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Schema XVII bezeichnete Text, der nicht auf vorbereitete Entwürfe zurückging, sondern im Konzil selbst entstand, zu einem tragfähigen Konsenswerk entwickeln. Dass die Pastoralkonstitution der letzte verabschiedete Text des Konzils ist, steht nicht unwesentlich mit dem Ringen um die inhaltlichen und methodischen Positionen in Zusammenhang. Die Konstitution gliedert sich zweifach: in einem ersten Teil entwickelt das Konzil die Lehre über „die Kirche und die Berufung der Menschen“ (GS 11-45). Im pastoralen zweiten Abschnitt fokussieren die Konzilsväter konkreter auf „einige drängendere Probleme“ (GS 46-93) „des heutigen Lebens und der menschlichen Gesellschaft.“791 Hierzu zählen unter anderem: Ehe und Familie, Krieg und Frieden, Glaube und technischer und kultureller Fortschritt, Menschenwürde und Menschenrechte. Beide Teile bilden eine ineinander verschränkte Einheit. Ihnen sind das vielzitierte Vorwort (GS 1-3) und eine einführende Darlegung über „die Situation des Menschen in der heutigen Welt“ (GS 4-10) vorangestellt, in denen die „Zeichen der Zeit“ als dogmatisch relevante Größe präsentiert werden. Bereits der Titel einer “constitutio pastoralis“ verdeutlicht, dass es sich um ein neues dogmatisches Genus handelt, das durch eine inhaltliche Ellipse mit zwei Brennpunkten gekennzeichnet ist: „Ihre Glaubensaussagen werden im Kontrast zwischen speziellen humanen Problemen gesellschaftlichen Lebens und generellen christlichen Wahrheiten gewonnen. Sie ist zeitabhängig und steht zugleich in der Differenz zur geschichtlichen Situation.“792 Die Konzilsväter und Kommissionen rangen gerade um eine Balance zwischen der bleibenden Innensicht des Glaubens und den sich verändernden „Zeichen der Zeit“ (GS 4). Hans Joachim Sander weist in seinem Kommentar ausdrücklich darauf hin, dass GS nicht weniger von der Kirche erwartet, als die Bereitschaft zu einem theologischen Ortswechsel, der sich in der Zeit immer wieder neu zu vollziehen habe: Die Kirche sollte „sich in den Zeichen der Zeit und damit unter den Menschen, oder genauer: in Liebe und Achtung der Menschen und deshalb mitten in ihren Nöten und Erwartungen positionieren.“793 Gerade im Übertritt der Kirche aus einer in sich ruhenden „societas perfecta“, hin zu einer „Kirche in der Welt von heute“, liegt das Potential der topologischen Neuorientierung. Der kirchliche Dialog mit der Welt wird so zum entscheidenden Kennzeichen von GS. Die stärkere Wahrnehmung zeitbedingter Relativitäten und deren kritische Rezeption hinsichtlich der Artikulation der Glaubenstradition lässt die in GS 1 beschriebene tiefe Solidarität der „Jünger Christi“ mit den „Menschen dieser Zeit, gerade den Armen und Bedrängten aller Art“, deutlich hervortreten. Die Darstellung des bleibenden Innens des Glaubens müsse sich auf die Vorläufigkeit der Zeit einlassen, ohne dabei dem Zeitgeist zu erliegen. Im Vergleich zur bisherigen Tradition, die bemüht war, das Dogma „von der Geschichte rein zu halten“794, erscheinen Geschichte und Dogma nun nicht mehr als Antagonisten, sondern als „Innen wie Außen in einer Ortsbestimmung des Glaubens.“795 Möglich wurde diese Position nicht zuletzt durch die in GS 36 formulierte Anerkennung der „richtigen Autonomie der irdischen Dinge“ sowie durch die Methodik „Sehen-Urteilen-Handeln“, wie sie sich in der Erarbeitung und Struktur von GS entwickelt und durchgesetzt hatte.796 Dieser Dreischritt stellt den methodologischen Rahmen dar, mit dem das Konzil die prinzipiellen Aussagen mit den zeitbedingten Beobachtungen verschränkt und so die „Zeichen der Zeit“ als dogmatische Größe anerkennt.797 Angesichts der vormaligen Frontstellung zwischen Katholizismus und der modernen Welt und dem Anspruch der Konstitution, die gesamte Welt, die Lebenswirklichkeiten aller Menschen im Blick zu haben (GS 2) und mit der „ganzen Menschheitsfamilie“ in einen Dialog zu treten, ein geradezu epochaler Ansatz, der immer wieder neu vergegenwärtigt sein will.798

      Ausgehend von LG und GS hat das Konzil schließlich auch Wesen und Sendung der Laien neu akzentuiert und in den Gesamtzusammenhang der katholischen Ekklesiologie eingeordnet. Es ist Forschungskonsens, dass es mit Blick auf die breite vorkonziliare Entwicklung in den verschiedensten innerkirchlichen Bewegungen „abwegig [ist, SH], so zu tun, als ob die Würde und Bedeutung der Laien erst durch das Konzil neu entdeckt worden wäre.“799 Wie bereits die wegweisende Studie von Yves Congar deutlich gemacht hatte, gingen den Konzilsaussagen verschiedene Entwicklungen innerhalb der Kirche und Theologie voraus, auf denen das Konzil schließlich aufbauen konnte.800 Das II. Vatikanum griff in der Bestimmung von Wesen und Sendung der Christgläubigen vor allem auf die Aussagen zum „gemeinsamen Priestertum“ (LG 10) zurück. Die Christgläubigen, die noch im CIC von 1917 negativ als Nichtkleriker definiert wurden und nach der Enzyklika von Papst Pius XII. Mystici corporis von 1943 keinen Anteil am dreifachen Amt Christi hatten, wurden nun als Mitglieder des Volkes Gottes konsequent als handelnde Subjekte in der Kirche anerkannt.801 Im Dekret Apostolicam actuositatem (AA) entfalten die Konzilsväter den damit verbundenen Gedanken des Laienapostolates näher.802 Die Sendung der Laien wird genetisch aus der Sendung der ganzen Kirche803 und durch die volle Teilhabe am priesterlichen, königlichen und prophetischen Amt Christi abgeleitet (AA 3). Die sakramentale Begründung ihrer Sendung erlaubte es dem Konzil, „die Laien nicht länger als Beauftragte, als verlängerten Arm der Hierarchie“804 betrachten zu müssen, wie dies noch in der von Italien ausgehenden „Katholischen Aktion“805 präsent war. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass das Laienapostolat nicht nur auf die „Welt“806 gerichtet ist. Das Konzil formuliert das Recht und die Pflicht aller Gläubigen, sowohl in der Kirche als auch in der Welt mitzuwirken und Verantwortung zu übernehmen.807 Es benennt „vielfältige Felder“ (AA 9-14) und „Arten des Apostolates“ (AA 15-22), ohne daraus allerdings explizite Vollmachten abzuleiten.808 Auch wenn die „Katholische Aktion“ durch das Konzil ausdrücklich empfohlen wurde (AA 20), drückt sich in AA 19,4 ein Novum aus: „Unter Wahrung der gebührenden Beziehung zur kirchlichen Autorität haben die Laien das Recht, Vereinigungen zu gründen und zu leiten, sowie gegründeten beizutreten.“ Obgleich von warnenden und einschränkenden Aussagen flankiert (AA 24), drückt sich hier erstmals explizit das freie Vereinigungsrecht in der Kirche aus, das 1983 in das CIC aufgenommen wurde.809

      Schließlich stellt die Ökumene den vierten Themenschwerpunkt für die Rezeptionsanalyse dar. Die offizielle katholische Auseinandersetzung mit der seit der Edinburgher Missionskonferenz von 1910 aufkommenden „ökumenischen Bewegung“ kannte verschiedene Stadien der Kontroverse, des Dialogs und des konstruktiven Beitrags.810 Das Zweite Vatikanische Konzil stellt für die ökumenischen Beziehungen im 20. Jahrhundert eine Zäsur dar, da es der bisherigen „Rückkehr-Ökumene“811 eine klare theologische Absage erteilte. In der Verhältnisbestimmung zu den von der katholischen Kirche getrennten Christen und Kirchen folgt das Konzil zudem einem Argumentationsweg, den das kirchliche Lehramt in dieser Klarheit bis dahin noch nicht beschritten hatte: Weil die Christen in den getrennten Gemeinschaften nicht für die Trennung verantwortlich sind, begegnen ihnen die Katholiken mit „geschwisterlicher Ehrfurcht und Liebe“ (UR3); durch Taufe und Glauben sind sie Mitchristen, wenngleich sie nicht in der vollkommenen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche stehen; in diesen Gemeinschaften finden sich jedoch wesentliche Elemente des kirchlichen Lebens; deshalb sind sie für den Geist Christi „Mittel des Heils“ (UR 3); insofern können auch nicht-katholische Christen als Individuen und in ihren Glaubensgemeinschaften und Kirchen das Heil erlangen.812 Als Mittel und Wege zur „praktischen Verwirklichung des Ökumenismus“ nennt das Dekret den geistlichen Ökumenismus, den theologischen Dialog und die praktische Zusammenarbeit (UR 5-12). Diese drei Dimensionen avancierten in der postkonziliaren Zeit zum Maßstab für die bi- und multikonfessionellen Beziehungen der katholischen Kirche und empfehlen sich auch als Kriterien für die Beurteilung des interkonfessionellen Lernprozesses in der DDR. Unitatis redintegratio stellt keinen Schlussstrich unter die ökumenischen Beziehungen und das Streben nach einer Einheit von Glauben und Kirche dar, sondern verweist darauf, dass Ökumene ein fortdauernder geistlicher, theologischer und praktischer Auftrag der Kirche bleibt.813 Gerade die Entfaltung dieses Lernprozesses vollzog sich auf verschiedenen kirchlichen Ebenen und verweist auf ein notwendigerweise mehrdimensionales Rezeptionsgeschehen. Zur Einordnung dieser Prozesse bedarf es daher zunächst einer theologischen Profilierung des Rezeptionsbegriffs.

      1.2Rezeptionsverständnis und Konzilshermeneutik

      „Was aus einem Konzil wurde, stand praktisch nie schon nach seinem

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