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psychologischen Kriegsführung eingesetzt wurden. Hypnose, Fernwahrnehmung, Hellsehen. Alles schön vom Senat bewilligt. Da muss verrücktes Zeug passiert sein. Die Stargate-Typen haben angeblich Ziegen hypnotisiert, bis sie umgekippt sind. Herzstillstand.«

      Ryder beißt sich in die Wange, plötzlich unsicher, auf was er sich mit Drishti eingelassen hat.

      »Ein paar Marines haben bei Stargate immerhin versucht, mit neuen Trainingsmethoden zu arbeiten und anders an die verkrusteten Feindbilder heranzugehen«, sagt Brook. »Beim CIA sind wir wirklich zu lange dem verstaubten Hollywood-Drehbuch gefolgt. Ich hab noch in Schlaghosen sowjetische Atomwissenschaftler zum Überlaufen gebracht. Plötzlich war der Kalte Krieg vorbei. Unter Clinton wurde ich nach Tansania versetzt, es sollte ein langweiliger Strafposten werden. Als in Daressalam dann die Botschaft in die Luft flog, saß ich in einer Hotelbar bei meinem zweiten Manhattan. Es war halb elf am Vormittag. Al-Qaida hat uns kalt erwischt. Wir wussten gar nicht, nach wem wir suchen sollten, weil von den meisten Leuten keine Fotos existieren.«

      »An dem toten Winkel ist schon etwas dran«, sagt Anwar. »Der Islam ist kaum in Bildern kanonisiert, wir haben unseren Glauben ganz anders verinnerlicht. Ich weiß nicht, ob ich mich richtig ausdrücke, aber bei uns entwickelt jeder seine eigene Vorstellung, ganz individuell. Deshalb sind wir, was den Glauben anbetrifft, vielleicht nicht so leicht manipulierbar. Was meinst du, Kellogg?«

      »Oder genau umgekehrt«, sagt der, »leichter manipulierbar? Beides?«

      »Jedenfalls verausgabt sich der Westen beim Schattenboxen.« Zulu stößt ein paar Fäuste in Ryders Lichtkegel.

      »Ich glaube, der General will es noch einmal wissen, bevor er pensioniert wird«, sagt Haviland. »Er will den Leuten im Pentagon et was beweisen. Drishti ist sein letzter Versuch, Geschichte zu schreiben.«

      »Wenn die uns mit Ziegen oder sonstigem Tierzeugs kommen, bin ich raus.« Morales zieht sich das Laken über den Kopf. »Und jetzt haltet endlich das Maul.«

      Das Kommunenleben auf der Ranch, Sakchins sonderbares Trai-ningsprogramm und sein Hippie-Vokabular sind gewöhnungsbe-dürftig, aber im Prinzip harmlos.

      Sakchin spricht viel von Bescheidenheit und Selbstlosigkeit. Das Ego sei der größte Feind einer erfolgreichen Organisation, Einsicht in die eigenen Schwächen fundamental. Menschen hätten bei Drishti einen viel höheren Stellenwert als Maschinen, geistige Stärke sei wichtiger als körperliche, unreflektiertes Gruppendenken bedeute den Tod. Er wird ihnen das Denken neu beibringen, sie von Konventionen und Vorurteilen befreien.

      Atmen ist Sakchins Lieblingsthema. Schöner, besser, lauter, gleichmäßiger atmen! Atmen wie die Brandung des Ozeans. Atmen und meditieren, an nichts denken oder, besser noch, überhaupt nicht denken. Ryder machen das Nichtstun und Nichtsdenken nervös. Außerdem nörgelt Sakchin ständig an seinem Körper herum. Er behauptet, die Muskelmasse würde ihn schwerfällig machen. Es hat Ryder Jahre gekostet, seinen Panzer aufzubauen. Laut Sakchins blumiger Doktrin bräuchten Drishtis die Ausdauer eines Kamels, die Geschwindigkeit einer Gazelle und die Flexibilität einer Schlange.

      Zum Abnehmen scheucht der General ihn im Morgengrauen raus, für ein paar Meilen sogenannter bewegter Meditation, während die anderen noch gemütlich in der Scheune träumen. Bei einem dieser Läufe beobachtet Ryder, wie Anwar und Kellogg gemeinsam ihre Gebetsteppiche aufrollen, lachend. Sie sehen ihn nicht.

      Nach wenigen Wochen ist Sakchin einigermaßen zufrieden. Sie würden sich endlich bewegen wie exotische Katzen, die den großen Diamanten aus dem Palast stehlen wollten. Als Krönung will er jedem ein geheimes Mantra geben. Eine Art Gebet, das sie immer dann einsetzen sollen, wenn sie unter Druck stehen, wenn das Adrenalin steigt und die Fluchtreflexe überhandnehmen. Das Mantra würde für Klarheit, Ruhe und innere Stärke sorgen. Sakchin hat es auf die persona eines jeden zugeschnitten. Warum kann der Typ nicht einfach Person sagen?

      Sakchin geht vom einen zum anderen, hält Hände, schaut in Augen und atmet mit jedem eine Runde, bevor er jedem dieses Mantra zuflüstert. Morales’ scheint kurz zu sein. Warum stellt Brook bei seinem so viele Fragen? Jamie ist zuerst skeptisch, scheint dann aber amüsiert. Zulu ist so ergriffen, dass er sich Tränen unter der Brille wegwischt. Kellogg lehnt seinen rasierten Kopf zu Sakchin und jault dann mit kindischer Begeisterung. Er gibt Sakchin und Anwar ein High-Five und streift Ryder mit einem komischen Seitenblick.

      Ryder wird das nicht an sich heranlassen, das Mantra nicht und keines dieser ungebetenen Gefühle. Er wird sich nicht von einem Irren aus einem Sex-Kult sein Motto vorbeten lassen. Er wird sich einfach ein neues ausdenken.

      »Für dich habe ich was ganz Spezielles, Ryder«, sagt Sakchin. »Du strahlst so einen intensiven Lebenswillen aus.« Sakchin hält den Atem an, lange, lässt ihn wieder ausströmen und reinigt dabei seinen Körper von allem Übel der Welt, wie er zu sagen pflegt. Ryder macht es ihm halbherzig nach.

      »Dein Mantra ist relativ komplex. Du musst es an deine Atmung koppeln. Du wirst es lieben.«

      Ryder spürt die Aufmerksamkeit der anderen.

      »Bereit?« Ein harziger Geruch geht von Sakchin aus, intensiv, aber nicht unangenehm. Er flüstert Ryder ins Ohr, und es ist, als würde er ihm direkt in die Seele hauchen. »Einatmen: Wieso? Luft anhalten: Weshalb? Ausatmen: Warum? Was soll’s? Versuch dir die Worte vorzustellen.«

       Wieso, weshalb, warum? Was soll’s?

       Wieso, weshalb, warum? Was soll’s?

       Wieso, weshalb, warum? Was soll’s?

      Ryder atmet mit den Worten, er atmet im Rhythmus der Silben tief ins Zwerchfell. Gelassenheit breitet sich in ihm aus. Ruhe.

      Sein Mantra ist genial!

       Wieso, weshalb, warum? Was soll’s?

      Als Ryder später wie gewohnt das Lagerfeuer vorbereitet, kündigt der General eine spirituelle Zeremonie an. Ein peruanischer Schamane fährt in einem klapprigen Ford Mustang vor. Mit seinen ausgetretenen Flip-Flops, der chullo-Mütze und dem T-Shirt mit der Aufschrift pura vida sieht er eher wie die verwahrlosten Gangster aus Ryders alter Nachbarschaft San Ysidro aus. In einem Kessel über dem Feuer kocht der Schamane Kräuter und murmelt dabei einen Sprechgesang.

      »Der Tee hier öffnet den präfrontalen Kortex«, sagt der General. »Dort sitzt einer der primitiveren Bereiche unseres Gehirns, die Psyche, das Unterbewusstsein. Es werden starke Gefühle hervorbrechen. Wir schicken Vergangenheit und Zukunft auf Kollisionskurs, und da kommen oft Erinnerungen hoch, die Sie vielleicht lieber vergessen wollen. Aber ich verspreche Ihnen, Sie werden ein tieferes Verständnis für sich und andere erlangen.« Der General bleibt mit seinem Blick an Ryder hängen. Vielleicht bildet er sich es auch nur ein. »Dieses Erlebnis wird Sie von den negativen Erfahrungen befreien, die Sie in Ihrer Entwicklung hemmen. Gute Reise!«

      Nacheinander trinken die Männer von der verbeulten Blechtasse des Schamanen.

      Plötzlich lässt sich Kellogg neben Ryder auf den Boden fallen, ist schon eine Weile her, dass sie sich unterhalten haben. Er nimmt einen großen Schluck und zieht eine Grimasse. Ryder benetzt nur die Lippen, der beißende Geruch steigt ihm in die Nase, der Geschmack ist widerlich. Für ihn ist die Vergangenheit recht gut aufgehoben, dort, wo sie ist. In der Vergangenheit.

      »Stell dich nicht so an«, lacht Kellogg. »Zu Hause gibt’s wieder Margaritas.«

      Die Drishtis schauen erwartungsvoll in die Runde.

      Grillen zirpen. Der Schamane singt. Moskitos stechen. Feuer knistert.

      Sonst nichts.

      Tyrone greift nach einem brennenden Ast, schwingt ihn über dem Kopf. Dann steht der General auf und hüpft schwer atmend auf der Stelle. Das Lagerfeuer wärmt. Der Vollmond scheint herab. Kellogg nuschelt vor sich hin, die Lider auf einmal schwer, als hätte er gekifft. »Sarahs kleine Katze, überfahren. Kopf war noch intakt. Wusste gar nicht, dass es ihre Katze war. Seidiges Fell. So weich.« Er streicht sich über den kahlen Kopf. »Weiche Katze. Ich mochte Sarah. Dann ist sie weggezogen. Weg.« Eine Träne rollt

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