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Die vier Haimonskinder ritten zumal auf einem großen

       überstarken Rosse, des Name war Bayard. Viele

       Wahrzeichen gibt es noch von ihm im Lütticher

       Lande und der Gegend dort herum. Nahe bei Lüttich

       ist ein Felsen, der zeigt eine kahle glatte Stelle, darauf

       ist ein Rosseshuf eingetreten, der rührt vom Bayard

       her. Als das Roß auf Kaiser Karls Befehl von den vier

       Haimonskindern zur Sühne dargebracht wurde, ließ es

       der harte Kaiser von der Brücke zu Paris in die Seine

       werfen, nachdem es mit Stricken gebunden war, aber

       mit seiner Kraft zersprengte es die Stricke und kam

       wieder hervor aus dem Wasser und lief zu seinem

       Herrn und leckte ihm die Hand. Da ließ der Kaiser

       das Roß mit Steinen belasten und abermals in den

       Strom stürzen, und wiederum kam es hervor und hatte

       die Steine von sich geschüttelt und lief zu seinem

       Herrn und stand – und zitterte. Aber der Kaiser fand

       seines Zornes gegen das Roß kein Ende und gebot, es

       solle am Hals und an den Füßen mit Mühlsteinen belastet

       und zum dritten Male in die Flut geworfen werden.

       Als das kluge Roß Bayard dieses grausame Wort

       vernahm, erschrak es und entfloh ins Weite – aber der

       Kaiser gebot Reinhold von Dordone, dem jüngsten,

       aber stärksten Sohne Haimons, des Rosses Herrn,

       dem es willig wie ein Kind diente und gehorchte, daß

       er gehe und den Bayard fange. Da ging Reinhold –

       schwerer am Kummer auf seinem Herzen tragend, als

       das Roß an Steinen getragen hatte – und fing den Bayard

       und brachte ihn geführt, und so wurde das treue

       Roß zum dritten Male in die Flut gestoßen, so schwer

       belastet, daß es sich nicht wieder ihr entringen konnte.

       Es hob nur noch ein einziges Mal den Kopf in die

       Höhe und blickte auf Reinhold, seinen Herrn, hin,

       dann versank es. Da tät sich Reinhold aller ritterlichen

       Gewaffen ab, wanderte als Büßer von hinnen,

       kam nach Köln, der heiligen Stadt, und arbeitete allda

       unter den Maurern um kargen Lohn am Dombau, bis

       neidische Mitgesellen ihn durch einen Steinwurf töteten,

       den sie von einer Höhe niederwarfen.

       Das Roß Bayard aber blieb unvergessen, vielfach

       blieb sein Name in Ehren, ja es geht auch die Sage,

       daß es sich an ferner Stelle dennoch wieder aus dem

       Strom gerettet und in den Ardennerwald sich geborgen

       habe, wo es noch immer bisweilen sich sichtbar

       zeige. Bei Dinant ist ein vielfach zerklüfteter Fels, der

       heißt der Bayardsfelsen, und ohnweit Charleroi, oberhalb

       dem Dorfe Couillet, wird auch ein Bayardstritt

       im Stein gezeigt. Dem Rosse zu Ehren hatten die vier

       Haimonskinder ein Schloß Bayard genannt, das steht

       zu Dhuy in der Grafschaft Namur, dort haben sie öfter

       gewohnt, sowie auch auf dem Schlosse Reinoldstein

       in der Provinz Lüttich, wo nahe dabei Schloß Poulseur

       gelegen war, darauf Malagys, der Vetter der vier

       Haimonskinder, ein mächtiger und listiger Zauberer,

       wohnte, wie auch im Schloß Amblème, das noch nach

       ihnen heißt, und in Eggernwalde. Auch liegt ein Dorf,

       Berthem, im belgischen Lande, das hat das Roß Bayard

       zum Wappen. Auch zeigte man allda des Rosses

       große Krippe und nahe bei Berthem, im Walde

       Meerdael, auch einen Bayardhuftritt. Als Reinhold

       von Dordone von seinen Brüdern geschieden war, entsagte

       auch sein ältester Bruder Adelard der Welt, begabte

       die Abtei Corvey mit der Oberherrlichkeit von

       Berthem und trat als Mönch in jenes Stift, verstarb

       auch alldort eines seligen Todes. Über dem Hochaltare

       der Kirche zu Berthem fand sich vordem ein Gemälde

       aufgestellt, darauf sahe man Adelard und seine

       Brüder samt dem Rosse Bayard vor einem Kreuze

       knieen.

      Kapitel 7

      134. Die Toten in Löwen

       Zu Löwen war ein Totengräber, der sollte ein Grab

       bereiten, fühlte sich aber krank, zumal war es am

       Abend Allerheiligen (Vorabend Aller Seelen) und

       schon recht kalt, und da bot sich, wie er klagte, sein

       Gevatter an, das Grab für ihn zu machen, was aber zu

       Nacht noch geschehen mußte. Vor Mitternacht war

       der Mann mit seiner Arbeit fertig und wollte vom

       Kirchhof hinweggehen, da sah er eine Prozession auf

       diesen gezogen kommen, die schritt über alle Gräber;

       es schienen weiße Mönche zu sein, und jeder trug eine

       Kerze, und wie sie an den Gevatter kamen, der ein

       Spielmann war, ließen alle ihre Kerzen vor ihm hinfallen,

       der letzte Mönch aber warf eine große Kugel

       vor ihm hin, mit zwei Dochten. – Ei, dachte der unerschrockene

       Spielmann, das ist schön weiß gebleichtes

       Wachs und ein guter Lohn für meine Mühe; sammelte

       daher alles sorglich auf, band es in sein Tuch und

       barg es daheim unters Bette, schlief auch ganz ruhig

       in dieser Nacht.

       Andern Tages aber, als der Spielmann sich früher

       niedergelegt hatte, konnte er nicht einschlafen, sondern

       wachte die Mitternachtstunde heran; siehe, da tat

       seine Kammertüre sich auf, und es kamen alle die

       weißen Mönche herein und stellten sich um die Betten

       her, in denen der Spielmann und seine Frau lagen,

       und bückten sich und schauten unter des Spielmanns

       Bette und zogen das Tuch mit den vermeinten Kerzen

       hervor, und über dem Bücken entfielen den Mönchen

       ihre weißen Kapuzen und Mäntel, und waren eitel

       scheußliche Gerippe, und schrieen: Mein Arm! Mein

       Bein! Mein Kreuz! Meine Rippe! Und meine Rippe!

       Und mein Kopf! schrie das letzte Gerippe, das hatte

       in der Tat keinen Kopf, und alle den andern Gerippen

       fehlte das, wonach sie riefen, und das alles

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