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Der Grad der Verbreitung dieser für die ostdeutsche Kirche offensichtlich nicht unbedeutenden theologischen Informationsquelle ist daher wesentlich größer einzuschätzen, als es die regionale Verortung anhand des Namens und die innerkirchliche Stigmatisierung als „Nestbeschmutzer“ vermuten lässt.

      Ausgehend von den durch den Aktionskreis selbst überlieferten Anwesenheitslisten der Vollversammlungen ergibt sich eine durchschnittliche Teilnehmerzahl von ca. 45 Personen.564 Die 5. Vollversammlung 1971 wies mit 76 Teilnehmern die größte, die 16. Vollversammlung 1974 mit nur 21 Personen die geringste Beteiligung auf.565 Die akademische Herkunft der meisten Mitglieder und Sympathisanten wurde nur vereinzelt aufgebrochen.566 Detaillierte Informationen über die tatsächliche Mitgliederstärke des Aktionskreises sind nicht für den gesamten Zeitraum überliefert. Vermutlich ist hierfür die staatliche Observation durch das Ministerium für Staatssicherheit mitverantwortlich, konnten derartige Informationen doch leicht zu einem veritablen Sicherheitsrisiko avancieren. Anfang 1971 hatte der Aktionskreis insgesamt 72 eingeschriebene Mitarbeiter.567 In den darauffolgenden Jahren schwankte die Mitgliederzahl, sodass sie sich im Dezember 1974 auf 66568, im April 1975 auf 73569, im November 1975 auf 68570 und im Juli 1977 auf 69 Mitarbeiter571 belief. Ein exemplarischer Vergleich der Mitgliederzahlen und ihrer Verteilung auf Priester und Laien für die Jahre 1971, 1975 und 1978 zeigt, dass das Verhältnis zwischen Priestern und Laien zumindest in den 70er Jahren etwa 1 zu 2 betrug.572 Ab 1975 nahm zudem die Zahl der laisierten Priester deutlich zu. Aufgrund der vorhandenen Quellen lässt sich feststellen, dass die Mehrzahl der AKH-Mitarbeiter auf das Territorium zwischen Magdeburg, Halle und Leipzig verteilt war.573 Für Christen aus anderen Gebieten der DDR war der AKH nicht selten ein geistiger und geistlicher Rückzugsort.574 Die Anzahl der verbindlich eingeschriebenen Mitarbeiter des AKH dürfte ausgehend von den vereinzelten Werten durchschnittlich bei über 50 gelegen haben. Allerdings ergibt sich im Vergleich zu den durchschnittlich 45 Teilnehmern der Vollversammlungen, diese setzten sich allerdings sowohl aus Mitarbeitern als auch aus Sympathisanten zusammen575, dass es eher ein kleinerer Kreis von eingeschriebenen Mitarbeitern war, der zusammen mit dem Sprecherkreis zum engeren Zirkel der Gruppe gehörte, regelmäßig an Veranstaltungen des Kreises teilnahm und die Arbeit des Aktionskreises entscheidend mit- und vorantrug.

      Dieser Gruppe angehörig waren vor allem die vom AKH selbst als „Gründungsväter“576 bezeichneten fünf Priester Heribert Kamper577, Helmut Langos578, Adolf Brockhoff, Dr. Claus Herold und Willi Verstege.579 Die Bezeichnung als „Väter“ ist für das Verständnis der Gruppendynamik relevant, bedenkt man, dass diese Generation kriegsbedingt häufig ohne leibliche Väter aufwuchs. Diese fünf Männer, freundschaftlich untereinander verbunden, waren ursprünglich Paderborner Priester, die nach ihrer Priesterweihe in den 50er Jahren freiweillig in die SBZ gegangen waren und nicht, wie durchaus üblich, nach einigen Jahren in die infolge des bundesdeutschen Wirtschaftswunders aufstrebende Bonner Republik zurückkehrten. Man wird sicher nicht zu Unrecht behaupten, dass es sich bei diesen jungen Männern um die erste Garde Paderborner Diözesanpriester handelte. Sie stellten von Beginn an das personelle Gravitationszentrum dar, um das herum sich der Kreis Gleichgesinnter sammelte. Allerdings übernahmen sie durchaus unterschiedliche Rollen und Aufgaben. Heribert Kamper war Pfarrer in Leuna und wirkte im AKH eher als väterlicher Organisator im Hintergrund. Besonders zu erwähnen ist allerdings seine - trotz der Umweltbedingungen in Leuna - erfolgreiche Zucht der Sittichenart Platycercus elecica (Prachtrosella). Der Verkauf dieser Vögel ermöglichte es Pfarrer Kamper, besonders laiisierte Priester in nicht unerheblichem Maß finanziell zu unterstützen.

      Der Merseburger Pfarrer Helmut Langos geriet 1968 in Konflikt mit Weihbischof Rintelen, da er in einem katholischen Eheseminar in Eisleben „die verschiedensten empfängnisverhütenden Methoden bei entsprechend vorliegenden Gründen für eine Geburtenregelung für sittlich erlaubt erklärt“580 hatte. Der Weihbischof verbot, noch bevor die Enzyklika Humanae vitae am 25. Juli veröffentlicht wurde eine solche Aussage in einem katholischen Eheseminar.581 Eng mit Pfarrer Langos verbunden war Wilhelm Verstege.582 Auch er ging nach der Priesterweihe 1952 freiwillig in den Ost-Teil des Erzbistums Paderborn und wurde 1960 Pfarrvikar in der Nienburger Gemeinde St. Nikolaus.583 Weihbischof Rintelen äußerte sich 1965 gegenüber Erzbischof Jaeger zu seinem Pfarrvikar: „Ganz besonders schön war die Firmungsfeier in der herrlichen Schlosskirche zu Nienburg. Herr Pfarrvikar Verstege hat zudem ein großartiges Pfarrhaus gebaut, und zwar natürlich zur Straße hin. Hinter dem Hof ist ein ganz moderner, großer Gemeindesaal entstanden, und in dem Seiten-Grundstück hat er Räume für Kleinkinder und größere Kinder, in denen es immer von Jugend wimmelt. Die größere Gemeinde Nienburg (ringsum sind große industrielle Werke entstanden) könnte ohne weiteres Pfarrei werden, aber Verstege hat noch kein Pfarrexamen gemacht. Er ist ein Seelsorger, wie man ihn nicht besser wünschen kann, verklüngelt aber leider Etat und Kirchenrechnung und hat ebenso eine rechtzeitige Ablegung des Pfarrexamens verklüngelt.“584 53 Jahre lange wirkte Willi Verstege als Priester in Nienburg und setzte sich für die katholische Gemeinde und besonders die Jugend, seine Familie, die evangelische Gemeinde und Schlosskirche sowie den AKH ein. Hier wurden die Rundbriefe des Aktionskreises kopiert und mit der Post versendet. Unter seiner Ägide wurden zudem jene vom Konzil her formulierten Ansprüche im Hinblick auf Ökumene, Glaubwürdigkeit der Verkündigung und geschwisterliches Miteinander des priesterlichen Volkes Gottes eingeübt und über Jahrzehnte praktiziert. Nach dem Tod der anderen Gründungsväter wurde Willi Verstege zu einem spirituellen und geistlichen Mittelpunkt des AKH. Seine persönliche Integrität und die Glaubwürdigkeit seiner Verkündigung sind weit über die Nienburger Gemeinden und den Aktionskreis Halle hinaus geschätzt worden.

      Claus Herold war ein sehr stark von Hugo Aufderbeck und dessen pastoralem Ansatz geprägter Seelsorger, der von Friedrich Maria Rintelen 1929 getauft und 1955 zum Priester geweiht, ein gutes Verhältnis zu den Erfurter und Magdeburger Weihbischöfen sowie zum Paderborner Kardinal Jaeger pflegte.585 Nach den Kaplansjahren wirkte er von 1961 bis 1968 zusammen mit Joachim Garstecki, der ab der zweiten Hälfte der 70er Jahre zu einem entscheidenden Vordenker des AKH werden sollte, als Diözesanjugendseelsorger in Magdeburg sowie als Leiter der AG Jugendseelsorge der BOK.586 Ein Konflikt auf höchster Ebene bahnte sich bereits 1966 an und brach vollends in den beiden darauffolgenden Jahren zwischen Claus Herold und Kardinal Bengsch aus.587 Herold hatte 1967 in seiner Eigenschaft als Leiter der bischöflichen Arbeitsgemeinschaft Jugendseelsorge einen kritischen Jahresbericht über die Situation der Kirche in der DDR für die Hauptversammlung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) gegeben und darin massiv Kritik am „Berliner Zentralismus“, dem „Dirigismus von oben“ und an einem „Einheitsdenken der Kirche“ geübt, das totalitäre Züge aufweise.588 Es waren letztlich nicht nur persönliche Zerwürfnisse589 zwischen Claus Herold und Alfred Bengsch, die den Vorsitzenden der Berliner Ordinarienkonferenz 1968 dazu veranlassten, Herolds Wirken als Sprecher der AG Diözesanjugendseelsorger zu sistieren.590 Vor allem die Sorge um den Verlust der kirchlichen Einheit als Garant des Schutzes vor staatlichen Infiltrations- und Destruktionsversuchen dürfte hierbei ausschlaggebend gewesen sein.591 Im Dezember 1969 hatte Weihbischof Rintelen, mitten in den Wirren um seine Nachfolge, Pfarrer Herold vorübergehend die „pfarrlichen Amtsbefugnisse“ für die Pfarrei Heilig Kreuz in Halle entzogen, weil er einer ökumenischen Trauung assistiert, mit dem evangelischen Pfarrer Günter Loske konzelebriert und dem evangelischen Bräutigam die Kommunion gereicht hatte.592 Trotz dieser Entwicklungen nahm Claus Herold, der 1978 in evangelischer Theologie mit einer kirchengeschichtlichen Arbeit über die Entstehung der Hallenser katholischen Kirchgemeinde promoviert593 und zum Dechanten des Dekanates Halle-Merseburg ernannt wurde, im Aktionskreis eher die Rolle eines Vermittlers und Strategen ein, der den Kontakt zu höheren kirchlichen Stellen nie abreißen ließ.

      Adolf Brockhoff war wohl eine der schillerndsten und umstrittensten Figuren der DDR-Kirche sowie des frühen Aktionskreises Halle. Für viele Studenten der Hallenser KSG und des Sprachenkurses war er eine Vaterfigur mit „Knochen im Schnurrbart“594. Durch seine charismatische Art begeisterte er ebenso stark, wie sein zuweilen apodiktisches Vorgehen polarisierte. Im AKH übernahm er die Rolle des progressiven Vordenkers. Nicht

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