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ausgeführt wird, sei als kritische Norm für die Beurteilung des Gemeindeverständnisses in der Glaubenspraxis wirksam. Unter der Berücksichtigung der theologisch bestimmten Gesamtschau deutet Künzel die Geschichte der Gemeinde als solche, die „die Erfahrung der heilsamen Zuwendung Gottes in Jesus, dem Immanuel, zur Voraussetzung hat und von da aus das Jesusgeschehen zum Maßstab für schon geschehene, gegenwärtige und noch ausstehende Geschichte nimmt“94. Im Rahmen der geschichtstheologischen Geschichtsschau erweist sich die Verbindung von Christologie, Ekklesiologie und Eschatologie als konstitutiv für das Matthäusevangelium.

      „Von den Reflexionszitaten bis zu den Aussagen über Ende und Vollendung des Äons bietet das erste Evangelium einen zielgerichteten Aufriß.“95

      Auswertung: Künzels Betrachtung gilt der Beschäftigung mit der matthäischen Ekklesiologie, worauf der Arbeitstitel bereits hinweist. Wie das Gemeindebild im Matthäusevangelium dargestellt wird, ist die Grundfrage der Arbeit. Künzel aber stellt keine rein ekklesiologische Arbeit vor, seine Überlegungen werden vielmehr durch christologische Erläuterungen begründet. Die „Gemeinde“ wird in einen geschichtstheologischen Horizont der alttestamentlichen Geschichte Israels gestellt, deren Auslegung und Erfüllung sich in der Jesusgeschichte finden. Jesus selbst ist die Norm für das Gemeindeverständnis. Sein Leben und Werk prägen das Gemeindebild. Die Ekklesiologie wird von der Christologie bestimmt. Die geschichtstheologische Auffassung des Evangelisten bildet bei Künzel den Rahmen für Christologie und Ekklesiologie.

      Charles E. Carlston

      Abschließend soll der Aufsatz von Charles E. Carlston „Christology and Church in Matthew“96 vorgestellt werden. Dieser verdankt sich der großen Aufmerksamkeit des Autors darauf, dass Christologie und Ekklesiologie durchgängig wesentlich für die Matthäus-Exegese sind, allerdings der Zusammenhang zwischen beiden in der Forschung nur nachlässig behandelt worden ist.

      Als Interpretationsgrundlage bringt Carlston, wie von Strecker vorgegeben und von Künzel variiert, „salvation-history“ ins Gespräch. In heilsgeschichtlicher Hinsicht werde die Gottesgeschichte Israels mit der Jesusgeschichte fortgesetzt, aber im eschatologischen Hinblick auf das letzte Gericht Gottes. Die geschichtliche Kontinuität durch das Heilsgeschehen Jesu erweise sich in der matthäischen Verwendung der christologischen Titel (Messias/Christus, Davidssohn, Gottessohn, Knecht, Menschensohn) und Konzeption (Prophet, Mose, Weisheit), die mit Ausnahme von „Gottessohn“ eine jüdische Wurzel haben und tatsächlich in den Schriften belegt seien. Durch die jeweils knapp durchgeführte Analyse von christologischen Titeln und Konzeptionen beschreibt Carlston die Christologie des Matthäusevangeliums.97

      Nach Carlston soll die Kirche durch die im Leben Jesu dargestellten Christusbilder (humility, suffering, service) geprägt worden sein. Da aber eine zeitliche Lücke zwischen Jesus und der matthäischen Gemeinde besteht, werde die heilsgeschichtliche Kontinuität problematisch. Die matthäische Gemeinde „has (probably) broken irrevocably with Judaism and established its own rudimentary organizational forms“98. Sie stehe trotzdem in kontinuierlicher Verbindung mit der Geschichte Gottes mit dem Volk Israel. Ihre Identität werde weder von ihr selbst noch von der jüdischen Tradition bestätigt, sondern allein von der Beziehung zu Jesus. „This is so self-evident for Matthew that nowhere in the gospel is the church given any self-designation, as, e.g., the Qumran community and the early Christian church were. Its self-definition is rather presumed than argued.“99 Jesus selbst gewähre der Gemeinde ihre Position als Jüngerschaft. In Mt 18 halte Jesus eine paränetische Rede, in der er die Struktur der Kirche aufzeige (Mt 18), so dass die (matthäische) Gemeinde vor dem Missbrauch eines gegebenen Privilegs bewahrt werde und so die Heilsgeschichte durch Jesus fortsetzen könne.

      Carlston richtet seine Aufmerksamkeit auf die Institution der Ekklesia, „Matthew’s portrait of the church as institution, which is neither amorphous nor leaderless“100 – aber ohne die Amtsfrage zu berühren. Die Jünger erhalten in der Kirche jedoch eine besondere Position. Für Carlston sind sie einerseits die historischen Begleiter Jesu, indem sie die Brücke zwischen Jesus und der matthäische Gemeinde bilden, andererseits die transparenten Figuren, die die Jüngerschaft in allen kommenden Zeiten repräsentieren. Matthäus bezeichne die Jünger nicht als eine ideale Gestalt, sondern als corpus mixtum, mit dessen realer Wirklichkeit die Kirche dargestellt wird. Die Jünger haben die Schriftgelehrten als Modell für die Nachfolge Jesu, weil zum einen ihre Lehrautorität nachgeahmt werde (vgl. Mt 28,20) und zum anderen „the continuity with a long-established practice“101 bewahrt werden muss. Wie im Alten Testament fungieren im Matthäusevangelium die Jünger als die prophetischen Lehrer, die „the chain of tradition and announce the future“102 bilden und deren Autorität allein in der Beziehung zu Jesus begründet ist. Nach Matthäus sei Petrus der Prototyp der Jüngerschaft. Wenn diese Signifikanz nicht beachtet wird, kann es zur Historisierung führen, d. h. „either to generalizations about his high standing in a particular early community – with the negative statements simply portraying his humanity or, worse, representing ‘accurate’ reminiscence – or to the assumptions of ‘conflicting traditions’, possibly representing different communities toward the end of the first century”103. Im Spiegel des Petrusdienstes erfüllten die Leiter der matthäischen Gemeinde ihren Dienst, als „real leaders, offering real direction, but their authority in legal and disciplinary matters is as subject to temptation as Peter’s was“104.

      Carlston unterstreicht die Gründung der Kirche durch Jesus. Ihre Autorität erhält sie durch das Vorbild Jesu (humility and service). Ihre Aktivitäten werden durch den fortdauernden Beistand dessen garantiert, der die Menschen beruft und sendet (Mt 1,23; 18,20; 28,16-20). Diese Gegenwart sei für Matthäus „Christological; it is also ecclesiological, in that it provides a bond among the disciples and gives meaning as well as authority to their mission“105. Nach Carlston sind Christologie und Ekklesiologie untrennbar miteinander verbunden. „Matthew’s ecclesiology is Christologically determined“106, wie er seine Untersuchung im Schlusssatz zusammenfasst.

      Auswertung: Wie Christologie und Ekklesiologie im Matthäusevangelium zusammenhängen, beleuchtet Carlston im Horizont der Heilsgeschichte. Die Jesusgeschichte steht in geschichtlich-kontinuierlicher Verbindung mit der Gottesgeschichte Israels. Daran anschließend entfaltet die Kirche die Heilsgeschichte weiter, insofern sie von der Beziehung zu Jesus bestimmt ist. Ohne Christologie kann es keine Ekklesiologie geben. Die Ekklesiologie des Matthäus wird durch seine Christologie geführt und begründet. Die Bindung der Kirche an Jesus wird auf der geschichtlichen Ebene gezeigt, aber deren Bedeutung ist schon theologisch. Trotz dieser großen Bedeutsamkeit der Christologie zeigt Carlstons Untersuchung eine äußerst starke Konzentration auf die Ekklesiologie. Die relativ unzureichende Darstellung der christologischen Begründung der Kirche scheint eine Nacharbeit107 nötig zu haben. Offenbar hat die matthäische Christologie einen Bezug zur alttestamentlichen Theologie des Volkes Gottes. Aber ihre Beziehung zur Ekklesiologie sollte nicht nur in heilsgeschichtlicher Hinsicht – gleichsam rückwärtsgewandt – entfaltet werden, sondern von der Grundkonzeption der Jüngerschaft her, wie sie von Jesus grundgelegt wurde und transparent ist in die Zukunft der Kirche hinein durch die Sendung der Jünger für alle Zeiten.

      Ergebnis und Ausblick

      Die Aufarbeitung der Forschungsergebnisse bestätigt den Eindruck, dass Christologie und Ekklesiologie für die theologische Konzeption des Matthäusevangeliums in Abhängigkeit zueinander stehen. In den letzten zwei Jahrzenten aber findet sich keine Arbeit mehr, die diese Zusammenhänge thematisiert. Die meisten Untersuchungen zeigen vielmehr ein größeres Interesse an der ekklesiologischen Konzeption (mit Ausnahme von Strecker). Die Frage nach dem Kirchenverständnis steht im Mittelpunkt der Untersuchungen. Christologie dient eher dazu, die dargestellten Kirchenbilder zu beleuchten und zu begründen. Christologie und Ekklesiologie liegen (nach Strecker, Künzel und Carlston) auf der historischen Ebene, die heilsgeschichtlich zu aktualisieren sei. Beide werden durch die Reflexion der alttestamentlichen Gottesgeschichte geschichtlich-kontinuierlich miteinander verbunden. Die Jesusgeschichte ist allerdings nicht als bloße Historie zu verstehen (wie bei Strecker). Sie hat vielmehr einen bleibenden

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