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stehen die Kollegen rechts und links an der Wand entlang und beginnen erst verhalten, dann jedoch euphorisch zu applaudieren.

      Am Ende der Reihe steht Klaus Reuter, klopft mir anerkennend auf die Schulter und sagt: „Wenn du so improvisierst, möchte ich mal eine geplante Aktion von dir erleben.“

      Mit reichlich Gänsehaut gehe ich in mein Büro zurück, wo ich mich dann durch den Stapel von Berichten arbeite. Von der Straße höre ich noch ein Weilchen eine einsame Stimme: „Wir wolln, wir wolln Infos“, krächzen.

      Den in meinen Augen wichtigsten Bericht bringt mir allerdings Yasmin Kalt ins Büro. Er besagt, dass der menschliche Fleischsalat vom Trekkingplatz tatsächlich von Peter Brechtel stammt.

      „Dann wollen wir mal“, sag ich zu Yasi, schnappe meine Jacke und kontrolliere dabei, ob sich mein Autoschlüssel auch darin befindet.

      „Gerne Scheffe“, gibt sie als Antwort, „und was wollen wir mal, wenn ich fragen darf?“

      Mann, kann die Fragen stellen: „Na, zur Frau Brechtel, ihr die schlechte Nachricht und ihre Haarbürste überbringen“, sag ich reichlich genervt. Dass ich das Wort »Scheffe« absolut nicht ausstehen kann, sag ich mal lieber nicht, bevor sie hier wieder das große Flennen bekommt.

      „Aber Chef“, jetzt klingt sie auch noch empört, „dafür haben wir doch eine spezielle Einsatzgruppe mit geschulten Beamten und einem Seelsorger.“

      „Was haben wir?“, bin nun ich erstaunt. „Und wofür bin ich da?“

      „Na zum Delegieren, zum Instruieren und zum Repräsentieren.“

      Nun beginn ich zu hyperventilieren. Da ich allerdings nun überraschenderweise nichts mehr zu tun habe, beschließe ich nach Hause zu fahren, um zu regenerieren.

       Nächtlicher Kult im Brannwald

      „Komm Dieter, mach dir mal keine Sorgen, ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du deine neue Aufgabe voll im Griff hast“, sagt Eberhard Palanowski, der mir gegenüber auf der Bank einer Festzeltgarnitur sitzt.

      „Wirklich?“, frag ich zurück. „Ich habe null Plan, wie das gehen soll. Ich bin jetzt Chef von Abteilungen, von denen ich vor ein paar Tagen nicht einmal wusste, dass es sie gibt.“

      Nun muss der Richter lachen. „Eben Dieter, du hast doch nie einen Plan. Du erledigst doch die Dinge, indem du sie tust und nicht, indem du sie planst. So wirst du es auch in Neustadt machen und dafür werden dich deine Mitarbeiter lieben.“

      Die werden mich lieben? Als Chef bin ich doch da, um autoritär zu sein und nicht, um geliebt zu werden. Aber Eberhard wird schon wissen, was er sagt. Immerhin ist er als oberster Richter am Landauer Amtsgericht ja auch Chef. Mein Vertrauen in ihn ist unerschütterlich, nachdem, was wir im Sommer so alles zusammen durchgemacht haben. Sogar einen Alkoholentzug bei ihm haben wir gemeinsam durchgezogen und seitdem wohnt er bei meinem Nachbarn Reiner Buttermilch und seiner Freundin Kordula in der Ferienwohnung als Dauermieter.

      Auch Reiner und Kordi sitzen mit an der Festzeltgarnitur, die wir auf der gepflasterten Fläche gleich neben unserem neuen Pool aufgestellt haben. Quendoline und Mike, meine beiden Kinder, und Quennis Freund Marc stehen zusammen am Grill und wenden was das Zeug hält, während Natalie damit beschäftigt ist, massenhaft Salate und frisches französisches Baguette herbeizuschleppen.

      Nachdem ich heute ja schon zeitig nach Hause gekommen bin, habe ich mich der Gartenarbeit gewidmet und dann beschlossen, den Tag mit einem gemütlichen Grillabend mit den Nachbarsleuten ausklingen zu lassen.

      So sitzen wir nun bei dem für den Winter halb abgepumpten und abgedeckten Pool.

      Reiner Buttermilch schenkt gerade eine Runde von seiner frischen Buttermilch ein. Da ich weiß, dass er die Brühe von der nahe gelegenen Butterfabrik mit einem alten Güllefass nach Hause karrt, um es dort auf seine ganz eigene biologische Art weiterzuverarbeiten, mag ich das Zeug nicht trinken. So werde ich das Getränk nachher wieder langsam und Schluck für Schluck unauffällig an die Rosen schütten, um dann heimlich in der Küche meinen Durst zu stillen.

      Also, alles in allem ein Samstagabend wie aus dem Bilderbuch.

      Gerne würde ich das Gespräch mit Eberhard noch vertiefen, aber nun rufen uns die Kinder zum Grill, um unsere Teller zu füllen. Mike und Marc verteilen Steaks und Würstchen, während Quenni für die vegetarische Abteilung zuständig ist. Irgendwann hat sie sich meiner vegetarischen Ernährungsweise angeschlossen und bereitet mit viel Liebe fleischlose Gerichte zu. So gibt es heute leckere Gemüsespieße, gegrillten Schafskäse und gefüllte Auberginen, alles mit den feinen Röstaromen der knisternden Holzkohle.

      Auffallend ist, dass Kordula ihren Teller in null Komma nichts leergeputzt hat und nun wieder an Reiners Ohr knabbert. Dann und wann unterbricht sie das Geknabbere, um ihm irgendwelche Liebesschwüre ins Ohr zu hauchen, was bei Reiner nicht gerade auf Begeisterung stößt.

      „Nein Kordi“, platzt ihm nun der Kragen, „ich werde nicht sofort meinen ehelichen Pflichten nachkommen, insofern wir ja gar nicht verheiratet sind. Ich bleibe hier mit meinen Freunden sitzen und genieße den schönen Abend.“

      Nun schaut sie betröppelt aus der Wäsche, wie ein Kleinkind, das sich eine Rüge eingefangen hat.

      Da soll mal einer sagen, dass eine Affäre tödlich für jede Beziehung sei. Bei Kordi und Reiner war die Story im letzten Sommer eher beflügelnd, aber das ist auch wieder eine ganz andere Geschichte.

      Zwei Stunden später haben sich mit der Herbstsonne auch die meisten Menschen aus meinem Garten verzogen. Nur Eberhard, der den Abend unter Freunden sichtlich genießt, und Reiner, dem frieren lieber ist als zu Hause seinen außerehelichen Pflichten nachzukommen, sind bei mir verblieben.

      So philosophieren wir der Dunkelheit entgegen. Am meisten faszinieren uns die Lichtspiele im Wald am Berg auf der gegenüberliegenden Seite des Dorfes. In den bunten Blättern des herbstlichen Waldes spiegelt sich ein flackerndes Licht. Moment! Ein Feuerschein im Waldrohrbacher Wald?

      „Ein Waldbrand“, sage ich voller Aufregung, „ich rufe die Feuerwehr.“

      „Ruhig Blut“, meint Reiner in seiner gewohnten Lässigkeit, „da sind sicher nur ein paar junge Leute am Feiern. Denen wollen wir doch nicht die Feuerwehr auf den Hals schicken, ganz abgesehen von den Kosten.“

      „Aber wenn es doch brennt?“, erwidere ich ängstlich.

      „Am besten“, schaltet sich nun Eberhard ein, „wir schauen nach.“

      „Du wirst doch nicht im Ernst annehmen, dass ich nun durch den dunklen Wald stolpere“, bin ich empört, „so stark ist meine Neugier dann doch nicht.“

      „Du meinst, so stark ist dein innerer Schweinehund und die Trägheit deines übergewichtigen Körpers“, trifft mich der Richter an meinem wunden Punkt. „Nach dem üppigen Mahl würde uns allen etwas Bewegung gut tun.“

      Der hat gut reden, seit seinem Alkoholentzug ist er das blühende Leben. Wird schlanker und schlanker, während mein Äußeres immer mehr an Obelix den Gallier erinnert.

      Mürrisch erhebe ich mich von der Bank und trotte den beiden hinterher.

      Ich kann mich genau erinnern, dass der Weg zum Brannwald hinauf in meinen Kindertagen nicht so steil war. Nichtsdestotrotz schwöre ich mir, ab morgen Sport zu treiben. Okay, das schwöre ich mir zum gefühlten fünfhundertsechsundvierzigsten Mal, aber vielleicht wird es ja morgen wahr. Einige endlose und schweißtreibende Minuten später verlassen wir den Weg, um uns durchs Unterholz in die Richtung des Feuerscheins zu schlagen.

      Am Rande einer kleinen Lichtung werden wir auch fündig.

      Dort befindet sich inmitten einer kleinen Sandsteinfläche eine befestigte Feuerstelle, mitten im Wald. Nicht zu fassen, der Erbauer muss das Baumaterial komplett hierher geschleppt haben.

      Der herbstliche Lärchenwald, der seine gesamten gelb gewordene Nadeln noch trägt, rundet dieses

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