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ein. Weder für mich noch für einen von euch.«

      Ein nervöser Typ im Overall und mit randloser Brille räuspert sich. Er wendet sich Morales in einer seltsamen Sprache zu. Der antwortet auf Englisch. »Nicht schlecht, hast dir den Namen Zulu verdient. Den Dialekt sprechen höchstens noch ein paar Tausend von uns.« Fragt sich nur, was er damit in New Mexico anfangen soll, denkt Ryder.

      Brook ist schon etwas älter, er hat ein riesiges, himbeerfarbenes Feuermal im Gesicht. Er war bei der Navy und ist später mit dem Geheimdienst auf der Welt herumgekommen. »Spezialgebiet Charakterstudien.« Er mustert Ryder. »Du bist das Ass der Aztecs.« Ryder und er stoßen die Fäuste gegeneinander.

      »Respekt, Mann«, sagt der einzige Schwarze im Raum.

      »Das ist Tyrone, ein legendärer Scharfschütze«, ergänzt Brook mit einem entwaffnenden Grinsen, das sein Feuermal zum Leuchten bringt. »Ich sehe schon, das wird ein Spaß mit euch.«

      Als der General abends vor dem offenen Feuer aufmarschiert, wird nicht einmal salutiert. Alle sitzen entspannt auf dem Boden herum.

      »Unsere Spezialeinheit hat den Codenamen Drishti. Weiß je-mand, was das Wort bedeutet, Drishti?«, fragt der General.

      Ryder spielt Kopf-Bingo und lässt die einzelnen Buchstaben in Gedanken wie auf einer Anzeigetafel flattern.

       Shritid. Thrisid. Ithrisd.

      Ihm fällt nichts Brauchbares ein. Es muss eine Abkürzung sein.

      Der General zeigt auf ihn. »Was meinen Sie, Ryder? Drishti?«

      Ryder spürt, wie er rot wird.

      »In Ihnen rattert es doch, Leutnant. Spucken Sie’s aus!«

      Ryder steht auf. »Sir, ich glaube es ist ein Akronym.«

      »Interessant. Wofür sollen die Buchstaben stehen?«

      »Akronym?«, flüstert Kellogg von unten herauf und kitzelt ihn mit einem Strohhalm an der Wade. Ryder stampft auf, aber das Kitzeln wird stärker. Er wird sich mit dem Akronym lächerlich machen. »Sir, Drishti steht für Delegation radikal intelligenter Soldaten mit hervorragendem und totalem Insiderwissen.« Ryder hat es ausgesprochen. Laut. Er kann es nicht mehr zurücknehmen.

      Der General nimmt ihn mit seinem stählernen Blick auseinander. »Delegation intelligenter Soldaten mit hervorragendem was, bitte?«

      »Delegation radikal intelligenter Soldaten mit hervorragendem und totalem Insiderwissen, Sir.«

      Der General klatscht. »Falsch, aber genial.«

      Ein Raunen geht durch die Gruppe, Santiago pfeift anerkennend. Anwar grinst Ryder mit seinen perfekten Zähnen an, und Ryder erschrickt, als Zulu ihm auf die Schulter klopft. »Drishti ist kein Akronym. Es ist ein Wort aus dem Sanskrit.«

      »Korrekt, Zulu.« Der General deutet zwischen seine Augen. »Es bedeutet so viel wie drittes oder allsehendes Auge. Sie werden hier lernen, Ihre Wahrnehmung zu schärfen. Drishti ist ein völlig neues Militär-Programm, ein Labor, ein Thinktank. Wir experimentieren mit neuen, innovativen Techniken psychologischer Kriegsführung. Seit dem Ende des Kalten Kriegs haben wir es mit einem neuen Feind zu tun, Terrorismus. Terrorvereinigungen wie Al-Qaida arbeiten in dezentralisierten Splittergruppen, die zu einem Netzwerk gehören. Was hält sie zusammen?«

      Keiner antwortet. Brook meldet sich gelangweilt, aber der General übergeht ihn.

      »Morales, was hält diese Kämpfer zusammen?«

      Morales steht langsam auf und sieht sich um. »Ein starker Anführer?«

      »Genauer, Morales! Wer ist dieser Anführer? Wie heißt er?«

      »Es ist keine Person, keine richtige.« Morales faltet die Hände zum Gebet und blickt nach oben. »Es ist Gott. Ihr Gott, Allah.«

      »Korrekt, Morales. Moderne Terrorgruppen kann man nicht an ihrer Arbeitsweise erkennen. Moderner Terror definiert sich über eine Art zu denken, über den Glauben an etwas. Wir werden hier versuchen, uns in andere hineinzudenken. Dazu müssen wir zuerst uns selbst verstehen lernen. Sakchin wird Ihnen dabei helfen.«

      Am nächsten Tag werden die Arbeitsaufgaben der Kommune, wie Sakchin es nennt, verteilt. Ryder wird beauftragt, abends das Lagerfeuer in Gang zu bringen. Brook zaubert im Dämmerlicht VHS-Kassetten, einen Videorekorder und einen alten Fernseher hervor. »Ich hab ein paar alte Lehrfilmchen aus dem CIA-Archiv hier«, sagt er verschmitzt. »Eher alte Schule.«

      Auf der Ranch gibt es kaum Elektrizität, nur das wenige, was die alte Windmühle generiert. Jamie bringt das improvisierte Kino mit einer Autobatterie in Gang.

      Der General stellt sich vor den Monitor. »Was Sie hier sehen werden, ist das genaue Gegenteil von dem, wie wir arbeiten wollen. Damals verließ man sich auf technische Geräte. Geheimagenten, die im Auftrag ihrer Regierungen die Welt unsicher machen. Aber sowas überlassen wir dem CIA. Wir suchen nach Glaubenskriegern, nach Männern, die ihren Kampf spirituell verstehen, die ihr Leben dafür lassen würden, unabhängig von ihrer Nation. Uns interessieren flexible Splittergruppen von Jakarta bis Algier. Wir haben es mit einem Vexierbild zu tun. Amüsieren Sie sich.«

      In den unfreiwillig unterhaltsamen Filmen werden alte Geheimdienstmanöver nachgestellt. Männer in Hawaiihemden, das Mikrofon in der verspiegelten Pilotenbrille versteckt, flanieren durch tropische Parkanlagen und flüstern sich hinter Eiskugeln Geheimcodes zu. Verführerische Agenten-Fräuleins lassen vergiftete Maraschino-Kirschen in feindliche Cocktails plumpsen. Baupläne von Nuklearsprengköpfen werden mit Spionkameras abgelichtet, Tresortüren in die Luft gesprengt, Wolgas jagen durch einsame Schneelandschaften.

      »Diese Bilder erinnern mich an etwas«, sagt der General, als die Show vorüber ist, »an etwas, an das ich mich gar nicht erinnern kann. Hollywood und die Medienberichterstattung haben so viel von dem geprägt, was wir zu wissen glauben. Unser Ziel ist es, diese Vorstellungen, dieses kollektive Bewusstsein gezielt wieder zu verlernen. Die Bilder haben riesige tote Winkel in unseren Köpfen produziert, welche die Terrororganisationen ausnutzen. Ich glaube sogar, dass die Extremisten uns etwas voraushaben mit ihrem Bilderverbot. Die Bilderflut des westlichen Kapitalismus hat uns blind gemacht. Ich sehe das gerade ganz deutlich.« Der General starrt mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit. »Wir müssen anders sehen lernen, damit wir Attentate im Vorfeld stoppen können. Hellseherisch. Mit unserem dritten Auge.«

      Als die Drishtis später in ihren Laken in der Scheune liegen, fragt Kellogg vorsichtig ins Dunkel: »Wie ernst meint der General das eigentlich mit dem Hellsehen?«

      Jamie setzt sich auf. »Wenn der General so begeistert vom Bilderverbot ist, warum trägt dann Sakchin das Porträt von diesem indischen Sektenführer um den Hals? Das ist doch Idolatrie.«

      »Ehemaliger Sektenführer. Osho hieß der, ist inzwischen tot«, sagt Haviland. »Hatte in Oregon eine Sex-Kommune aufgezogen. Rajneeshpuram. Ich bin ein paar Meilen weiter nördlich aufgewachsen.«

      Ryder wird hellhörig. »Sex-Kommune? Wie bei den Mansons?«

      »Auch durchgeknallt, aber anders«, sagt Haviland. »Wir sind oft mit dem Moped nach Antelope gefahren, nur um uns diese Irren in ihren roten Roben anzuschauen. Dort habe ich auch den General zum ersten Mal gesehen.«

      »Im Ernst?« Auch Tyrone wird aufmerksam.

      Ryder knipst seine Taschenlampe an und leuchtet Haviland damit ins Gesicht. »Du wusstest das und bist trotzdem hierhergekommen?«

      »Der General weiß, dass ich es weiß. Er weiß auch, dass ich weiß, dass er weiß, dass ich von Rajneeshpuram weiß. Ich dachte, ich sehe mir das mit meinen eigenen drei Augen an.«

      »Sie haben ihn deswegen beim Militär nicht rausgeschmissen?«, fragt Zulu ungläubig.

      »Im Gegenteil«, sagt Haviland. »Sie haben ihn ins Stargate-Projekt aufgenommen und sich dort von Oshos Ideen inspirieren lassen.«

      »Was ist denn Stargate?«, fragt Kellogg.

      »Ein progressives Militärprojekt

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