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war, unsere Kinder zu lehren. Wir liebten Jesus, wir liebten diese Jugendlichen von ganzem Herzen, und wie alle Eltern erwarteten wir, dass sie wuchsen!

      Die pädagogische Forschung zeigt, dass Kinder dann am besten lernen, wenn sie beispielhaftes Verhalten beobachten und nachahmen können. Ein Vater ist für seine Kinder dann ein annehmliches Verhaltensvorbild, wenn er sie eher führt als antreibt. Heute ist es unter Schafhirten üblich, die Herden mithilfe von Hunden anzutreiben. Im alten Israel aber ging der Hirte voran, und die Herde folgte. Gott hat sich uns als Vater offenbart, und er ruft Väter und Mütter, seiner Führung zu folgen. Geistliche Eltern ihrerseits müssen christusgemäßes Benehmen und christusgemäße Haltungen vorleben, während ihre Kinder ihnen nachfolgen.

      Eine Anmerkung zum Thema Geschlecht und Alter

      In diesem Kapitel wollen wir gründlich untersuchen, was die allgemeinen Kennzeichen geistlicher Eltern sind und welche spezifischen Eigenschaften Männer bzw. Frauen als Mentoren mitbringen. Ehe wir aber einen näheren Blick auf geistliches Mutter- und Vatersein werfen, sollte ich noch erwähnen, dass wir die Meinung vertreten, dass Männer Mentoren von Männern und Frauen Mentorinnen von Frauen sein sollten. Das sehen wir in Titus 2: „… dass die alten Männer nüchtern seien, ehrbar, besonnen, gesund im Glauben … Ebenso ermahne die jungen Männer, besonnen zu sein …“ (V. 2.6). „… ebenso [sollen] die alten Frauen in ihrer Haltung dem Heiligen angemessen [sein], … Lehrerinnen des Guten; damit sie die jungen Frauen unterweisen, ihre Männer zu lieben …“ (V. 3-4).

      In Seelsorge und Vorbild folgte die frühchristliche Kirche der Mentoring-Methode, dass ältere Frauen für jüngere Frauen da waren und ältere Männer für jüngere Männer. Dafür gibt es gute Gründe. Vater- und Mutterschaftsbeziehungen werden rasch zu engen Freundschaften, und es kann eine haarige Angelegenheit sein, zwischen einem Mann und einer Frau die Grenzen der Freundschaft einzuhalten. Tiefe christliche Liebe kann missverstanden werden, und solche Missverständnisse können zu unangebrachten emotionalen und körperlichen Annäherungen führen.

      Meiner Meinung nach ist es der beste Rat, diese Falle einfach zu umgehen. In 1. Thessalonicher 5,22 heißt es: „Von aller Art des Bösen haltete euch fern!“ Ich lese das so: „Vermeidet alles, worin man eher Sünde als Rechtschaffenheit sehen könnte.“ Dagegen halte ich es für völlig korrekt, wenn ein Ehepaar gemeinsam einen geistlichen Sohn oder eine geistliche Tochter als Mentorenteam betreut. In Apostelgeschichte 18,24 ff. lesen wir von den Eheleuten Aquila und Priscilla, die sich als Team engagierten, um Apollos im Hinblick auf sein Evangeliumsverständnis weiterzuhelfen. Aquila und Priscilla „legten ihm den Weg Gottes genauer aus“ (V. 26).

      Im Gegensatz zum Geschlecht legt das Lebensalter keineswegs fest, wer wessen geistlicher Vater oder geistliche Mutter sein kann. Geistlicher Mentor können Sie mit sechzehn genauso gut sein wie mit achtzig. Alle unsere drei Töchter wurden im Alter zwischen zwölf und sechzehn Jahren im Rahmen ihrer Kleingruppenarbeit zu geistlichen Mentorinnen jüngerer Mädchen. Sie nahmen diese Kinder unter ihre Fittiche und brachten ihnen aus Gottes Wort einfache biblische Prinzipien bei. Sie beteten mit ihnen und kümmerten sich um sie, wenn sie eine Not hatten. Unsere Töchter lernten, indem sie es machten. Aus ihrer Liebe zu Jesus und diesen kleinen Mädchen heraus taten sie einen Gehorsamsschritt. Sie warteten nicht ab, bis sie sich vollkommen zugerüstet fühlten, sondern wurden zu geistlichen Eltern, während sie selbst noch am Lernen waren.

      Ich hielt einmal ein Seminar in Medford, Oregon. Nach der Veranstaltung kam eine junge Dame zu mir und bedankte sich dafür, dass ich quer übers ganze Land geflogen war, um in ihrer Gemeinde zu sprechen. Ich fragte sie, was der Herr in ihrem Leben so tue. „Na ja“, sagte sie, „ich hab da ein paar Mädchen in der Schule, mit denen ich mich jede Woche treffe, damit sie in ihrem Leben als Christinnen wachsen.“ Keine Frage, hier hatte ich eine geistliche Mutter vor mir.

      „Wie alt bist du denn?“ fragte ich.

      „Zwölf“, antwortete sie. Eine geistliche Mutter von zwölf Jahren! Ich begegne vielen Gläubigen zwischen fünfzig und siebzig, die das Gefühl haben, nicht das tun zu können, was für die Zwölfjährige ein völlig normales christliches Leben war. Was ist an diesem Bild verkehrt?

      Stets und ständig können Sie jemanden finden, der geistlich jünger ist als Sie selbst und den Sie „jüngern“ und in Gottes Wegen unterweisen können, und Sie werden sehen, es wird gar nicht lange dauern, bis jemand, in den Sie sich investieren, so weit ist, dass er wieder andere unterweisen kann. Wir müssen lernen, wie wir geistliche Eltern aller Altersstufen dazu freisetzen können, dass sie sich reproduzieren. Wenn die Bibel ältere Männer ermahnt, jüngere Männer zu lehren, und ältere Frauen, jüngere Frauen zu lehren, dann heißt das: Wer ein geistlicher Vater oder eine geistliche Mutter ist, sollte ein reifer Christ sein, der Erfahrung ausstrahlt. Das bedeutet nicht notwendigerweise, dass eine Frau, die für eine andere Mentorin ist, an Lebensjahren älter sein muss als diese. Lebensalter hat weniger mit Reife zu tun als Erfahrung. Maßstab dafür, wer wessen Mentor sein kann, sollten Erfahrung und geistliche Reife sein. Unabhängig vom Lebensalter ist es die geistliche Reife einer Person, die sie qualifiziert, Mentor für jemand anderen zu sein.

      Das heißt: ein geistlich reifer Christ in den Zwanzigern kann der geistliche Vater eines fünfzigjährigen Mannes sein, der neu im christlichen Glauben ist. Kürzlich frühstückte ich mit einem Arzt, der in den Vierzigern zum Glauben an Jesus gekommen war. Er erzählte mit großer Zuneigung von einem an Jahren viel jüngeren geistlichen Vater in seinem Leben, der ihm geholfen hatte, in seinem neu gefundenen Glauben zu wachsen.

      Allerdings wird eine solche Konstellation eher die Ausnahme sein. Ich glaube, viel häufiger und normaler ist es, dass das Mandat geistlicher Mutter- und Vaterschaft mit dem natürlichen Lebensalter einhergeht. Ein älterer Mensch mit jahrelanger Erfahrung, ein reifer Gläubiger, der in seinem Leben schon die verschiedensten Zeiten durchgemacht hat, kann für einen Jüngeren ein weit wirkungsvollerer Mentor sein. Trotzdem werden in beiden Fällen die Altersunterschiede das ihre tun, um die Beziehung zu bereichern.

      Jetzt wollen wir untersuchen, auf welch verschiedene Arten geistliche Väter und Mütter ihre Mentorenschaft ausüben, um Reife und Lebendigkeit im Glauben ihrer geistlichen Kinder zu fördern.

      Vaterfigur

      „Familie“ ist schon lange eine Idee Gottes. Er hat Familienbeziehungen eingesetzt und entworfen: Ich „werde euch Vater sein, und ihr werdet mir Söhne und Töchter sein, spricht der Herr, der Allmächtige“ (2 Kor 6,18). Voll tiefer Zuneigung betete der Apostel Paulus für seine geliebten Epheser: „Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, von dem jede Vaterschaft in den Himmeln und auf Erden benannt wird“ (Eph 3,14-15). Gott ist der Vater einer ganzen großartigen Familie, zu der alle die gehören, die Jesus Christus ihren Herrn nennen. Er ist der Vater, von dem her jede Vaterschaft ihren Sinn und ihre Inspiration gewinnt. Wenn wir begreifen wollen, was gesunde Familienbeziehungen sind, müssen wir seine Vaterschaft verstehen: seine Liebe, seine Vergebung und seine Annahme.

      Leider tragen viele heute lebende Menschen ein verzerrtes Vaterbild mit sich herum, da viele Väter ihre Autorität missbraucht haben oder abwesend waren, was bei ihren Kindern angeknackstes Vertrauen und Unsicherheitsgefühle hinterließ. Je weniger überzeugende Vorbilder die Welt anzubieten hat, umso mehr muss Gottes Volk, die Gemeinde Jesu, die Lücke füllen, die fehlende oder grausame Väter gerissen haben, damit die Menschen sehen, wie Gott sich Familie vorstellt.

      „Die Gemeinde muss anfangen zu verstehen, dass sie die Aufgabe hat, einen elterlichen Einfluss auszuüben – sie soll eine Gemeinschaft sein, in der Leben im ganzheitlichen Sinne wachsen kann“, schreibt mein Freund Robert Stearns in seinem Buch „Bereitet den Weg“. Folgendes sieht Stearns voraus, wenn wir diese Elternrolle zu begreifen anfangen:

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