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dem Täufer. Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand John Fisher33 erwähnt hätte, den Thomas Morus seit Robert Bolts Film Ein Mann zu jeder Jahreszeit zunächst an Popularität und seit den beiden Romanen von Hilary Mantel34 auch an Bekanntheit übertroffen hat. Ob sie den dritten Band wohl je beenden wird, in dem ihr »Held« Thomas Cromwell auf der Strecke bleibt? Und – so könnte man, glaube ich, beinahe sagen – von diesem moralischen Ungeheuer Heinrich VIII. seine gerechte Strafe erhält? So viele Tote, besonders in seinem direkten Umfeld.

      Mein Schicksal hat gravierende Auswirkungen auf die Kirche, vor allem in Australien, aber auch darüber hinaus, weil ich für das »Kreuzigungs-Christentum« stehe. Es kann wohl nicht bezweifelt werden, dass die Feindseligkeit der öffentlichen Meinung – und insbesondere der militanten Säkularisten – durch meinen Sozialkonservatismus und mein Eintreten für die jüdisch-christliche Ethik befeuert worden ist.

      Ich glaube an die göttliche Vorsehung. Nie habe ich diese Situation gewollt, sondern alles getan, um sie zu vermeiden. Aber hier bin ich nun, und ich muss bestrebt sein, Gottes Willen zu erfüllen.

      Kardinal Sin aus Manila, der ein beeindruckender Kirchenmann war, ein Gegenspieler von Marcos, und außerdem ein großartiger Unterhalter (welcome to the house of Sin – »willkommen im Hause Sin [engl. sin = Sünde])«, hat sich immer mit dem Esel verglichen, auf dem Jesus – an dem Tag, an den wir uns am Palmsonntag erinnern – in Jerusalem eingeritten ist. Mir gefällt dieses Bild für mein mittelmäßiges Selbst, treu in meinen Gebeten und Pflichten, früher hart arbeitend, aber in spiritueller Hinsicht durchschnittlich. Gott wählt manchmal seltsame Wege.

      Ich befinde mich mitten in einem Kampf zwischen dem Guten und dem Geist des Bösen. In letzter Zeit ist mir das deutlicher bewusst geworden. Eine Freundin von mir, eine beruflich erfolgreiche Frau und Akademikerin, war im Gericht, als die Geschworenen ihren Schuldspruch verkündeten (der schlimmste Moment ihres Lebens, hat sie behauptet). Sie ist eine sehr gläubige Frau, Katholikin, aber ohne jeden Hang zur Mystik, und sie hat mir gesagt, sie hätte die Gegenwart des Bösen unter den Geschworenen und im Gerichtssaal gespürt. Ich habe es nicht gespürt, ich war viel zu benommen. Alle Welt und alle Experten hatten mir gesagt, dass ich aufgrund der Beweislage auf keinen Fall verurteilt werden könnte. Selbst der Richter hat das gesagt. Das und anderes.

      Eine der Dominikanerinnen von Ganmain hat mir eine handschriftliche Kopie von McAuleys schönem Gedicht In a Late Hour (»Zu später Stunde«) gesandt, das er, glaube ich, für Bob Santamaria35 geschrieben hat. Ich kenne es gut.

      McAuley bekennt seine Treue zum Herrn, seine schlichte Dankbarkeit. Ich bin nicht sicher, ob das »Anti-Reich« gesiegt hat, aber es »ist hier«, um es mit seinen Worten zu sagen. Für viele ist, heute noch mehr als damals, »der Sinn für die Natur geschwunden«. Heute »strömt aus Wunden tiefe Bitternis«, und ich vereine mein Gebet mit dem seinen: »Solange das Geheimnis gilt, werde ich dich nicht loslassen.«

      McAuley ist mir der liebste unter den australischen Dichtern, und der beste (ich hoffe, Les Murray wird mir verzeihen).

      Eine Frau aus Thurgoona hat mir eine Abschrift der Verse 1 bis 11 aus dem zweiten Kapitel des Buches Jesus Sirach gesandt, die Bischof Columba Macbeth-Green empfohlen hatte. Ich konnte mich nicht mehr an diese Stelle erinnern, wo von den Auserwählten die Rede ist, die im Feuer und im Schmelzofen der Erniedrigung geprüft werden. Genau meine Situation.

      Mit Ijob geht es zügig voran in den Lesungen im Brevier (der Band für die Fasten- und Osterzeit ist noch nicht eingetroffen): »Er mag mich töten, ich harre auf ihn; doch meine Wege verteidige ich vor ihm« (Ijob 13,15). Er wirft Gott vor, ihn zu verfolgen: Du »zeichnest einen Strich um meiner Füße Sohlen. Er selbst zerfällt wie Verfaultes, dem Kleide gleich, das die Motte fraß« (Ijob 13,27–28). Er erkennt Gottes Übermacht an und bittet darum, dass er ihn in Frieden lassen möge.

      Ein ruhiger Tag, der ruhigste bislang, nach dem Mittagessen hatte ich gar keinen Hofgang mehr. Ich habe meine Zelle gefegt, desinfiziert und gewischt und das Pferderennen aus Flemington und Randwick angesehen. Am Abend habe ich umgeschaltet und im SBS eine Sendung über Marokko und über die Renovierung von Big Ben verfolgt. Habe das Totenoffizium für die Seelenruhe von Mike Willesee gebetet.

      Mein Herr Jesus, ich bete darum, dass ich das tue, was ich tun soll, während wir uns durch diesen Wirrwarr hindurchkämpfen, damit dein Wille und der Wille des Vaters nicht durch meine Schwäche oder durch mein Fehlverhalten oder durch meine mangelnde Weisheit beeinträchtigt werden.

      Ich bete besonders auch für alle, die für mich beten und von denen viele oder alle ihre eigenen großen oder kleinen Kreuze zu tragen haben.

       3. WOCHE

       DIE URTEILSVERKüNDUNG

       10. März bis 16. März 2019

      Sonntag, 10. März 2019

      Wieder ein Sonntag ohne Eucharistiefeier. Ich bete meine anderen Gebete mit besonderer Andacht, um den Tag des Herrn zu heiligen. Das Essen ist sonntags ein bisschen besser. Die Hauptmahlzeit gibt es gegen 11.30 Uhr und um 15.30 Uhr noch einmal einen feinen Salat und ein Stück Biskuitrolle – Schweizer Rolle, wie wir sie in meiner Kindheit genannt haben. Beides gar nicht schlecht. Ich vermute, dass ich ein bisschen zugenommen habe, obwohl ich von den kalorienreichen Sachen einiges unberührt gelassen habe.

      Heute Morgen ist der Arzt überraschenderweise vorbeigekommen, um meinen Blutdruck zu messen: Er lag etwa bei 145 zu 80. Ich habe mich immer noch ein bisschen benommen gefühlt, aber besser als gestern.

      Da meine Füße bis zum Fußende meines Bettes reichen und dieses an eine Steinwand stößt, hatte ich kalte Füße und einige Mühe einzuschlafen. Ich habe Socken angezogen und das Gefängnisoberteil abgelegt, denn das war unter den paar Decken einfach zu viel. Gegen 2.00 Uhr bin ich aufgewacht, aber ich habe meine Zuflucht zum Rosenkranzgebet genommen. Das hat wie üblich funktioniert und ich bin wieder eingeschlafen.

      Früher habe ich für gewöhnlich zu den Jugendlichen und jungen Erwachsenen gesagt, dass ihr Glaube wirklich schwach wäre, wenn sie in einer schwierigen Situation nicht beten würden. Demzufolge sollte ich mich hier im Gefängnis nicht schuldig oder unbehaglich fühlen, wenn ich bete, weil ich Hilfe benötige. Ich entdecke, dass ich mich an Gott wenden und zu ihm beten kann, wenn ich Leerlauf habe, das heißt, wenn es keine Arbeit oder Ablenkung für mich gibt, und ich danke Gott für diesen kleinen Fortschritt.

      Selbst wenn ich mich nicht so gut fühle und mit dem Gebet beginne, bitte ich nicht immer um etwas Bestimmtes. Allerdings bitte ich oft um Frieden und Kraft und bete für alle, für die ich nicht gebetet habe, als ich es hätte tun sollen.

      Einen Teil meines täglichen Breviers bete ich für alle Opfer der Pädophilie in der Kirche von Australien – und nicht nur für meinen Kläger, wie berichtet worden ist. Dass man von den Klägern verlangt, ihre Beschuldigung zu beweisen, richtet sich nicht gegen die Opfer, sondern dient der Feststellung, dass sie Opfer sind. Viele sind – wie auch ich viele Male – falsch beschuldigt worden, und Gerechtigkeit haben wir erst dann erlangt, wenn sie allen Seiten zuteilwird.

      Denjenigen, die früher gegen diesen Missbrauch hätten vorgehen müssen, hat es oft an Mut gefehlt, und manchmal fehlt es auch dort an Mut, wo das Pendel die Richtung ändert und ins andere Extrem ausschlägt.

      Das Truth, Justice and Healing Council1 hat fünf Jahre lang die Hauptlast der kirchlichen Mitarbeit in der Royal Commission2 getragen, aber sie hätten auf dem Recht bestehen müssen, die Kläger ins Kreuzverhör zu nehmen, selbst wenn sie nur selten davon Gebrauch gemacht hätten. Das hätte der Sachlichkeit gedient.

      Sie haben es auch versäumt, den Erfolg von Towards Healing und der Melbourne Response angemessen zu würdigen, so partiell und defizitär er auch gewesen sein mag.3 Sogar Gail Furness, die Beraterin von [Richter Peter] McClellan, hat eingeräumt, dass die Zahl der Übergriffe seit Anfang der 1990er-Jahre signifikant abgenommen hat. Was das Eindämmen oder Beenden

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