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Bezug zur Geschichte Jesu, der allerdings jenseits eines bloßen Historismus liegt. Matthäus flicht permanent und programmatisch die alttestamentlichen Reflexionszitate ein, die zeigen sollen, dass die Jesusgeschichte nur in einem Horizont erzählt werden kann, der durch die Gottesgeschichte Israels eröffnet ist und von Jesus vergegenwärtigt wird. Die Jesusgeschichte, die von Matthäus erzählt wird, erweist sich daher als die Erfüllung der Gottesgeschichte, deren Niederschlag sich in den Schriften Israels findet. Die alttestamentlichen Zitate, auf die in der vorliegenden Untersuchung besonders Bezug genommen im Hinblick auf die Geburt Jesu (Mt 1,23; Jes 7,14) und seine messianische Sendung als Gottesknecht (Mt 12,17-21; Jes 42,1-4) und Friedenskönig (Mt 21,4f.; Sach 9,9; Jes 62,11), haben ihren eigenen geschichtlichen Standort und Wortsinn auf der Ebene des Alten Testaments. Sie erhalten aber im matthäischen Zusammenhang einen neuen Stellenwert und einen neuen Sinn. Der Vergleich mit ihren ursprünglichen Aussagen erschließt diese matthäisch spezifische Schriftkonzeption.

      Aus dem Thema der Arbeit, Gottes heilsame Zuwendung zu den Menschen durch die Sendung Jesu und seiner Jünger, folgt der synchrone Methodenansatz. In methodischer und thematischer Hinsicht geht die Studie den Weg von der synchronen Textanalyse zur theologischen Interpretation. Der Evangelist übernimmt seine Texte aus einer Tradition von „damals“; sie sind nach einer langen Entwicklungsphase schließlich zum „Matthäusevangelium“ geworden. Ihre Entstehungsgeschichte gibt ein geschichtliches Verständnis wieder, welches auf dem alttestamentlich und neutestamentlich fundierten Offenbarungsverständnis beruht. Die Offenbarung Gottes in Jesus ist das unersetzbare Zeugnis, an dem die christliche Kirche festhalten muss. Das Evangelium nach Matthäus ist ein Zeugnis der Offenbarung Gottes nicht nur „damals“, sondern auch für „heute“; es ist nach wie vor eine Quelle für den christlichen Glauben, dem die Verkündigung dient.116 Insofern dieses Evangelium zum Kanon der Heiligen Schriften gehört, zeigt es „die konstitutiven Richtlinien für die Identität des Christentums“117. Wenn es vorgetragen oder gesprochen wird, wird sein Anspruch zur präsenten Wirklichkeit.118

      Die Verbindung der verschiedenen exegetischen Methoden ermöglicht es, die Transparenz der Jesusgeschichte als Geschichte Gottes mit den Menschen so zu erkennen, wie Matthäus sie gestaltet hat. Die Lektüre der erzählten Geschichte Jesu fordert die Beschäftigung mit dem Endtext (synchron). Dieser aber würde seine Geschichtlichkeit verlieren ohne diachronische Reflexion. Dass die Menschen an Jesus Christus glauben, ist für sie ein persönlicher Vorgang, der aber in einem geschichtlichen Ereignis verankert ist. Das Heilshandeln Gottes in Jesus ist nicht eine einmalige vergangene Geschichte, sondern wird durch den Verkündigungsdienst der Kirche zur Heilsgeschichte in der Gegenwart. Dass Gott in der Sendung Jesu und seiner Jünger für die Menschen handelt, ist Gegenstand des Matthäusevangeliums.

      Aus der Bestimmung des Arbeitsthemas über den Heilsweg Gottes zu den Menschen, der nicht nur durch die christologischen Elemente, sondern auch durch die ekklesiologischen bestimmt und veranschaulicht wird (1.1), ergibt sich die zweigliedrige Gesamtstruktur der Arbeit: Jesus auf dem Weg der Gerechtigkeit und die Jünger auf dem Weg der Nachfolge. In der Christologie des Immanuel und der Ekklesiologie der Nachfolge entfaltet der Evangelist erzähltechnisch und theologisch die Theozentrik Jesu im Rahmen seines Evangeliums. Diese Themenkreise bilden die Grundlage für die vorliegende Untersuchung, die auf der Ebene des Matthäusevangeliums eruiert, wie Jesus und seine Jünger die Erfüllung des Heilswillens Gottes suchen. Die christologische und ekklesiologische Ausrichtung sind aber voneinander zu unterscheiden, um die Dynamik des Verhältnisses zwischen Jesus und seinen Jüngern herauszustellen.

      Der christologische Teil (Jesus auf dem Weg der Gerechtigkeit) sucht die Gottessohnschaft Jesu und sein Wirken als Lehrer der Gerechtigkeit zu bestimmen. Jesus als Erlöser wird programmatisch bei der Verleihung des Namens (Mt 1,21) angekündigt (2.1). Der verheißene Beistand des Immanuel (Mt 1,23 [Jes 7,14]; 18,20; 28,10) ist den Seinen zugesagt, so dass die Geschichte Gottes mit dem Volk Israel als die Geschichte Jesu mit den Jüngern und mit den Menschen transparent gemacht wird (2.2). Die Sendung Jesu als Gottesknecht (Mt 12,18-21 [Jes 42,1-4]) und als Friedenskönig (Mt 21,5 [Sach 9,9; Jes 62,11]) ist der „Weg der Gerechtigkeit“ (Mt 21,32). Dieser Weg wird bei der Taufe Jesu programmatisch aufgezeigt (Mt 3,15). Jesus erfüllt durch seine messianische Sendung die Gerechtigkeit Gottes. Zu dieser Sendung sind auch seine Jünger berufen. Jesus lehrt sie Gerechtigkeit, so dass auch sie den Weg der Gerechtigkeit verkünden können (2.3). Die Proexistenz Jesu wird von der Theozentrik begründet (2.4). Im christologischen Teil dieser Arbeit werden diese wesentlichen Aussagen des Matthäus auf folgende Fragen hin untersucht: Wer ist Jesus nach dem Matthäusevangelium? Was hat er getan? In welchem Verhältnis steht er zu seinem Vater und zu seinen Jüngern? Wie erfüllt der Sohn des Vaters den Willen des Vaters?

      Im ekklesiologischen Teil (die Jünger auf dem Weg der Nachfolge) ist eine sachgerechte Antwort auf folgende Fragen erforderlich: Wer sind die Jünger? Welches Verhältnis zu Jesus haben sie? Wie sind sie charakterisiert? Welche Probleme gibt es innerhalb der Jüngerschaft? Wie erfüllen die Jünger ihre Sendung? – Sie folgen der Berufung durch Jesus in ihrer Bereitschaft zur Nachfolge. Die Identität der Jüngerschaft wird aber nicht von den Jüngern, sondern allein von Jesus bestimmt. Sie werden von ihm in die Nachfolge gerufen und bevollmächtigt, zu tun, was er getan hat (3.1). Diese Nachfolger Jesu bilden die Glaubensgemeinschaft, die Ekklesia. Die Jünger bleiben aber trotz ihres Bekenntnisses zu Jesus Kleingläubige. Jesus überwindet ihren Kleinglauben, indem er sie belehrt, so dass ihr Glaube wachsen kann (3.2). Die Jünger haben aber keine kontinuierliche Gemeinschaft mit Jesus. In der Bergpredigt definiert er seine Jünger als „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ (Mt 5,13-16). Er richtet damit ihren Blick über Israel hinaus in alle Welt, in die sie gesandt werden sollen, um alle Völker zu Jüngern Jesu zu machen, indem sie sie taufen und lehren (Mt 28,18-20). Die nachösterliche Sendung der Jünger findet ihre Begründung im erhöhten Herrn (3.3). Die Jünger bleiben in der Gemeinschaft mit Jesus, indem sie seinem Ruf folgen. Sie sollen nach Jesu Willen untereinander ihre Sünden vergeben und einander dienen. Die Einheit der Jünger ist für ihre Gemeinschaft mit Jesus konstitutiv (3.4).

      Da häufig die Beschreibung der Reaktionen der Jünger gegenüber Jesus im Matthäusevangelium nur unklar wiedergegeben wird, ergibt sich die Schwierigkeit, die Position der Jünger (auf der Erzählebene) explizit darzustellen. Sie bleiben jedoch in ihrer Beziehung zu Jesus transparent für seine Worte und sein Wirken. Die erzählte Jesusgeschichte erschließt sich dem Leser als das Evangelium Gottes nach Matthäus.

      1 Die Bemerkung der pharisäischen Gegner Jesu in Mt 22,16 wird positiv gedeutet bei A. Sand, Das Evangelium nach Matthäus, Leipzig 1989, 441 („sie rühmen seine souveräne Unabhängigkeit“); D.A. Hagner, Matthew 14-28 (WBC 33B), Dallas 1993, 635. Negativ dagegen bei U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus. Mt 18-25 (EKK I/3), Zürich u. a. 1997, 257; J. Gnilka, Das Matthäusevangelium. II. Teil. Kommentar zu Kap. 14,1-28,20 und Einleitungsfrage (HThK I/2), Freiburg i. Br. 21992, 247.

      2 Vgl. A. Sand, Das Matthäus-Evangelium (EdF 275), Darmstadt 1991, 92f.

      3 Th. Söding, Der Tod ist tot, das Leben lebt. Ostern zwischen Skepsis und Hoffnung, Ostfildern 2008, 94.

      4 Ebd.

      5 U. Schnelle, Theologie des Neuen Testaments (UTB 2917), Göttingen 22013, 419.

      6 Hier gibt es bei allen weiteren Differenzen eine grundlegende Übereinstimmung z. B. zwischen J. Ratzinger (Benedikt XVI.), Gesammelte Schriften. Kirche – Zeichen unter den Völkern. Schriften zur Ekklesiologie und Ökumene. Erster Teilband, Freiburg i. Br. 2010, 128-139 und W. Kasper, Katholische Kirche. Wesen – Wirklichkeit – Sendung, Freiburg i. Br. 2011, 190-201.

      7 W. Kasper, Katholische Kirche, 191.

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