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als Strecker, der die „Jünger“ als historische Gestalten bestimmt, die der unwiederholbaren Vergangenheit zugehören.

      Das Defizit in der bisherigen Forschung wird mit der vorliegenden Studie gedeckt. Die Christologie dient bei Matthäus nicht nur der Begründung der Ekklesiologie, sondern sie entfaltet eine hohe Eigenständigkeit, was auch im Vergleich mit Markus und Lukas deutlich wird. Dass Matthäus auch ein ekklesiologisch relevantes Konzept enthält, ist unverkennbar. Seine Ekklesiologie basiert aber auf der Grundlage der Christologie. Christologie und Ekklesiologie sind so miteinander verbunden, dass der Gesamtentwurf des Evangeliums herausgearbeitet werden kann: Der Weg Gottes mit den Menschen, von dem Matthäus erzählt, wird durch den Weg Jesu mit den Jüngern sichtbar. Dieser setzt sich fort, wenn die Jünger den Weg der Nachfolge gehen. Gottes Zuwendung zu den Menschen durch die Sendung Jesu ist programmatisch auf Israel konzentriert (Mt 15,24; vgl. 10,5f.). Sie zeigt aber die universale Öffnung für alle Völker zu allen Zeiten, indem die Beistandsverheißung Gottes sich mit dem erhöhten Herrn erfüllt und durch die nachösterliche Mission weitergetragen wird (Mt 28,16-20). Die Zusage des Immanuel (Mt 1,23; 28,20) bildet den literarischen Rahmen der erzählten Geschichte Jesu. Sie geht aber über die Zeit Jesu hinaus und eröffnet den geschichtlichen Horizont, in dem die Heilsgegenwart Gottes durch die Sendung Jesu und seiner Jünger zu den Menschen weiterwirkt. Die Jesusgeschichte erfüllt also die Verheißungsgeschichte Gottes an Israel, die durch das Wirken der Propheten vorbereitet wurde, und entfaltet sich zugleich in die Zeit der Kirche hinein. Die historisch verankerte Geschichte Jesu wird transparent durch die Sendung der Jünger zu allen Völkern: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern.“ (Mt 28,19).

      Die vorliegende Arbeit fragt nach dem Verhältnis zwischen Jesus und seinen Jüngern im Matthäusevangelium, wodurch gleichzeitig Gottes Heilsweg zu den Menschen grundgelegt ist. Wie Jesus sich in seiner Einheit mit dem Vater seinen Jüngern zuwendet, ist eine Grundfrage der Christologie, Soteriologie und Ekklesiologie, die nicht schon durch die Analyse von Hoheitstiteln beantwortet ist, sondern eine Analyse der vom Evangelisten erzählten Beziehung erfordert. Die konvergierende Frage, wie die Jünger sich zu Jesus und durch ihn zum himmlischen Vater verhalten, damit sie den Menschen das „Evangelium des Himmelreichs“ (Mt 4,23; 9,35; vgl. Mt 10,7) verkünden können und dadurch ihre eigene Gottesbeziehung sowie ihr eigenes Handeln grundlegend bestimmen, bindet die Ekklesiologie und Ethik an die Christologie. Wiederum liefern nicht schon die wenigen Stellen, an denen Matthäus den Begriff ἐκκλησία (Mt 16,18; 18,17) einbringt, den Schlüssel dafür, sondern die durchaus komplexen Beziehungen der Jünger zu Jesus, wie sie vom Evangelisten erzählt werden.

      Diese Untersuchung basiert darauf, dass der Evangelist Matthäus eine Geschichte Jesu „erzählt“: Das Matthäusevangelium ist – wie auch die anderen Evangelien – gattungsmäßig als eine zusammenhängende Erzählung zu verstehen, welche einen Spannungsbogen aufweist, in dem sie über einen Höhepunkt am Ende zu einer Lösung kommt (plot). Aufgrund der kontinuierlichen Entfaltung der gesamten Erzählung kann das Evangelium von Anfang bis zum Ende lückenlos gelesen werden.108 Die zweigliedrige Gesamtstruktur, die die vorliegende Studie zeigt (Jesus auf dem Weg der Gerechtigkeit – die Jünger auf dem Weg der Nachfolge), beruht auf der Kommunikationsebene des erzählten Evangeliums und zeichnet die enge Verbundenheit Jesu mit seinen Jüngern nach. Bei der Analyse von einzelnen Textabschnitten helfen die narratologischen Verfahren. Die narrative Analyse hat die Aufgabe, einerseits die Inhalte der Erzählung mit den erzählten Ereignissen, den handelnden Personen und ihren Situationen zu betrachten (story), andererseits darzulegen, „wie der Erzählinhalt dem Leser präsentiert wird und wie der Leser in seinem Urteil über den Inhalt gelenkt wird“109 (discourse). Aus dieser textimmanenten Analyse auf der Inhalts- und Ausdrucksebene ergibt sich die Kernaussage, deren Deutung aber durch andere methodische Reflexionen ergänzt wird.

      Auf der Ebene der primär synchronisch angelegten Methodenarbeit kommen in Frage die Analysen des Kontextes und der Struktur einer Texteinheit. Diese methodischen Schritte gehen vom vorliegenden Text des Matthäusevangeliums aus, d. h. von der vom Evangelisten (als Endredaktor) gestalteten Endfassung des Textes:

      1) Die Kontextanalyse erfasst einzelne auszulegende Texteinheiten als Teile der größeren Gesamtschrift, in die sie integriert und zu größeren Sequenzen verbunden sind. Die Kontextanalyse hat die Aufgabe, den Einzeltext vom Kontext abzugrenzen und den Standort und Stellenwert der zu untersuchenden Texteinheit in ihrem näheren und weiteren literarischen Textumfeld zu bestimmen. Sie „sucht die Sinnhinweise aufzuspüren, die sich aus der Verankerung eines Einzeltextes (sei er traditionell oder nicht) in den Makrotext des Gesamtwerkes ergeben“110. Dadurch öffnet sich der Blick „auf den Aufbau, die Gliederung und den thematischen Verlauf der Gesamtschrift; auf die Anlage, die Thematik und die Gedankenführung des engeren Kontextes; schließlich auf die Verbindungslinie vom Einzeltext zu seinem engeren und gesamtschriftlichen Kontext“111. Dieser Methodenschritt ist der elementare und fundamentale Arbeitsgang, die Komposition des Evangeliums zu untersuchen, die dadurch Rückschlüsse auf die theologische Intention des Evangelisten zulässt.

      2) Die Strukturanalyse – bzw. Formanalyse – sucht die sprachliche Gestalt einer Texteinheit aufzuzeigen. Sie „schreitet fort von der Laut- und der Wortebene über die Ebene der Sätze, die aus ihnen gebildet werden, bis hin zur Ebene größerer Textabschnitte und ganzer Texte“112. Aus diesem analytischen Verfahren ergeben sich Textgliederung, Personenkonstellationen, Handlungsabläufe und Spannungsbögen, die die Sinnlinie und das Sinngefüge des Textes aufzeigen.

      Da die synchronisch orientierte Auslegungsweise bei der Frage nach der theologischen Aussage des Redaktors und Evangelisten methodisch gefordert ist, muss bei der Textanalyse der Primat der Synchronie vor der Diachronie gewahrt bleiben. Die synchrone Exegese wirft jedoch ein nicht zu unterschätzendes Problem auf, wenn die historische Verankerung des Matthäusevangeliums berücksichtigt werden muss.

      Der Verfasser des Evangeliums wendet sich an die Gemeinde, die von jüdischen Traditionen geprägt war; sie hat die Gesetzesfrömmigkeit hochgeschätzt (Mt 5,17-19).

      Angesichts des äußerst stark jüdischen Anteils führt das in eine Krise, weil sie einerseits mit innergemeindlichen Konflikten konfrontiert wird, andererseits sich mit Konkurrenten im Verhältnis zum zeitgenössischen Judentum auseinandersetzen muss.113 Diese matthäische Gruppe kannte wohl andere (mündliche und schriftliche) Überlieferungen. Die Niederschrift des Matthäusevangeliums ermöglichte vor allem Jesusüberlieferungen, die dem Evangelisten Matthäus zur Verfügung standen. Nach der Zwei-Quellentheorie ist sowohl das Markusevangelium als auch die Redequelle als primäre Quellen des Matthäusevangeliums vorausgesetzt. Dazu kommt auch das sog. „Sondergut“114. Im Matthäusevangelium – sowie in anderen biblischen Literaturen – gilt daher „Traditionsabhängigkeit als Markenzeichen und selbst die Übernahme ganzer Textpassagen von Vorgängern nicht unbedingt als Makel, sondern in vielen Fällen als Vorzug authentischen Schreibens“115. Aus der literarischen Abhängigkeit von vormatthäischen Traditionen, dem Markusevangelium und der Redequelle, ergeben sich sprachliche und thematische Übereinstimmungen; Matthäus folgt im Wesentlichen der Grundstruktur des Markusevangeliums (z. B. Jesu Basileia-Verkündigung in Wort und Tat, die Berufung, Schulung und Sendung der Jünger, Auseinandersetzung mit den Gegnern, Jesu Auferstehung). Der Redequelle entnimmt er die thematischen Schwerpunkte seines Evangeliums (z. B. Seligpreisungen, Gerichtspredigt, Jüngerschaft in der Nachfolge Jesu). Matthäus überliefert aber die Jesusgeschichte aus den ihm vorliegenden Traditionen nicht ohne eigene Bearbeitungen, er schafft vielmehr eine neue Struktur für sein Evangelium, indem er zum einen durch die Kompositionsarbeit neue thematische und formale Einheiten (z. B. die fünf großen Reden Jesu) erstellt, zum anderen weitere Traditionen – bei denen es auch Kürzungen gibt – übernimmt und neu zusammenstellt. Daraus ergeben sich erhebliche Differenzen im Umfang, teilweise im Aufbau und auch häufig im Wortlaut zu seinen Vorlagen. Das Matthäusevangelium, das auf vielerlei Vorlagen zurückgreift, lässt in seiner Endfassung des Gesamttextes die traditions- und redaktionsanalytische Arbeit noch erkennen.

      Für

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