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      Kapitel 2

      Ed tippte einen Namen in die Kontaktliste seines Handys ein. Dann drückte er den grünen Hörer.

      „Hier ist Ed! Du musst ein Kennzeichen für mich ermitteln. – Arizona…“, er nannte die Zahlen und Buchstabenkombination, die er dem Nummernschild des silbernen Chryslers entnommen hatte. Dann wartete er einen Moment ab. „Du sagst Boris Walsh? Schickst du mir seine Adresse auf mein Handy? – Gut, danke! Big Chain lässt dir danken.“

      Er grinste breit. Die kleine Schlampe würde sich nicht vor ihm verstecken können.

      Kapitel 3

      Jemand fasste mich an. Ich schreckte hoch. Kerzengerade saß ich im Wagen und starrte ihn an. Den Anzugmann.

      „Ganz ruhig, Emma. Du musst umsteigen.“

      „Was?“ Ich fühlte mich benommen.

      „Du wechselst das Fahrzeug!“

      Er reichte mir die Hand und als ich zögerte, zuzugreifen, winkte er.

      „Komm schon, es muss schnell gehen!“

      Ich stieg aus dem Auto, ohne mir jedoch von ihm helfen zu lassen. Mein Blick suchte die Umgebung ab. Es war bereits dunkel und wir befanden uns in einem Waldstück. Jeder konnte mich hier ermorden und niemand würde meine Leiche je finden. Warum genau vertraute ich dieser Wärterin? Sie galt als zuverlässig, wiederholte ich innerlich.

      „Steig ein!“ Der Mann schob mich zu einer Limousine. Sie war ebenfalls silbermetallic mit verdunkelten Scheiben.

      Ohne weiter zu fragen, stieg ich in das andere Fahrzeug. Mein Anzugbegleiter blieb draußen. Stattdessen saß eine junge Frau am Steuer und startete den Wagen.

      „Hallo Emma! Ich bin Sandy und wir werden ab jetzt zusammen wohnen und arbeiten. Freut mich, dich kennenzulernen!“

      Ich starrte sie über den Rückspiegel an, versuchte mir ein Bild von ihr zu verschaffen. Im faden Schein der Innenbeleuchtung des Wagens erkannte ich klare blaue Augen und blonde lange Haare. Sie schien hübsch zu sein.

      „Und wo werden wir zusammen wohnen und arbeiten?“

      Mittlerweile war es mir egal, wo ich landete. Ich war müde und hasste es, weitergereicht zu werden. Wenigstens wusste ich jetzt offiziell, mit wem ich meine Reise fortsetzte. Sandy.

      Ob sie auch so eine „Einer-der-häufigsten-Namen-der-Vereinigten-Staaten-Sandy“ war? Oder hieß sie tatsächlich Sandy?

      „Lass dich überraschen! Ich kann dir nur sagen, mir gefällt es dort.“

      Sollte ich erwähnen, dass ich Überraschungen hasste? Doch ich schwieg.

      „Und wie heißt du wirklich, Sandy?“

      Unsere Blicke begegneten sich wieder im Spiegel. Sie lächelte.

      „Du wirst dich schnell an alles gewöhnen und in ein paar Monaten hast du vergessen, wer und was du vorher warst.“

      Ich schluckte. Sie würden mich behandeln, mit Elektroschocks oder etwas Ähnlichem? Damit ich meine kriminelle Vergangenheit vergaß?

      „Wie meinst du das?“

      Sie lachte. Überhaupt, sie schien ein fröhlicher Mensch zu sein.

      „So ging es mir zumindest. Die Atmosphäre dort ist einfach schön. Alle sind sehr herzlich. Es ist ein ruhiges Arbeiten mit viel Zeit zum Nachdenken.“

      Ich nickte und lächelte zurück. Ich würde in einer wüsten Einöde landen und in einer Kommune leben, in der sich alle lieb hatten… Mein Lächeln gefror zu einer Fratze. Meine Wangenmuskeln verkrampften sich und der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen. Es dauerte einen Moment, bis ich merkte, dass ich meine Zähne nicht so fest aufeinanderpressen durfte, lockerte meine Kiefermuskulatur und die Schmerzen verschwanden.

      „Gibt es dort Abwechslung? Ich meine, so etwas wie eine Stadt, mit Bars oder Tanzschuppen?“

      Sie lachte schon wieder. Ich beschloss, keine weiteren Fragen zu stellen.

      „Nicht direkt in der Nähe, aber in den nächsten Großstädten.“

      Und der Bus dorthin, den ich zwangsweise nehmen musste, fuhr vermutlich nur einmal im Monat. Ich schwieg.

      Ich musste wieder eingenickt sein, denn ich schreckte auf, als es einen lauten Knall gab und das Fahrzeug fürchterlich zu hoppeln begann. Das trieb meinen Adrenalinspiegel in die Höhe und für einen Moment hörte ich mein Herz laut pochen.

      „Shit!“, rief Sandy aus und bremste ab.

      „Was war das?“

      Sie stöhnte.

      „Bist du verletzt?“, fragte ich besorgt. War der Knall ein Schuss gewesen? Hatte Big Chain mich gefunden? War Ed uns gefolgt?

      „Mir geht es gut. Aber ich fürchte, dem Reifen nicht! – Bleib bitte im Wagen sitzen!“ Sie stieg aus. Es war mitten in der Nacht, die Uhr im Armaturenbrett zeigte zwanzig nach vier an. Die Umgebung war dunkel und weit und breit kein Haus oder gar ein Licht oder irgendetwas zu sehen. Sekunden schienen sich zu Minuten auszudehnen. Während mein Pulsschlag in beiden Ohren deutlich hörbar rauschte, hörte ich nichts. Und ich sah nichts. Meine Hand lag am Türgriff. Ich sollte sitzen bleiben. Aber ich ließ mir ungern von anderen sagen, was ich tun sollte. Also zog ich den Hebel und stieg aus.

      Sandy zuckte zusammen, als ich neben sie trat.

      „Und?“, fragte ich und rieb mir die Oberarme.

      „Wie vermutet. Der Reifen. Ich muss telefonieren.“

      „Kannst du etwa keinen Reifen wechseln?“

      Sie sah mich im Schein ihrer Handytaschenlampe an. Dann lachte sie.

      „Nicht wegen dem Reifen. Ich melde nur kurz die Panne! Wir werden uns dadurch verspäten.“ Dann wählte sie eine Nummer.

      „Hi, Aiden! Wir haben eine Panne. Ein Reifen ist geplatzt. – Nein, ich denke, das ist kein Problem. – Auf der 40, kurz vor Joseph City. Ja! – Ah, okay, das ist lieb. Danke. Ich melde mich, wenn es weiter geht.“

      Es gab dort also doch Männer. Zumindest einen. Aiden. Oder war es vielleicht doch nur der Mann im Anzug, der mich bis zu diesem Wagen begleitet hatte. Sandy beendete das Telefonat, öffnete den Kofferraum, suchte Werkzeug und baute den Reservereifen aus.

      „Kannst du den Wagenheber platzieren?“ Sie reichte mir das Gerät. Ich nahm es, aber da wir nie ein Auto besaßen, wusste ich nicht, wie man einen Wagenheber am besten platzierte. Dennoch ging ich zu dem betroffenen Reifen und hockte mich auf den Boden. Ich wusste, es gab irgendeine Stelle, an der man das Werkzeug ansetzen musste. Aber wie sollte ich sie im Dunkeln finden.

      „Aiden schickt uns Verstärkung. – Als Schutzmaßnahme.“

      „Ist das der Anzugtyp?“

      Sie lachte.

      „Nein, Aiden ist der Boss! – Du wirst ihn mögen. Ah!“ Sie richtete sich auf. Bevor wir einen Lichtschein sahen, hörten wir das Dröhnen von Motoren. Motorradmotoren. Meiner Einschätzung nach vom Typ Harley Davidson.

      Der Nachbar meiner Mutter besaß ein solches Motorrad und immer, wenn ich gezwungen war, in meinem Zimmer zu bleiben, weil meine Mutter „arbeitete“, saß ich im offenen Fenster und wartete sehnlichst darauf, dass er sein Motorrad in Gang setzte. Für diesen Moment überlagerte das Röhren der Harley die Geräusche, die aus Mutters Schlafzimmer zu mir drangen. Und für einen Augenblick konnte ich dann ausblenden, was sie dort gerade tat.

      Doch jetzt machte mir dieses Geräusch eher Angst. Zwei Leuchtkegel näherten sich uns und das Geräusch der Motoren wurde lauter. War das unsere Hilfe, die der Boss angekündigt hatte? Sie kam unvermutet schnell, so mitten in der Nacht. Ich erhob mich und lehnte mich lässig

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