war und rechnete fest mit einer Nachfrage seines Gegenübers. Jetzt bloß nicht auffallen! Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Das Piepsen in seinen Ohren schwoll an, die Abstände zwischen den Tönen wurden immer geringer. Er musste sich konzentrieren, um den Apotheker zu verstehen.
»Ich verstehe«, hörte er den Mann zu seiner Überraschung lapidar antworten. Dann bemerkte er, wie der Verkäufer auf sein steifes Bein starrte und meinte, Mitleid in dessen Zügen zu erkennen. Aber der Arzneihändler drehte sich einfach um und begab sich zu den Regalen, um die gewünschten Artikel zu besorgen.
Gerry atmete durch. Ein beißender Geruch stieg ihm in die Nase. Es roch penetrant nach Desinfektionsmittel. War hier
etwas ausgelaufen? Zumindest lief sein Plan besser als erwartet. Eine weitere Apotheke oder ein Drugstore und er hätte alles, was er brauchte. Sicher, der Verkäufer hatte etwas seltsam geschaut, doch wirklich misstrauisch war er nicht geworden.
Eine Türglocke erklang. Hinter ihm betraten einige neue Kunden den Laden. Mehrere Stimmen redeten wirr durcheinander. Nervös trat Gerry von einem Fuß auf den anderen. Oder machte er sich was vor? Telefonierte der Mann womöglich hinten im Laden bereits mit der Polizei und meldete einen Verdacht?
»Das macht insgesamt neunundsiebzig Dollar. Zahlen Sie mit Kreditkarte?«, hörte er den Apotheker plötzlich fragen. Dieser war unbemerkt mit einem Korb unter dem Arm zurückgekehrt und hatte, während Gerry in seiner eigenen Gedankenwelt gefangen war, begonnen, die einzelnen Schachteln in einer Papiertüte zu verstauen.
»Nein, ich zahle bar«, entgegnete Gerry etwas zu hastig und erntete dafür erneut einen überraschten Blick seines Gegenübers.
»Natürlich, wie Sie wünschen.« Irgendetwas in der Stimme des Mannes ließ ihn innehalten. Es zwang ihn, den Kopf zu heben.
Gerry erschauderte. Es war, als würde der Mann geradewegs in seine Seele blicken. Nein, da war noch mehr. Glühten die Augen des Verkäufers etwa? Sein Unwohlsein wuchs mit jedem Atemzug. Die Muskeln in seinem rechten Arm zuckten wie wild. Auch das Geräusch in seinen Ohren piepste schlagartig unregelmäßiger und schneller. Was stimmte hier nicht? Das Weiß in den Augen des Apothekers wurde immer mehr zu einem Gleißen, das alles überstrahlte. Gerry musste blinzeln, um nicht geblendet zu werden. Doch es half nichts. Er konnte seinen Blick nicht abwenden und von Sekunde zu Sekunde wurde das Leuchten greller. Nur mit großer Anstrengung, die ihn an den Rand der vollständigen Erschöpfung brachte, schaffte er es, die Augenlider endlich zu schließen. Eine willkommene Dunkelheit und absolute Stille umhüllten ihn.
Dann blitzte es plötzlich. Ein langer und greller Blitz ohne Donner. Gewitter? Aber es schien weit entfernt zu sein. Er weigerte sich, die Augen wieder zu öffnen. Sollte der Kerl doch jemand anderen anstarren. Seine Gedanken drifteten orientierungslos umher. Ihm war kotzübel. Alles schien sich zu drehen. Hilflos wurde er von wirren Erinnerungen übermannt. Es blitzte erneut. War überhaupt Gewitter angekündigt? Träge fügten sich die Bilder wie bei einem Puzzle zusammen. Ginger, die Wetterfee von Good morning America, hatte kein Unwetter vorhergesagt. Höchstens leichten Schneefall für Dallas.
Er tastete matt mit der rechten Hand nach seinem Hals. Das Schlucken fiel ihm schwer, in seiner Kehle schmeckte es auf einmal wie rohes Fleisch. Der Arm ließ sich nur unter brennenden Schmerzen bewegen. Allein der pure Versuch ermüdete ihn dermaßen, dass er sofort wieder wegdämmerte.
Dann nahm er auf einmal unbekannte Geräusche und einzelne Worte wahr. Es klang wie eine dieser Arztserien aus dem Fernsehen. Wie bin ich nach Hause gekommen? Oh Gott, habe ich vergessen, die Flimmerkiste abzuschalten? Ein Gedanke, der erneut seinen Puls beschleunigte. Mahnend schlichen sich weitere Gedanken heran. Stromkosten, Staub, der sich im alten Röhrengerät entzündet, immer noch keinen Rauchmelder gekauft zu haben, Mrs. Bakers Schlaf zu stören.
»Doktor, wir haben keine Kenntnis über das eingenommene Präparat. Die Verwendung eines Antidots könnte kontraindiziert sein.«
»Wie ist die Sauerstoffsättigung?«
»Ich mach ihn schnell aus«, dachte Gerry benommen, doch bevor er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, wurde aus dem Grau seiner Wahrnehmung erneut Schwarz. Ein weiterer Blitz durchzuckte die Dunkelheit. Dieses Mal verweilte er schmerzhaft auf seinem Sehnerv. Gerry kniff die Augen fester zusammen und versuchte der unangenehmen Helligkeit zu entgehen. Jetzt wurde der Blitz sogar von einem Donner begleitet. Das Grollen des Unwetters schwoll an. Aus einer undefinierbaren Richtung mischten sich andere, ungewöhnliche Geräusche hinzu. Der Piepston war wieder da und dazu ein seltsames Schnarren.
Gerry spürte benebelt die Anwesenheit einer Person. In unmittelbarer Nähe seines Kopfes hörte er Stimmen. Plötzlich wurde sein rechtes Auge berührt und das Lid nach oben gezogen.
»Reguläre Miosis«, sagte jemand. Seine Pupillen implodierten bis auf Nadelstichgröße. Der Blitz haftete auf ihnen, wie ein unbarmherziger Laserstrahl.
»Mr. Jester?«, hörte er, wie durch einen Gehörschutz gedämpft, seinen Namen.
»Mr. Jester, können Sie mich verstehen?« Von Panik ergriffen, versuchte Gerry, sich aufzurichten. Drehschwindel und ein Übelkeit verursachender, saurer Geschmack im Mund waren die Folge. Das Licht erlosch abrupt. Kräftige