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lodernden Feuers hat man den Eindruck, dass der Wald aus purem Gold besteht.

      Ein Anblick, der mir eine ordentliche Gänsehaut verpasst, da er an Schönheit kaum zu überbieten ist.

      Um das Feuer stehen zwölf Gestalten mit weißen Mönchskutten, die wohl aus Leinen gefertigt sind. Die Kapuzen haben sie sich tief ins Gesicht gezogen, sodass es unmöglich ist, ihre Gesichter zu erkennen. Unten aus den Kutten schauen nackte Beine und nackte Füße heraus. Da alle vierundzwanzig Beine mehr oder weniger behaart sind, gehe ich davon aus, dass es sich ausschließlich um Männerbeine handelt.

      Sie murmeln unverständlich eine Litanei vor sich hin, die an Mönchsgesang erinnert. Inmitten des Feuers steht ein großer gusseiserner Kessel, aus dem Dampf aufsteigt. Der Blick zu meinen beiden Freunden sagt mir, dass sie ebenso wie ich von diesem Schauspiel fasziniert sind.

      Hier und da tritt einer der Gestalten nach vorne, um eine weitere Zutat in den Kessel zu werfen. Nach einer Weile steigen dann die Intensität und die Lautstärke des Gesangs deutlich an. Nun löst sich die kleinste Gestalt aus dem Kreis und tritt mit einer hölzernen Kelle zum Kessel. Er taucht die Kelle in den Kessel, rührt kräftig um und führt sie zum Mund, um den Inhalt durch Pusten abzukühlen.

      Nachdem er mit der Unterlippe die Temperatur am Löffel geprüft und anscheinend für gut befunden hat, wirft er zum Trinken die Kapuze zurück. Erwartungsgemäß erinnert sein Äußeres an eine Märchengestalt namens Rumpelstilzchen. Moment? Rumpelstilzchen? Da war doch was? Genau, im Feuerschein steht Korbinian Jansen, unser Leichenfinder vom Trekkingplatz auf dem Johanniskreuz und das hier scheint der Druidenkult zu sein, von dem er sprach.

      Als er seinen Löffel ausgetrunken hat, springt er in die Luft, klatscht die Fußflächen aneinander und ruft voller Freude ein »Heureka« aus.

      Dass ich mir bei diesem comicähnlichen Schauspiel das Lachen nicht verbeißen kann, ist schon klar. Auch meine beiden Begleiter können sich nicht beherrschen und prusten laut drauf los.

      „Schänder, Schänder!“, ruft eine der Gestalten. „Unser Ritual wurde entweiht.“

      „Ungläubige!“, ruft ein Weiterer.

      „Auf sie mit Gebrüll“, schließt sich ein Dritter an, bevor sie mit einem gemeinsamen, „Attacke!“, in unsere Richtung stürmen.

      Reflexartig flüchten wir drei in den schützenden Wald.

      Das ganze Szenario erinnert mich an meine Jugend. So mit dreizehn waren wir im Wald zelten. Zu der Zeit war es noch nicht üblich, in den Ferien nach Spanien oder sonst wohin zu fahren. Dann hat sich eben die Dorfjugend zusammengerottet und mit einem Bollerwagen Zelte und Schlafsäcke in den Wald geschafft, um ein Lager zu errichten.

      Ernährt haben wir uns dann von Konserven und allem, was wir auf dem offenen Feuer grillen konnten.

      Viel cooler jedoch war es, sich selbst etwas Nahrhaftes zu beschaffen. So sind wir also einmal in einer dunklen Nacht los, um aus privaten Fischweihern ein paar Forellen zu angeln.

      Die benötigte Ausrüstung war in den damals modernen Überlebensmessern im Schraubgriff untergebracht.

      Als wir so am Weiher lagen und uns auf die Schwimmer und auf den Zug an der Angelschnur konzentriert haben, kam ein Auto den Feldweg entlanggebraust.

      Ein guter Grund, den Weiher fluchtartig in Richtung des stockdunklen Waldes zu verlassen.

      Genau an diese Episode vergangener Tage erinnert mich die Flucht durch den sackdusteren Wald gerade jetzt. Nur bin ich ja keine dreizehn mehr und hab auch nicht im fremden Teich gefischt. Ganz im Gegenteil, wir haben doch nur als besorgte Bürger nach dem Rechten geschaut. Ist ja fast schon lächerlich, da fliehen der oberste Amtsrichter, ein unbescholtener Biowarenhersteller und der Neustadter Polizeidienststellenleiter vor ein paar bärtigen Männern, die Asterix spielen.

      Meinen Freunden scheint gerade der gleiche Gedanke in den Kopf gekommen zu sein, denn sie bleiben im gleichen Augenblick wie ich stehen.

      Nun fällt uns auf, dass wir gar nicht mehr verfolgt werden. Klar! Die zwölf Herren sind ja barfuß unterwegs und haben soeben ihre gepflasterte Komfortzone verlassen. Wir dagegen sind geradewegs in einen Kastanienwald gerannt. Wer Kastanienigel kennt, kann sich ja vorstellen, was diese an blanken Fußsohlen anrichten. Mit dem Gejammer der Druiden im Rücken und voller Freude über unser gutes Schuhwerk spazieren wir gemütlich nach Hause, was auch mir keine Mühe bereitet, da unser Weg ja nun bergab führt.

       Optimierung innerer Abläufe

      Nach so einem schönen und vor allem abwechslungsreichen Wochenende fällt es mir fast schon schwer, in meinen Arbeitsrhythmus zu finden. Gut, es ist eben Montagfrüh und da werde ich wohl nicht der Einzige sein, der Probleme hat, in die Gänge zu kommen.

      Im Allgemeinen werden wohl in diesen Minuten Millionen Tassen Kaffee getrunken, um den Morgenmuff aus den Köpfen zu vertreiben und die Leiber mit Leben zu füllen, ich für meinen Fall probiere es mit der Zeitung. Was mich nun aber überrascht, ist, dass mein Name die Titelseite ziert.

       NEUSTADT WEINSTRAßE:

       DIENSTSTELLENLEITER SCHLEMPERT

       REFORMIERT POLIZEILICHE PRESSEARBEIT.

      So lautet die Schlagzeile der Rheinpfalz, dem Pfälzer Tageblatt. Nun fällt mir auch wieder ein, was ich heute Morgen zu tun habe. Um mich von dem Geschriebenen in meinen Plänen nicht beeinflussen zu lassen, wechsle ich ganz schnell zum nächsten Bericht.

       „ALLES NUR BLÖDSINN“, SO OBERFÖRSTER

       PHILIPP HUBERTUS

       Keine Wölfe im Waldrohrbacher Brannwald

       Nachdem mehrere Bürger von Wolfsgeheul aus dem Wald südwestlich vom Ortskern von Waldrohrbach berichtet haben, gibt der zuständige Oberförster Entwarnung. „Eine Zuwanderung von einem ganzen Rudel Wölfen ist faktisch unmöglich“, berichtet der Fachmann für Tieransiedelungen im Pfälzer Wald im Interview mit unserem Reporter. „Auch im Silzer Wild- und Wanderpark sind keine Tiere abgängig.“ Somit verbannt er das Geheul von Samstagnacht in den Bereich Mythen und Sagen. „Oder“, bringt Hubertus eine weitere Theorie ins Spiel, „es handelt es sich dabei um einen dummen Jungenstreich.“

      Okay, zur Aufklärung dieser Geschichte könnte ich wohl so einiges beitragen, nur ob ich das möchte, steht auf einem anderen Blatt.

      Ich mache mich nun mal lieber auf den Weg zum Büro für »Optimierung der inneren Abläufe«.

      Da die Tür nicht geschlossen ist, trete ich einfach ein. Die beiden Herren, also Kim Yang und Gerhard Treiber, sitzen nebeneinander am Tisch und schauen gemeinsam auf zwei Bildschirme, die direkt nebeneinander stehen.

      „Wir sollten Schmitt, Schneider und Schulz in den Frühdienst nehmen“, sagt Treiber mit einem sichtbar geröteten Kopf.

      „Sagen Sie mir nur einen vernünftigen Grund, warum wir dies tun sollten“, erwidert Yang.

      „Einen Grund wollen Sie hören?“, sagt Treiber, dessen Mundwinkel nun wie bei einem Smilie nach unten hängen, was die Enden seines Schnauzbartes ebenfalls in die Tiefe zieht. „Weil die drei Herren schulpflichtige Kinder haben. So sollten wir ihnen Gelegenheit geben, gemeinsame Zeit, auch mit der Mutter, als komplette Familie zu verbringen.“

      „Dass ich nicht lache“, kontert der Asiate, „laut den neusten asiatischen Studien sollte Kindern rund um die Uhr ein Elternteil zur Verfügung stehen, welches sie motivierend antreibt.“

      „Antreiben? Habt ihr Chinamänner den Knall nicht gehört? Kinder brauchen Zuneigung und Verständnis! Liebe und Vertrauen macht unsere Kinder stark und kein motivierendes Antreiben.“

      „Ach ja, ihr Deutschmänner wisst alles besser und könnt alles besser“, meint nun wieder Kim Yang, der nicht

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