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Braun“ vom 1. März 1970 und die Veröffentlichung des sogenannten „Jägerbriefes“ durch Willi Verstege verschärften die ohnehin angeheizte Situation noch zusätzlich. Die sich daraus ergebenden Reaktionen waren von unterschiedlicher Art: Empörung und tiefe Trauer“682, Unverständnis683 und Ablehnung684, bis hin zur existentiellen Kritik685.

      Nach zwei Jahren Arbeit schien der Aktionskreis ein gutes Stück des noch verbliebenen Vertrauensvorschusses eingebüßt und manche in ihn gesetzten Hoffnungen enttäuscht zu haben.686 Das Ergebnis war ein veritabler Mitgliederverlust im Jahr 1971. Der entscheidende Grund schien die teils heftig umstrittene Solidarisierung des AKH mit dem von Bischof Braun suspendierten Pfarrer Adolf Brockhoff gewesen zu sein. Der Hallenser Pfarrer Wolfgang Simon und ehemalige Vorsitzende des Magdeburger Priesterrates schrieb 1971 einen Brief an den AKH, der für bestimmte kirchliche Kreise im Kommissariat Magdeburg paradigmatisch für die Bewertung und Einschätzung dieser Reformgruppe ist. „Obgleich ich den AKH seit seinem Bestehen für eine Art Reservelazarett halte und der Meinung bin, mit Schwerverwundeten könne man keinen Krieg führen, auch wenn noch so tüchtige und fanatisch für den Endsieg der guten Sache glaubende BDM-Führerinnen aufopferungsvolle Schwesterndienste versehen, bin ich von der gerade für das Kommissariat Magdeburg lebenswichtigen Funktion einer solchen Gruppe überzeugt. Mit ‚Verfassung’ und Zielsetzung des AKH muss ich mich vorbehaltlos identifizieren.“ Obwohl Simon den Zielen des AKH zustimmen konnte und selbst eine feste Mitarbeit erwog687, erwuchsen für ihn erhebliche Konflikte aus der Art und Weise, wie sich eine von ihm als „Regierungspartei“688 bezeichnete Gruppe innerhalb des AKH für die uneingeschränkte Solidarisierung mit Adolf Brockhoff eingesetzt hatte: „Aber nun kommt das Problem mit der ‚Regierungspartei‘, die der Idee die Realisierung ermöglicht…Wie Claus Herold weiß, fürchtete ich, dass die Brockhoffaffäre zu einer gefährlichen Krise des AKH führen müsse, da eine Solidarisierung programmgemäß erfolgen musste, aber nicht möglich war, solange Adolf die entscheidende Information verweigert. Ich fürchtete, es könnte zur Spaltung, wenn nicht zur Auflösung kommen…Der Verlauf der Versammlung zeigte mir jedoch bald, dass ich die Situation völlig falsch eingeschätzt hatte, d.h. trotz der Übereinstimmung mit der Grundsatzerklärung von einem sentire cum AKH überhaupt keine Rede sein kann.“689 Daher sah sich Pfarrer Simon gezwungen seine „Beziehungen zum AKH abzubrechen und auch in Zukunft auf deren Rundbriefe zu verzichten.“690 Die von außen als uneingeschränkte Solidarisierung mit Adolf Brockhoff wahrgenommene Positionierung des AKH war für Wolfgang Simon zu unreflektiert und voreilig.

      Eine tatsächliche Auseinandersetzung zwischen katholischen Bischöfen und dem Aktionskreis Halle hat es bis 1989 nicht gegeben. Ernst Alfred Jauch von der Katholischen Nachrichtenagentur KNA konstatierte hierzu 1982: „Die Bedeutung des Kreises, der sich Ende der 60er Jahre aus Priestern und Laien hauptsächlich im sächsischen Raum gebildet und der seither von Zeit zu Zeit eine gewisse, auch publizistische Aktivität entwickelt hat, ist umstritten. Die Bischöfe und mit ihnen gewiß auch ein nicht unwesentlicher Teil der katholischen Intelligenz in der DDR stehen ihm eher kritisch gegenüber. Man wirft seinen Mitgliedern nicht ungefährliche Unbekümmertheit im Umgang mit den politisch-gesellschaftlichen Realitäten und zugleich Mangel an Solidarität mit der Kirchenführung vor, deren Position durch die kritische Distanz zur kirchenpolitischen Linie des Episkopates geschwächt werde.“691 Zwar haben einzelne Mitglieder des Kreises mit verschiedenen Ordinarien in der DDR und in Paderborn über die Gruppe gesprochen. Zu einem offenen Dialog, der auch Raum für bischöfliche Kritik geboten hätte, ist es hingegen nie gekommen. Insofern ist die bischöfliche Kritik am AKH stets indirekt oder über Briefe erfolgt, wenn sie nicht - wie im Fall von Kardinal Bengsch - gänzlich ohne schriftliche Belege verlief und dennoch latent war.

      Die Auseinandersetzung von Weihbischof Rintelen mit dem AKH ist vor allem durch die Beurteilung der Aktionen anlässlich seiner Nachfolgeregelung 1969/70 beeinflusst gewesen und beschränkte sich infolge der Emeritierung auf nur wenige Monate. Grundsätzlich ist zu beachten, dass Friedrich Maria Rintelen mehr als ein wegweisender Theologe ein väterlicher Bischof war.692 Trotz mancher Kontroversen im Kommissariat Magdeburg bemühte er sich darum, offene Konflikte zu vermeiden und einen väterlichen Umgang mit seinem Presbyterium zu pflegen.693 Nicht allen theologischen und pastoralen Aufbrüchen im Gefolge des Konzils konnte er zustimmen.694 Jedoch gewährte er für neue Ansätze ausreichend Freiraum.695 Zu den „Gründungsvätern“ des Aktionskreises und besonders zu Claus Herold unterhielt der Weihbischof gute, wenngleich nicht immer konfliktfreie Beziehungen. Offiziell fühlte sich Rintelen von der vermeintlichen Ehrenrettung durch die Protestnote an den Papst nie geschmeichelt.696 Ausdrücklich lehnte er in Diskussionen und verschiedenen Schreiben die sich von Halle her ausbreitende „Unruhe“697 im Kommissariat ab. Besonders markant beschreiben offizielle Briefe an Nuntius Bafile die distanzierte Haltung des scheidenden Weihbischofs zu dem sich konstituierenden AKH: „Dass die hiesige „Sog-Gruppe“ über die Ernennung Brauns nicht erfreut sein würde, wusste ich und deutete es Euer Exzellenz in einem Schreiben schon an... Ich halte es für nicht unmöglich, dass diese Gruppe auch weiterhin keine Ruhe gibt. Durch ihre Querverbindungen sucht sie auch in anderen Diözesen gegen Msgr. Braun Stimmung zu machen. Die Resolution, welche die Gruppe Msgr. Braun vorlegen wollte, qualifiziert sie zur Genüge. Wenn ich Euer Exzellenz noch schreibe, dass einer der Führenden in der kleinen „SOG-Gruppe“ ein uneheliches Kind hat und beabsichtigte, „aus sozialen Motiven“ die Mutter des unehelichen Kindes in sein Haus zu nehmen, was auf mein Einschreiten dann unterblieb, - (nur auf sein mir – wie er sagte – ehrlich gegebenes Wort, dass er mit dem Mädchen kein konkubinatsähnliches Verhältnis habe, ließ ich ihn im Amt - gebe Gott, dass ich nicht zu schwach war!) und dass ich einem anderen Priester der Gruppe vor kurzem für eine Zeit seine Pfarrrechte nehmen musste, weil er bei einer Trauung einer Mischehe mit einem evangelischen Pfarrer konzelebriert hatte und auch dem evangelischen Bräutigam die Hl. Kommunion gereicht hatte, so ist genug über die Gruppe gesagt.“698 Einen Tag nach der Bischofsweihe von Johannes Braun in Magdeburg berichtete Rintelen dem Nuntius in Bad Godesberg erneut: „Nur die 7 oder 8 rebellierenden Priester waren, ohne sich zu äußern, der Feier ferngeblieben. Diese werden es verstehen, dem neuen Bischof noch Schwierigkeiten zu machen.“699 Ob Rintelen von dieser kritischen Position in inoffiziellen Erklärungen und Briefen abwich, ist unklar, ebenso wie er die weitere Arbeit des Aktionskreises von Paderborn aus bewertet hat. Aufschlussreich könnte allerdings eine Aktennotiz sein, die der Nachfolger Kardinal Jaegers 1976 verfasste. Erzbischof Degenhardt hatte Friedrich Maria Rintelen hinsichtlich der Vorbereitung und Gestaltung seines 25jährigen Bischofsjubiläums aufgesucht. Dabei habe Rintelen zum Ausdruck gebracht: „Als Geschenk wolle er nichts für sich haben. Wenn jemand ihm etwas schenken wolle, solle man Geld für Magdeburg spenden…Bischof Rintelen erklärte noch einmal ausdrücklich, dass er eine Feier, in der er selbst im Mittelpunkt stehe, nicht gerne habe und dass er dieses Jubiläum auch deshalb nicht feiern wollte, weil die Wunden seines Ausscheidens aus dem Bischofsamt in Magdeburg wieder aufbrechen würden.“700 Ob Weihbischof Rintelen den AKH auch oder im Besonderen für diese „Wunden“ verantwortlich machte, bleibt ungewiss. Auffallend ist jedoch, dass das letztlich gute Verhältnis Rintelens zu Claus Herold auch während seiner aktiven Zeit im AKH bestehen blieb.701

      Die sich aus verschiedenen Briefen ergebende Position des Paderborner Erzbischofs gegenüber dem Hallenser Aktionskreis ist ebenfalls als eher ablehnend zu charakterisieren. Schon vor 1969 war Kardinal Jaeger über Probleme seines Weihbischofs mit Adolf Brockhoff, Claus Herold und anderen informiert worden.702 Auch über die Aktivitäten der „Halleschen Korrespondenz“ hatte sich Lorenz Jaeger persönlich informieren lassen und vor ihrem Einfluss auf den Klerus und die Laien gewarnt703, da ihm derartige Entwicklungstendenzen aus der bundesdeutschen Kirche bekannt waren.704 Obwohl sich der Paderborner Erzbischof ausdrücklich für ein Mitspracherecht des Magdeburger Klerus bei der Wahl eines Nachfolgers für den Weihbischof eingesetzt hatte, blieben für ihn die Reformbemühungen der Hallenser Gruppe durch die Veröffentlichung des „Jäger-Briefes“ und die entstandene Spaltung im Kommissariat überschattet. In verschiedenen Briefen an Adolf Brockhoff705 und Claus Herold706 sowie an Bischof Braun bemühte sich der seit fast 30 Jahren amtierende Paderborner Erzbischof Lorenz

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