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Sie, junge Frau“, gebe ich deshalb patzig zurück, „Sie können es gerne mir überlassen, ob eine Spur heiß oder kalt ist. Ich erwarte, dass Sie tun, was ich sage“, worauf sie schlagartig sämtliche Gesichtsfarbe verliert, um dann feuerrot anzulaufen.

      Auf jeden Fall hat es ihr nun die Sprache verschlagen und mir ein deutliches Plus an Autorität gebracht.

      „Entschuldigen Sie bitte, Chef“, schaltet sich nun wieder der Kollege ein. Während ich noch in Erwägung ziehe, ihn nun auch in seine Schranken zu verweisen, spricht er vorsichtig weiter: „Hier handelt es sich um ein bedauerliches Missverständnis. Mein Name ist Helmut Glaser und das hier ist Yasmin Kalt. Sie verstehen? Sie wollte nicht Ihre Arbeit kritisieren oder kommentieren, Sie wollte sich nur vorstellen.“

      Nun nickt die junge Frau heftig und mit Bedauern sehe ich, dass ihr Tränen über das Gesicht laufen.

      „Bitte entschuldigen Sie, Frau Kalt. Das tut mir nun unheimlich leid“, sag ich, weil mir das unheimlich leid tut.

      „Nichts für ungut Chef“, erwidert sie, „ist ja auch ein saudummer Name.“

      Nun erkenne ich in ihren tränennassen Augen, wie blutjung sie eigentlich ist. Vielleicht fünfundzwanzig, sicher frisch von der Polizeischule. Ich reiche ihr ein Papiertaschentuch und verlasse gemeinsam mit Helmut Glaser das Fahrzeug.

      Nach diesem peinlichen Zwischenfall steht mir der Sinn nach frischer Luft.

      Glaser stapft durch den Wald, um die von mir angeforderten Informationen abzufragen und im Bus höre ich Yasmin Kalt emsig auf der Tastatur hämmern. Ich lehne mich derzeit an meinen Mini und atme tief durch.

      Nach wenigen Minuten kommt Helmut Glaser gemeinsam mit Timo wieder zurück. Aus ihren Gesten glaub ich zu lesen, dass sich die beiden Männer schon angefreundet haben. Solche Dinge fallen sicher leichter, wenn man nicht gerade Dienststellenleiter ist.

      „Ja, Dieter“, beginnt Timo zu berichten, „männlich, circa Mitte fünfzig, mehr lässt sich leider noch nicht sagen. Eine Identifizierung wird nur über einen Genabgleich möglich sein.“

      „Was weiß man über den Tathergang?“, hake ich nach.

      „Alles deutet darauf hin, dass unter der Feuerstelle eine größere Menge auf Schwarzpulver basierenden Sprengstoffs versteckt war, der durch das Entzünden des Lagerfeuers zur Detonation gebracht wurde.“

      „Vielleicht ein Blindgänger aus Kriegszeiten, Timo?“

      „Nein, unmöglich. Es war ein oder wahrscheinlich mehrere in Papier gepackte Sprengkörper. Also quasi sehr große Silvesterböller.“

      Nun wird die Schiebetür am Einsatzkleinbus geöffnet und Frau Kalt steigt aus.

      „Ich hab da was“, sagt sie und ich freue mich darüber, dass ihre Augen wieder strahlen, „für heute waren nur der Korbinian Jansen und ein Herr Peter Brechtel angemeldet.“

      Da sich Jansen bekanntlich bester Gesundheit erfreut, sollten wir unsere Suche nun auf den Brechtel konzentrieren. „Gibt es eine Adresse?“, frage ich deshalb.

      „Leider nur Clausen als Wohnort“, informiert mich die Kollegin.

      „Sollen wir da gleich mal hinfahren?“, will Helmut Glaser wissen.

      „Das übernehme ich“, entgegne ich ihm, „komm Timo, fahren wir.“

      „Wie bitte? Sie?“, sagen die Kollegen Kalt und Glaser wie aus einem Mund.

      „Klar ich, wieso?“, äußere ich ebenso erstaunt wie die beiden Beamten.

      „Ich meine ja nur“, beginnt nun die junge Frau zu stottern, „Sie sind doch der Chef und diese Aufgabe, ich will ja nur sagen, dass der Heuler nie am Tatort war oder so. Dann noch eine unangenehme Botschaft überbringen. Dafür haben Sie meinen vollen Respekt.“

      „Eins will ich dann doch mal klarstellen“, stelle ich nun klar, „ich bin nicht der Heuler und werde auch nicht anstreben, auch nur im Geringsten so zu sein, wie der Ex-Kollege Rüdiger Heuler.“

      Nun blasen die beiden Uniformierten deutlich hörbar Atemluft durch die Zähne. Ich glaube dabei auch so etwas wie »Gott sei Dank« zu hören.

      „Ähm Dieter, macht es dir etwas aus, alleine nach Clausen zu fahren?“, meldet sich nun Timo zu Wort. „Ich würde gerne noch hierbleiben und die Arbeit der Spurensicherung verfolgen.“

      Etwas, das ich auf gar keinen Fall verfolgen möchte. Dass es mein junger Kollege will, finde ich jedoch lobenswert, weshalb ich ihm zustimmend zunicke.

      „Ich würde gerne mit Ihnen fahren“, wirft nun Yasmin Kalt in die Runde, „eine bessere Gelegenheit, direkt vom Chef zu lernen, werde ich kaum bekommen.“

      Diese Haltung der jungen Frau finde ich auch äußerst lobenswert, weshalb ich auch ihr nun zustimmend zunicke.

      Nach schier unendlichen Minuten auf den holprigen Waldwegen biegen wir endlich auf die kurvige Landstraße ein. Eine Herausforderung, der ich nicht widerstehen kann. Eine Straße, bei der sich Kurve an Kurve und Kuppe an Kuppe reiht, dann ein junges attraktives Mädchen auf dem Beifahrersitz, da kommen pubertäre Gefühle auf. Nun heißt es: Feuer frei. Die dreihundertachtzig PS reißen an dem Mini, als würde uns eine Rakete antreiben. Wie ein Teenager freue ich mich über das kartähnliche Fahrverhalten des Minis, der nun beginnt, quer in jede Kurve hineinzurutschen. Die Kuppe vor uns beschließe ich ungebremst zu nehmen, was mich mit einem ordentlichen Sprung durch die Luft belohnt. So macht das Arbeiten Spaß.

      Was sich aber auf keinen Fall spaßig anhört, ist die Stimme vom Beifahrersitz, die ganz plötzlich: „Anhalten, sofort anhalten“, schreit und das in einer Lautstärke, die durch Mark und Bein geht.

      Wie befohlen werfe ich unvermittelt den Anker, was bedeutet, dass ich eine klassische Vollbremsung mache. Da ich, wie immer wenn ich flott unterwegs bin, sämtliche elektronischen Helfer abgeschaltet hab, steht nun der Mini am Ende von einer tiefschwarzen Bremsspur in einer übel riechenden Qualmwolke. In dieser ist die junge Frau verschwunden.

      Nach einer kurzen Suche finde ich sie kreidebleich an einen Baum gelehnt. Hinter meinem Mini hält gerade ein Fahrzeug, dessen Beifahrer mit einem Feuerlöscher direkt mein komplettes Auto einsaut. In so einem Moment habe ich schon das Gefühl, dass mir alles über den Kopf wächst.

      Was nun hilft, ist eins nach dem anderen abzuarbeiten und so gehe ich zuerst mal auf den freundlichen Helfer zu, der gerade seinen leer geblasenen Feuerlöscher in den Straßengraben wirft.

      „Vielen herzlichen Dank für Ihre unnötige Hilfe“, sag ich mit einer gehörigen Portion Sarkasmus.

      „Das habe ich doch gerne gemacht“, gibt er zurück und verschwindet beleidigt im Auto, das daraufhin mit quietschenden Reifen wieder davon fährt.

      Als nächstes fahre ich mal den Mini zur Seite, bevor ihn noch jemand aus Versehen löscht.

      Nun kann ich endlich zu meiner Kollegin zurück, die inzwischen wieder etwas Farbe ins Gesicht bekommen hat.

      „Entschuldigen Sie, Chef, aber das ist alles noch so neu für mich. Ich weiß gar nicht, wie ich mich verhalten soll, dann diese Fahrweise, die unser Sicherheitstraining bei weitem übertrifft“, redet sie etwas wirr, „und dann noch andauernd das Frau Kalt, so hat mich noch nie jemand genannt, verstehen Sie? Ich bin einfach nur die Yasi, mehr möchte ich gar nicht sein.“

      Oh du heiliger Bimbam, nun heißt es auch noch den Psychologen zu spielen. Okay, auch eine schöne Übung, meiner neuen Rolle als Chef gerecht zu werden.

      „Hören Sie“, sag ich deshalb, „es tut mir alles leid. Das mit dem Missverständnis mit Ihrem Namen und auch meine rücksichtslose Fahrweise. Wissen Sie, ich bin mir auch noch sehr unsicher. Vor kurzem war ich noch Bestandteil eines Drei-Mann-Teams und nun bin ich Chef von einhundertachtunddreißig Beamten. Wollen wir beide einen Deal machen?“

      „Einen Deal?“, fragt sie nun ganz verunsichert und schaut mich mit ihren dunkelbraunen Mandelaugen an.

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