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noch nicht bezahlt«, sagte das Miststück kühl.

      Zoran schnaubte: »Es ist ja noch nichts passiert!«

      »Das wird es heute auch nicht mehr«, sagte der Große. »Raus jetzt.«

      »Scheiße«, zischte das Mädchen, zog sich den Bademantel enger vor der Brust zusammen und stöckelte aus dem Zimmer.

      Der Typ, der ihn geschlagen hatte, sagte etwas in einer Sprache, die Zoran nicht verstand. Es hörte sich wie eine Frage an.

      »Er will wissen, wo du herkommst«, übersetzte der Große.

      »Vom Frankfurter Berg«, sagte Zoran, und die beiden Kerle sahen sich an und brachen in Gelächter aus.

      »Zoran vom Frankfurter Berg also? Ja?«

      Der Name mal wieder, dachte Zoran. Wie oft hatte ihn der schon in die Scheiße geritten. Den slawischen Vornamen verdankte er seinem serbischen Vater, der sich aber kurz nach seiner Geburt vom Acker gemacht hatte. Seine Mutter, ein Frankfurter Mädchen durch und durch, hielt sich danach von Jugos fern, aber er hatte seinen Balkan-Namen weg.

      Der kleine Kompakte versuchte es erneut auf Serbokroatisch, zumindest glaubte Zoran, dass es das war. Er schüttelte den Kopf, wischte sich etwas Blut vom Mund und sagte: »Tut mir wirklich leid, Kumpel, aber mit mir musst du deutsch reden.«

      Der Kompakte machte ein beleidigtes Gesicht und sagte nichts mehr. Sein Partner sog scharf die Luft ein, als hätte er auf einmal Schmerzen bekommen.

      »Hör mal, du solltest nicht so auf den Gefühlen meines Freundes hier herumtrampeln, er wollte nur freundlich sein.«

      Zoran betastete seine immer noch dicker werdende Lippe und sagte nichts. Ein Schneidezahn wackelte.

      »Also mein Freund Vito hier«, fuhr der Große fort, »war als junger Mann da unten im Krieg, da hat er ... naja, ich will es mal so sagen: Er hat bestimmte Sachen gelernt.«

      Vito sah Zoran mit gespielter Freundlichkeit an und lächelte. Im nächsten Moment spürte er dessen Finger rechts und links an seinem Hals nach etwas tasten. Die Berührung war sanft, fast zärtlich, zumindest so lange, bis er den entscheidenden Punkt gefunden hatte. Vito nickte kurz, dann drückte er zu und augenblicklich bekam Zoran keine Luft mehr. Er glaubte, ersticken zu müssen, riss die Augen auf und öffnete den Mund in dem vergeblichen Bemühen, so besser atmen zu können. Der Mann ließ ihn noch einen Moment lang zappeln, dann verringerte er den Druck und Zoran bekam wieder etwas besser Luft. Es fühlte sich allerdings an, als müsse er durch einen Strohhalm atmen. Zoran versuchte, sich möglichst wenig zu bewegen, aus Angst, den Kerl damit zu provozieren. So musste sich Waterboarding anfühlen, dachte er, nur ohne Wasser.

      »Alle Theorie ist grau«, sagte der Große achselzuckend. »Eine praktische Demonstration macht doch immer gleich viel mehr Eindruck, nicht wahr?«

      Vito zog seine Finger zurück und Zoran schnappte nach Luft.

      »Und jetzt bringst du uns das, was du gestohlen hast.«

      Der Große begann Zorans Klamotten, die auf einem Stuhl vor dem Bett lagen, nach Waffen abzusuchen und warf ihm dann ein Teil nach dem anderen zu.

      »Anziehen!«

      Zoran versuchte, Zeit zu gewinnen. Er zog sich extrem langsam an und dachte währenddessen über einen Ausweg nach. Als er gerade umständlich in seine Jeans stieg, spürte er Vitos Hand auf seiner Schulter.

      »Ein kleiner bisschen schön schneller ... bitte?«, radebrechte der Mann vom Balkan und lächelte Zoran dabei auf eine Art und Weise an, die keinen Zweifel daran ließ, dass er ihm ansonsten auch gern helfen könnte.

      Sie dirigierten ihn aus dem Zimmer und über einen spärlich beleuchteten Flur ins hintere Treppenhaus. Die Wände waren kahl und der Teppichboden abgetreten, ein grün-weiß beleuchtetes Schild über ihren Köpfen wies auf den Notausgang hin.

      »Du gehst vor«, sagte der Große. Zoran spürte, wie Vito ihm den Lauf einer Pistole in den Rücken stieß.

      Sie gelangten in einen düsteren Hinterhof. Hier standen Mülltonnen unterhalb einer Mauer, die das Grundstück begrenzte. Rechts ein Kellerabgang, links um die Hausecke herum war eine Einfahrt, die auf die Taunusstraße mündete.

      Der Große sah um die Ecke und winkte sie heran. Er drehte sich im Halbdunkel um und fragte: »Also, Zoran vom Frankfurter Berg, wo müssen wir hin?«

      Zoran holte schon Luft, um zu antworten, als etwas aus der Dunkelheit hinter ihnen hervor gesprungen kam. Der Große wich erschrocken zurück, aber Vito fuhr herum und riss die Pistole hoch. Zoran dachte nicht nach, sondern handelte: Er packte Vitos ausgetreckten Arm, entriss ihm die Pistole, drehte sich ein Stück von ihm weg und drückte ab. Der Schuss dröhnte unnatürlich laut durch den Hinterhof. Die Katze entwischte durch die Hofeinfahrt, der kompakte Balkankrieger riss den Mund auf und fiel auf die Knie.

      Zoran hielt die Waffe in der Hand und starrte sie an, als könne er nicht glauben, was er soeben getan hatte. Eine Schrecksekunde lang schien alles stillzustehen, dann rannte er los.

      Er sprang auf eine der Mülltonnen und erreichte den First der Mauer, dann fiel ein weiterer Schuss und gleichzeitig erhielt Zoran einen Schlag in den Rücken, der ihn über die Mauer warf. Er fiel in einen Busch, dessen Zweige sich unter seine Jacke und das T-Shirt schoben und ihm Bauch und Rücken zerkratzten. Der Busch bremste seinen Sturz, trotzdem verlor er beinahe das Bewusstsein, als er auf der anderen Seite der Mauer in der Dunkelheit aufschlug. Zoran sog Luft ein, seine Lungen brannten, Tränen schossen ihm in die Augen, dann lag er still. Es roch nach Erde und Müll und verdorbenem Essen. Er riss die Augen auf, sah im Haus gegenüber ganz weit oben verschwommen ein Licht angehen. Er wartete, ohne zu wissen worauf, hörte einen Hund bellen und jemanden nach der Polizei rufen, dann war wieder alles still. Er versuchte, auf die Beine zu kommen, aber es ging nicht, sein Rücken fühlte sich an, wie in der Mitte auseinandergebrochen. Zoran musste husten, er brachte einen Schwall warmen Sirups hervor, spuckte ihn aus und hatte auf einmal den metallischen Geschmack von Blut in seinem Mund. Erst jetzt begriff er, dass der Große ihn in den Rücken geschossen hatte. Er hörte ein Martinshorn ganz weit weg. Es schien sich zu nähern, dann wieder zu entfernen. Das Licht in einem der oberen Stockwerke im Gebäude gegenüber erlosch, und Zoran schloss die Augen.

      Freitag, 7. Juni 2019

      Thomas erwachte, weil die Vögel zwitscherten und ihm kalt war. Er blinzelte in die Sonne, die über den Feldern aufging und erste Strahlen auf die Terrasse warf. Verwundert stellte er fest, dass ihn irgendwer in der Nacht zugedeckt haben musste. Er löste sich aus der Decke, setzte sich auf und massierte seinen schmerzenden Rücken mit den Händen. Die Terrassentür stand offen und aus dem Haus duftete es nach Kaffee.

      Petra erschien mit einem schiefen Grinsen im Gesicht im Türrahmen und kam zu ihm heraus. Sie trug ihre Joggingklamotten, war noch etwas außer Atem und ihr Gesicht vom Laufen erhitzt.

      »Guten Morgen, ausgeschlafen?«

      Thomas schloss die Augen und schüttelte den Kopf.

      »Hast es gestern Abend wohl nicht mehr ins Bett geschafft, nachdem du dir hier einen angesoffen hast.« Sie riss die Arme in die Höhe und beugte sich dann tief hinunter, bis ihre Fingerspitzen den Boden berührten.

      »Ich hab gar nicht so viel getrunken, war nur total müde ...«

      »Wie auch immer«, entgegnete Petra, erhob sich wieder und streckte die Arme der Sonne entgegen.

      »Hast du mich zugedeckt?«

      »Wer sonst.«

      »Hm, Danke ...«

      Petra sagte nichts, sondern fuhr mit ihren Stretching-Übungen fort.

      In der Küche stand noch Kaffee auf der Warmhalteplatte. Thomas nahm eine Tasse aus dem Schrank und schenkte sich ein. Einer der letzten kleinen Genussmomente in seinem Leben: Der erste Schluck Kaffee am Morgen.

      Er fühlte sich wie gerädert, wahrscheinlich hatte ihm allerdings das Schlafen auf dem Liegestuhl mehr zugesetzt als

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